Riesenmaschine

12.11.2006 | 14:25 | Alles wird besser | Sachen kaufen

Scharf halten


"Das Rasterelektronenmikroskop beweist es." (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Zugegeben, die folgende Geschichte klingt schwer nach Pyramidenhut
meets Antikalkulator.

Nichtsdestotrotz will sie hier erzählt werden: Es ist die Geschichte eines Patents von 1996 mit der Nummer 196 45 592. Sie beginnt mit dem Ärger von Ludwig Kemmelmeier über schnell abstumpfende Rasierklingen und endet fast schon mit der Erfindung des BladeMaster . Ein starker Dauermagnet sollte helfen, die hauchdünnen Schneidkanten von Systemklingen zu stabilisieren, zu härten und zu reparieren. Oder in der Sprache Kemmelmeiers: " Die ungeordneten Kristalle im Klingenstahl werden durch die Feldlinien des Magneten geordnet." Sämtliche Versuche, die Erfindung über einen der beiden Quasimonopolisten Wilkinson oder Gillette zu vermarkten blieben erfolglos. Kein Wunder, schliesslich gehören die Gewinnmargen bei Systemklingen zu den besonders lukrativen im Drogerie-Segment. Eine Vervierfachung der Lebensdauer von Rasierklingen? Da könnte die Industrie ja genau so gut das Nirosta-Auto, den ewigen Kalender oder die Feinstrumpfhose ohne Laufmaschen auf den Markt werfen! Der Erfinder schabte zunächst knapp an der Insolvenz vorbei und vermarktete den Scharfhalter selbst im Internet. Allmählich sprach sich der Spareffekt unter Nass-Rasierern und bei Bikini- Zonenkindern rum. Folge: Wirtschaftlich schneidet Kemmelmeier inzwischen ganz gut ab. Je teurer die 2-, 3-, 4- oder 5-fach-Klinge, desto schneller erreicht man die Gewinnschwelle . Auch wenn das jetzt schwer nach Milchbartmädchenrechnung klingt.

Jörg Meyerhoff | Dauerhafter Link | Kommentare (10)


16.09.2006 | 16:38 | Anderswo | Sachen kaufen

Mit Kropf-Band und Promin-Ente


Lebkuchenherz zum Selbstbeschriften (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Am Anfang war das Lebkuchenherz. Später kam der Schaumgummihammer schwer in Mode. In den 80er Jahren wurden blinkende Teufelshörnchen der Renner, gefolgt von der Plastikkeule, dem spitzen Tirolerfilzhut mit Kordel, dem weiss-blauen Bierkrugfilzhut mit Woll-Schaum und dem Lederhosenträger-T-Shirt. Die Geschichte des Oktoberfestes ist nicht nur eine Geschichte der Massen-Besinnungslosigkeit, der Bierpreiserhöhung oder der Looping-Vervielfachung bei Achterbahnen. Es ist vor allem eine Geschichte des Wiesn-Gadgets.

Wenn an diesem Samstag ums Mittagsläuten herum der Münchner Oberbürgermeister Ude wieder einmal mit einem "Ozapft is" das grösste Volksfest der Welt eröffnet, dann beginnt auch der Wettbewerb um das erfolgreichste Wiesn-Mitbringsel 2006. Zur Wahl stehen dieses Jahr alte Bekannte wie die Retro-Krüge im Stil der 60er oder das Kropf-Band aus der Epoche des Jodmangels. Etwas moderner kommt da schon das PC-Spiel Wiesn-Gaudi daher. Mit dem kann man auch zu Hause bei "oans, zwoa, g'suffa" die Gäste im Zelt mit Bier versorgen. Es ist allerdings schade, dass es kein Feature gibt, mit dem man dort – wie im Real-World-Bierzelt – den Bayrischen Defiliermarsch dirigieren kann.

Favoriten für 2006 sind ohnehin die Spatzl-Tasche und für Kinder die Promin-Ente. Aber wer weiss das schon so genau. Am Ende verkauft sich der Bierflaschen-Zinndeckel doch noch wie warme Semmeln oder das zünftige Oktoberfest-Armband aus Silikon schlägt dem Fass den Boden aus.

Jörg Meyerhoff | Dauerhafter Link


16.09.2006 | 03:16 | Nachtleuchtendes | Vermutungen über die Welt

SCHIEBER RUFT

Nur noch dreissig Sekunden! Immer wenn es Nacht wird in Deutschland, verwandeln sich Moderatoren in Anbrüller, Zuschauer in Anrufer und Sender in Abzocker. Bald schlägt der Buzzer wieder zu! Dann gilt es, einfache Rätsel zu knacken. Welches Wort suchen wir? Mal wird der ahnungslose Zapper von pausenlos maulenden Menschen um ein Wort angehauen, das sich in der Buchstabenkombination von BIENSTOCK verbirgt. Ich lese immer nur Bienstock, ehrlich! Mal geht es um den tieferen Sinn hinter der berühmten GESPINSTURNE. Kleiner Tipp von mir: Es hat was mit Beziehung zu tun! Gelegentlich werden die Zuschauer auch angeblafft, sich mit einer extrem verstellten DACKELSTIRN 1000 Euro zu verdienen. Für das Geld muss eine Oma lange häkeln, sag ich jetzt mal! Mit anderen Worten: Hier ist das Internet mit seinen Anagrammgeneratoren gefragt. Und dazu gibt es noch den Superjackpot! Für nur 49 Cent pro Anruf landet man in der Warteschleife. Zehn! Wird mit etwas Glück von einer Telefonistin gefragt, welches die richtige Lösung ist. Noch fünf Sekunden! Aber es ist besser, nicht eindeutig zu antworten. Vier! Schliesslich dauern diese Anruf-Schlachten mindestens eineinhalb Stunden. Drei! Die wollen gefüllt sein. Zwei! Der Sender möchte schliesslich auch Geld mit den Gebühren verdienen. Eins! Eine richtige Lösung wäre das Falscheste, was passieren kann. Und? Das sollte man bedenken. Wen habe ich jetzt in der Leitung? Bevor man selbst zum Telefon greift, um diesen TV-Irrsinn mit zu finanzieren. Nein, Bienstock ist nicht die richtige Lösung! Wie die lautet? In dreissig Sekunden will ich die Auflösung in den Kommentaren lesen.

Jörg Meyerhoff | Dauerhafter Link | Kommentare (8)


17.06.2006 | 03:12 | Essen und Essenzielles

Weizen zu Worten


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Mit dem Weinbau kennt sich der Mensch geschätzte 7.000 Jahre aus, mit dem Bierbrauen eher nur 6.000 Jahre. Trotzdem werden rund um die beiden Getränke immer noch munter Erfindungen gemacht. Beim Wein schlug zuletzt der Rüdesheimer Weinbrand im Jahr 1892 massiv ein, beim Bier gilt seit 1996 der Unterländer Bierathlon als letztes grosses Ding der Branche, und beim Weinbier führen spätestens seit den 80er Jahren die Belgier. Dabei ist es gut möglich, dass unsere Wahrnehmung 2006 neu geeicht werden muss. Denn eine noch relativ junge Anwendungsmethode für Wein und Bier rollt seit Anfang des Jahres aus der Eifel auf die Menschheit zu. Die Verwandlung von Terroir und Tanninen in Tinte bzw. das Konzentrieren von Hopfen und Malz zum Zweck des Verschreibens auf Papier. So ähnlich verspricht es zumindest die Tintenmanufaktur Jansen. Ungefähr 20 füllhaltertaugliche Rotweintinten mit Merlot-, Chianti- oder Spätburgunder-Kulör und 3 Biertinten in den Farbschattierungen Pils, Kölsch und Weizen bietet Jansen an. Jede Tinte verströmt beim Schreiben ihren eigenen Duft nach Kneipe um 6 Uhr früh und entwickelt erst auf dem Papier ihre satte Rotbraun- oder Beige-Tönung. Zur Zeit bestellen vor allem Winzer individuelle Werbegeschenke. Aus einer Flasche Roten fertigt die Manufaktur nach eigenen Angaben genau zwölf Gläschen alkoholfreie Tinte. Ein unverfänglicher Werbeslogan ist auch schon gefunden: Mit Wein schreib "Bier", das rat ich dir.

Jörg Meyerhoff | Dauerhafter Link


21.04.2006 | 03:25 | Sachen kaufen

Back-Radkappen


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Wenn man schon aus Kichererbsen Bier machen kann und aus Romanesco eine Lampe, dann – und nur dann – wird man ja umgekehrt aus so etwas Ähnlichem wie Radkappen eine Kuchenform machen dürfen. Gesagt und getan haben das nun die Designer Hrafnkell Bigisson und Sebastian Summa. Nach einem Rundgang durch das alte Metallwarenlager der Berliner Manufaktur Hugo Bräuer müssen die beiden jedenfalls den Eindruck gehabt haben, dass die Tiegel, Deckel, Kappen, Näpfe und Lampenschirme, die sie dort fanden, zu weit mehr als zum Rumliegen taugen. Zum Beispiel zum Teigreinfüllen. Vorausgesetzt, man hat das richtige Rezept dafür. Sechs Formen wurden kurzerhand zur Serie Tools You Bake umgewidmet, sechs Rezepte geschrieben. Die Formen erhielten Namen wie Bessy, Collatz oder Stubbak und fanden ihren Weg in Edelläden, Berliner Läden und sogar ausser Landes. Die Dummen bei diesem Bäumchen-wechsle-dich-Spiel sind leider wieder einmal die Autofahrer, die Hunde und die Inneneinrichter.

Jörg Meyerhoff | Dauerhafter Link | Kommentare (1)


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