Riesenmaschine

29.03.2006 | 13:03 | Anderswo | Alles wird besser | Zeichen und Wunder

Im Zeitalter der Putzguerilla


Die richtige Verteilung des Nichts ist entscheidend (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
"Wie Sie sehen, sehen Sie nichts." Wer ist nicht damals von seinem schlechtrasierten Physiklehrer mit diesem unterirdischen Spruch gelangweilt worden? Diesmal ist es aber tatsächlich nichts, das wir hier sehen, und zwar umrandet von Schmutz. Zur Werbekampagne "Ballack +10" hatte die verantwortliche Agentur namens 180 am Radisson SAS Hotel in Hamburg zwei Riesenriesenplakate aufhängen lassen, mit den Motiven "Podolski +10" und "Schweinsteiger +10". Gross allein reicht nicht mehr heutzutage, es muss auch cool sein, und so dachte man sich Guerilla-Kommunikation aus. Offiziell spielt Guerilla-Kommunikation mit semiotischen Überraschungsmustern (vergl. Umberto Eco, "semiotische Guerilla-Kriegsführung"), inoffziell wird in Werbeagenturen alles so genannt, was nicht so recht messbar, aber trotzdem dem Kunden gut zu verkaufen ist, weil es "irgendwie rockt" oder schon mal auf MTV zu sehen war. Oft genug sind auch, sagen wir, teillegale Aktivitäten darunter, wie eine Flut von Aufklebern über die Stadt zu verteilen oder per Schablone Botschaften überall hinzusprühen.

Doof nur, dass die Kommunikation einer Marke einen Absender braucht, der kein 17jähriger anonymer Sprüher ist, sondern eine leicht zu findende Firma mit 17 Milliarden Euro Umsatz. Der man entsprechend 17 Milliarden Mal weniger verzeiht, Wände besprüht zu haben. Sehr, sehr, ich wiederhole nochmal: sehr smart ist da die Idee, seine Guerilla-Kommunikate nicht aufzusprühen, sondern sie aufzusäubern. Das Beispiel auf dem Foto oben ist nichts weiter als die an den richtigen Stellen gesäuberte, schmutzige Mauer rund um das Hotel Radisson SAS.

Das bedeutet nichts weniger, als dass ein neues Graffiti-Zeitalter hereinbricht. Putzgruppen werden in der Stadt umherziehen und ihre Schriftzüge mit Schablonen in die schmutzigen Fassaden putzen, Putzgruppe oder besser Putzguerilla wird man sie nennen, vielleicht, und die Polizei wird machtlos danebenstehen müssen, während die Jugend mit Chlorix und Meister Propper Antimoos ihren gefühlten Outlawtätigkeiten nachgeht! Es wird so toll!


Kommentar #1 von derkai:

Schon so oft mit Sonnenmilch und Frauenkörpern durchexerziert und trotzdem im ökonomischen Sinne nichts von der Strandsause mit nach Hause genommen...Nun waren wieder Andere schneller. VERDAMMT!

29.03.2006 | 14:27

Kommentar #2 von HCL:

och, ich finds so schick, dasses egal is, von wems is.
jibt heutzutage ja soo schicke biffbaff-haushaltsreiniger
mit OXI
(was im grieschischen ja NÖ heisst, wohingegen NÄ das genaue gegenteil, aber das ist wohl ein anderes Thema)
sauberer beitrag herr lobo!

29.03.2006 | 16:45

Kommentar #3 von klezka:

kewl, ich geh sofort mein vor dreck starrendes auto mit eigenwerbung beschriften *feuchtet zeigefinger an*

29.03.2006 | 19:51

Kommentar #4 von Rupert Rupienversand:

Ich verstehe nicht ganz, was 'derkai' da oben meint. Er hat also "Frauenkörper" zunächst mit "Sonnenmilch" eingerieben, und zwar komplett, zentimeterdick, um dann in diese Schmutzschicht aus Milch seine Botschaft, was auch immer die wohl sein mag, ich will es nicht wissen, hineingemalt? Wieviele Kilo Sonnenmilch und viel schlimmer noch was für seltsame Frauenkörper benötigt man denn dafür? Oder hat er, in korrekter Anwendung des im Beitrag beschriebenen Prinzips, in den Schmutz, der sich ja wohl auf jedem Frauenkörper befindet, geschrieben? Aber wozu dann die Sonnenmilch? Oder geschrieben durch Weglassen von Milch (vulgo Dreck) auf bestimmten Stellen? Oder Frauenkörper in Sonnenmilch geworfen und dadurch? Man versteht es nicht, aber das sagte ich wohl eingangs schon.

29.03.2006 | 21:14

Kommentar #5 von zurg:

das ist dann wohl antigraffiti, oder?
schöne idee, scheiss reklame.

30.03.2006 | 09:40

Kommentar #6 von Herr Herrner:

Nur der Vollständigkeit halber: Die Agentur hat die Hochdruckreiniger-Stencils gemacht, als auch ein entsprechendes "Ballack+10"-Riesenposter da hing. War noch letztes Jahr. Schweinsteiger und Podolski hingen erst kürzlich da, sind jetzt aber auch schon wieder weg.

30.03.2006 | 09:48

Kommentar #7 von Mario A.:

In Paris hängen auch so riesen Plakate z.B. Zidane+10 drauf. Fällt auf jeden fall auf. War direkt neben der Autobahn.
Grüsse
Mario

30.03.2006 | 11:27

Kommentar #8 von stabilo boss:

Auch in Paris, Sommer 2005:
http://www.marketing-alternatif.com/index.php?p=265

30.03.2006 | 14:13

Kommentar #9 von christoph Ruhrmann:

Scheiss Reklame, geklaute Idee: Zu finden in Output 05. Zuallererstmal von B. Pagenkämpfer und M.Post (FH Düsseldorf). So.

31.03.2006 | 15:12

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