Riesenmaschine

15.10.2005 | 15:30 | Alles wird schlechter | Was fehlt

Abschied von der Beintasche

Bei der Betrachtung der Geschichte menschlicher Kulturtechniken fällt auf, dass Erfindungen häufig in höchst unpraktischer Reihenfolge getätigt werden, so etwa das Speiseeis mehrere Jahrhunderte vor dem Dreisternefach und die Operation einige tausend Jahre vor der Anästhesie. Die Entwicklungslücke, in der wir uns derzeit befinden, ist nicht weniger schmerzlich: Einerseits möchten wir eine grosse Anzahl von Gadgets mit uns herumtragen (Handy, iPod, Digitalkamera, Notizbuch, GPS-Gerät, Wikipedia-PDA), andererseits sind weder diese Gadgets hinreichend ineinander integriert noch unsere Taschen zahlreich genug. Das Verhältnis der serienmässig angebotenen Hosentaschen zu den erhältlichen Gadgets hat sich seit Anfang der nuller Jahre in beide Richtungen ungünstig entwickelt und kulminiert heute in dem, was die Nachwelt unter dem Namen "Grosse Hosentaschenlücke von 2005" kennen und in einem Atemzug mit der Grossen Hungersnot in Irland, den deutschen Ladenschlussgesetzen und dem Dreissigjährigen Krieg nennen wird.
Ausnahmsweise wissen wir auch nicht, wie es weitergehen soll. Steht uns ein Comeback der schlimmen Hüfttasche bevor? Ziehen wir demnächst in der Öffentlichkeit mit Leiterwagen voller Gadgets herum (was irgendwie ja auch seinen eigenen Reiz hätte, ausserdem wäre dann endlich Platz für alle Ladegeräte und Dockingstationen, ein Solarladegerät, einen Kasten Bier und einen Biwaksack)? Oder geht der Trend vielmehr weg vom Nomadischen und hin zu verstärktem Zuhausebleibing, jedenfalls im Sommer? Für den Winter gibt es ja zum Glück Jacken mit 52 Taschen.


Kommentar #1 von Honzinger:

Es soll ja noch hin und wieder jene versprengte Gattung "Mann" geben, der man in längst vergangenen Zeiten das Attribut "korrekt gekleidet" attestierte.
Jene Gattung trägt heute noch (u.a. gebügeltes Hemd, Halbschuhe, keine Jeans, was man sich heute ja kaum mehr vorzustellen vermag) zu jeder Jahreszeit ein Kleidungsstück was man auch heute noch "Jackett" nennt. Dieses Kleidungsstück hat den den überaus praktischen Vorteil, insgesamt 6 Taschen zu haben, die als solche kaum sichtbar, und somit einem stilvollen und eleganten Erscheinungsbild nicht hinderlich sind. Eine kurze Demonstration:
1. kleine Brusttasche links: Visitkarten OUT, Aspirin, bzw, andere Tabletten, Drogenbriefchen etc.
2. Aussentasche links: Handy
3. Aussentasche rechts: Zigaretten, Feuerzeug
4. grosse Innentasche links oben: Notizbuch/Organizer, Kugelschreiber
5. kleine Innentasche links unten : kleines Taschenmesser/Flaschenöffner, Visitkarten IN, Zettel
6. grosse Innentasche rechts: Digitalkamera/iPod
Sollte man in die Verlegenheit kommen, Digitalkamera und iPod gleichzeitig mitfürhen zu wollen, kann man auch die Zigaretten und Feuerzeug in die Brusttasche des HEMDES stecken, welches der stets korrekt gekleidete Mann selbstredend trägt.
Nichtraucher sind in dieser Konstellation eindeutig im Vorteil. Da es in absehbarer Zeit jedoch Handys mit vernüftigen Objektiven und 4 Mio.Pixeln geben wird, geht da noch was.
Ach ja, Geldbeutel trägt man natürlich in der rechten hinteren Hosentasche, Kleingeld vorne rechts.
Das ganze gilt natürlich nicht für Schwuchtel- und Designerjackets – zu eng.
Dass es bis heute kaum tragbare Jackets für Frauen gibt, ist not my fucking problem, es dürfte jedoch kein Problem sein , sich im Stoff der Jahreszeit angepasste Damenjacketts schneidern zu lassen.
Kombinierte man diese z.B. mit Cargohosen, könnte man damit wahrscheinlich auf sehr unproblematische Weise zum Mond fliegen oder auch nach Cottbus. (Tränengas, kleiner Schlagstock in Hosenaussentasche rechts.)

18.10.2005 | 12:52

Kommentar #2 von Nilfisk:

Kleingeld vorne rechts, versteh ich, mach ich auch, weil Rechtshänder, Papiergeld, Kredit- und Automatenkarten hingegen vorne links, und zwar einmal in der Mitte gefaltet und so geschichtet, dass die grossen Scheine innen sind, und die kleinen aussen. Häufig sieht man es leider andersrum. Die kleinen Scheine müssen die grossen beschützen, auch braucht man die grossen ja wohl seltener.

18.10.2005 | 16:25

Kommentar #3 von dr.no:

Seien Sie unbesorgt, derlei Elektronik wird mittelfristig direkt in die Textilien integriert.
Bleibt das Problem wohin mit der Geldbörse und den Händen wenn man mal leger rumstehen will.

19.10.2005 | 15:44

Kommentar #4 von Kathrin Passig:

Wenn ich daran glauben würde, dass derlei Elektronik mittelfristig direkt in die Textilien integriert wird, wäre ich sogar noch etwas besorgter.

22.10.2005 | 03:31

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