Riesenmaschine

26.03.2006 | 17:21 | Alles wird schlechter | Zeichen und Wunder

Geboten ist auch Zurückhaltung


Amos, bring's Stöckchen (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Es ist wahr, dass es zu viele Regeln gibt. Das sagen eigentlich alle, Ordnungsamt, Verkehrspolizisten, Schwarzarbeiter, man hört es überall; zu viele Regeln für alles, so dass man vor lauter "Radfahrer müssen auf dem Radweg fahren, wenn er denn als solcher gekennzeichnet ist, was er nur sein darf, wenn er 1,50 m breit und nicht auch noch von Fussgängern usw." schon mal vergessen kann, dass man eigentlich niemand umbringen soll. Das Resultat ist haltlose Verwirrung, Chaos, Anarchie, nicht nur in Bayern. Prinzipiell daher eine gute Idee des Kinderkanals, einer Art vom Steuerzahler betriebenen Fernsehsender, den Dschungel zu lichten: Ab heute wird in sonntäglichen Kurzfilmen den Kindern ein einfaches Regelwerk zur Verfügung gestellt, bestehend aus zehn schlichten Grundsätzen, die sich jeder merken kann. Schön und gut.

Leider kommt die Idee gar nicht vom diesen Fernsehleuten, sondern von der Evangelischen Kirche, die in Regelfragen unglücklicherweise etwas ungelenk ist. So entnahmen die Initiatoren der Filmaktion ihre Gesetze einem jahrtausendealten Buch, das gar nichts über die moderne Welt der Kinderprobleme weiss. So macht es zum Beispiel keinen rechten Sinn, Kindern beizubringen, sie sollten nicht das Vieh des Nachbarn begehren oder Vater und Mutter ehren, weil es Landwirtschaft und Eltern heute sowieso nicht mehr gibt. Anstatt also die Regeln einzudampfen auf die wirklich wichtigen Dinge (Ausserirdische gibt es nicht, Gardinen sind irrelevant, Du sollst den Feiertag und auch alle anderen Tage heiligen), die ohnehin schon jedes Kind kennt, fällt der EKD zur Wertediskussion nur ein, lieber gar nicht erst zu diskutieren. Nur der Serienhund Amos, der als Hobbies "Fressen, Spazierengehen, Ballspiele, Stöckchenbringen" angibt, klingt ganz vielversprechend.

Diese kindgerechte Weltverbesserungsaktion muss man in der Tradition der grossanlegten Missionierungsoffensiven der vergangenen Jahre sehen. Man erinnert sich schmerzhaft an die bundesweite Aktion Neu anfangen vor einigen Jahren, bei der Millionen Ungläubige einzeln per Telefon zur Vernunft bzw. zu Gott gerufen werden sollten, ein Penetranzvorstoss vergleichbar mit den Klingelstreichen der Zeugen Jehovas. Über den Erfolg/Misserfolg der Aktion ist nichts herauszufinden, aber warum man Ostdeutsche, die ja nicht aus Überzeugung, sondern aus Trägheit vom Glauben abfielen, zurück in die Kirchen locken möchte, kann man nicht mal verstehen, wenn man es verstehen will. Kinder werden natürlich erst recht nicht auf so einen simplen Trick hereinfallen, auch wenn es aus dem Fernsehen und nicht aus dem Telefon kommt, so viel Vertrauen muss man einfach haben. Schlaue Kinder nämlich wollen mit den reformierten Eierköpfen sowieso nichts zu tun haben und werden deshalb ganz von alleine saubere Erzkatholiken. Bei denen gibt es dann auch endlich wieder mehr Regeln.


Kommentar #1 von Benedictus XVI.:

Unsere Tore stehen dir offen.

26.03.2006 | 19:15

Kommentar #2 von Aleks:

Vollkommen vergessen bzw. versäumt hat der Autor des obenbeschriebenen Beitrags einen weiteren Auswuchs des Missionierungsgehabes der evangelischen Kirche, eine gewisse Aktion Pro Christ, die in München gerade zu Ende geht. Wie immer dabei sind offene Gespräche, heisse Eisen, die angefasst werden, die zehn Gebote, ein Aktionslied, freundliche Menschen; neu hingegen 70 orangene Smart-Autos als Missionshelfer. Man fragt sich gar nicht mehr, was als nächstes kommt.

26.03.2006 | 21:32

Kommentar #3 von Nihils:

Neu Anfangen: in der Tat. Die erste Internetseite mit mehr rhetorischen Pausen als Text! Ich bin begeistert.

27.03.2006 | 02:10

Kommentar #4 von Christian:

Naja, also bei neu anfangen ging es darum, Kirchenmitglieder zu kontaktieren. Wenn man ein Problem mit einem Anruf hat, der teil einer einmaligen Aktion ist, sollte man konsequenterweise auch nicht mehr Kirchenmitglied sein.

27.03.2006 | 23:30

Kommentar #5 von Aleks:

Theoretisch, aber oben ist zumindest ein Einzelereignis verlinkt, bei dem das gesamte Telefonbuch durchtelefoniert wurde.

28.03.2006 | 01:04

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