Riesenmaschine

12.07.2006 | 13:14 | Alles wird besser | Was fehlt

Für einen, der auszieht, das Fürchten zu zählen


Drowning by numbers. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Auf der Liste der häufigsten Phobien steht die Sozialphobie an zweiter Stelle. Äusserlich oft kaum von Schüchternheit oder flechtenbärtiger Einsiedlerei zu unterscheiden, tobt diese Grossfurcht im seelischen System der Betroffenen so scheusslich und nachdrücklich, dass oft der Leib, vom inneren Aufruhr mitgerissen, allerlei bedrohlichen Unfug und damit seinen Besitzer immer weiter in die Isolation treibt.

Für die so und ähnlich Geplagten hat sich Daniel Goddemeyer die Fear Buddies ausgedacht. In seinem Auftreten beinah ebenso scheu wie der Sozialphobiker, zählt das einer geschwollenen Babuschka gleichende Gerät diskret die Begegnungen mit anderen, gleichartigen Fear Buddies und deren ängstlichen Besitzer. So weiss der Furchtgequälte, wenn er abends, erschöpft von den Überwindungen des Alltags, ins menschenleere Refugium zurücktrudelt, wenigstens, wie viele andere Menschen mit der gleichen Furcht sich in seiner Umgebung befinden bzw. befunden haben.

Die erwünschte Folge scheint eine, wenn schon nicht hilfreiche, so doch zumindest Kurztrost andeutende Gewissheit zu sein, dass man zwar durchaus in das furchteinflössende Leben hineingeworfen und zum schreckenserfüllten Dasein verflucht ist – aber wenigstens nicht als Einziger. Und das alles ohne die pulstreibende Pflicht, mit diesen Leuten nun womöglich reden, auf hohe Türme steigen oder im Fahrstuhl fahren zu müssen. Beängstigend durchdacht.


10.07.2006 | 18:32 | Alles wird schlechter | Vermutungen über die Welt

Gott furzt nicht


Wenn die Schwerkraft dreimal klingelt (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Über das Entstehen der Welt und die Entwicklung der Artenvielfalt kann man unterschiedlicher Meinung sein. Die einen liefern bestechend schöne Argumente für die Existenz omnipotenter Teigwaren, die anderen denken eher kurzfristig. Wieder andere kümmern sich erst gar nicht darum wie der ganze Schlamassel zustande kam. Sie versuchen sich wirklich nützlich zu machen und erforschen die weitaus schmerzhaftere Auswirkungen zeitigende Psychologie der Masse.


Auch die Kreationisten kochen ihr eigenes Ursüppchen und schicken Koryphäen wie Ann Coulter ins Rennen. Diese liefert ihrem neuen sogenannten Buch quasi ex nihilo eine der beklopptesten Analogien, die die junge Welt je gelesen hat: "Imagine a giant raccoon passed gas and perhaps the resulting gas might have created the vast variety of life we see on Earth. And if you don't accept the giant raccoon flatulence theory for the origin of life, you must be a fundamentalist Christian nut who believes the Earth is flat."

Möglicherweise stellen diese denkwürdig waschbärenverachtenden Zeilen bereits erste Vorboten einer beschleunigten Wiederentakademisierung der Evolutionskritik dar. Der Wikipedia-Eintrag zur Furztheorie jedenfalls wurde bereits wieder gelöscht, ernstzunehmende Plagiatsvorwürfe nagen am Image. Demontierten sich die populärpublizistischen Fürsprecher der fundamentalistischen Intelligentsia weiterhin mit solch hoher Geschwindigkeit, so dürfte man getrost glauben, dass von der Bewegung alsbald nur ein Häuflein neokreationistischer Hooligans bliebe, von denen jeder Einzelne beim Aufmarsch mit beeindruckender Vehemenz über die eigenen Argumente nicht weiter als bis ins Leere stolperten. Allein: Glauben heisst nicht wissen, kennt man ja.


08.07.2006 | 09:22 | Anderswo | Nachtleuchtendes | Alles wird besser | Alles wird schlechter

Bikini Badabumm


Kopfkino, auch mal schön.
Wer derzeit aus Furcht, ein Gewitter könnte die sorgfältig gelegte Haarfrisur zerstören, auf aushäusigen Filmkonsum lieber verzichten möchte, braucht nicht unbebildert zu verzagen. Denn kindskopfgrosse Hagelkörner, Ärger mit dem stark behaarten Nachbarn oder unangenehm bemooste Wohnungen wirken gleich viel weniger nervenaufreibend, wenn man sich, dem Hinweis des New Scientist Short Sharp Science Blog folgend, auf die Seite des Nuclear Film Declassification Project begibt. Eine ganze Reihe historischer Filme demonstriert hier deutlich, dass alles noch viel, viel schlimmer hätte kommen können: Trinity, Nougat, Plumpbob und ihre reizbaren Cousins spielen die Hauptrollen in einer sinistren Variante der klassischen Familienserie, in der es schon mal ordentlich kracht, auch ganz ohne Dolby Surround.

Wer das alles als zu zynisch und atombombenverachtend empfindet, der labe stattdessen sein wundgelebtes Inneres an "The warm coat", einer frühen Dekosoap über den explosionsfreien Zwangsumzug eines pfiffigen Kalans namens Harvey. Da mal ne Scheibe von abschneiden, Guido Knopp!


03.06.2006 | 13:53 | Alles wird besser | Sachen kaufen

Sandalen-Upgrade


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Vor wenigen Monaten noch prangerten wir unter grossem Leidensdruck das generelle Fehlen von würdevoll am Leib zu tragenden Flaschenöffnern für Mädchen an. Und schon heute finden wir bei den Vorbereitungen zu einem imaginären Pfingsturlaub rein zufällig eine – zumindest in der Theorie – ganz ausgezeichnete Lösung: Zum Schläppchenpreis von 43,95 Dollar gibt es bei dogfunk.com die Reef Fanning Sandal in den Geschmacksrichtungen citrus/lime, coral/taupe und light pink/gray zu erwerben. Stante pede kann damit das Strandbarbier des Deckels entledigt werden. Womit sich die rhetorische Altsäuferfrage "Wer steht schon gern auf einem Bein" nun endgültig gehackt legen kann. Die Sandalen gibt es übrigens auch für Herren ohne Feuerzeug und mit teurem Zahnersatz, denen sogar die Pastellfarbe erspart bleibt. Wer sie testet, möge uns doch bitte Bescheid geben, ob sie besser funktionieren, als sie aussehen.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Flaschenöffner für Mädchen


31.05.2006 | 15:01 | Alles wird besser | Alles wird schlechter | Sachen kaufen

Vorlaute Bescheidenheit


Getränke, die lauthals herummeinen, sind nicht jedermanns Sache. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)

Nicht jeder Pilz ist ohne Schnörkel, das haben die Forscher der Riesenmaschine längst bewiesen und besprochen. Und auch bei der Gestaltung von Pilsverkaufsgefässen wird zur Verzierung gerne mal kräftig in die Lamettaschatulle gegriffen, manchmal wird sogar Gold draufgeschrieben, um ganz sicher zu gehen. Eichblätter, Frakturschriften, kastrierte Rindviecher, ewig wildgeredete Mitteljungschauspieler und andere landgasthofästhetische Elemente zieren Flaschen und Dosen, dass einem oft schon schlecht wird, bevor man noch halbwegs anständig betrunken ist.

Freudig, wenn auch mit Dosenpfandgewissen wahrgenommen wurde deshalb zunächst die Pilsvariante "5,0 Original", kommt sie doch in schwarz und weiss daher, ganz ohne Bauernhof- und Waldhornschnickschnack. Leider währt die Freude nicht lang, denn es wird zwar – theoretisch bescheiden – auf "keine aufwendige Prägung" und "ohne Schnörkel" hingewiesen. Allerdings konnte man sich vor lauter Sparen wohl auch keinen dieser irrsinnig kostspieligen Punkte am Ende des Satzes leisten. Nur so ist zu erklären, dass der sparwillige Neunundzwanzig-Cent-Trinker es sich gefallen lassen muss, von seinem Bier angebrüllt, ja, angebrüllt zu werden – und das noch vor dem ersten Schluck. Da kann man ja gleich heiraten, denkt der geneigte Alkoholkonsument, wohl zu Recht.

Die kurzfristig anberaumte Verkostung – eine ausführlichere, riesenmaschinenunabhängige findet sich bei Frank Sesselmann – ergab übrigens, dass "5,0 Original" tatsächlich auch mit Goldaufdruck nicht besser schmecken würde.


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"Finsterworld", Frauke Finsterwalder (2013)

Plus: 3, 24, 42, 56, 105, 137, 144, 153
Minus: 2, 38, 119, 161, 174, 191
Gesamt: 2 Punkte


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