Riesenmaschine

20.04.2006 | 12:39 | Zeichen und Wunder | Papierrascheln

Popetown II


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Eigentlich häuften sich gestern die Meldungen, MTV wolle einen Schritt auf das klagevorbereitende Erzbistum München zugehen und irgendwie um die Sendung Popetown verhandeln. Heute aber müssen wir feststellen, dass nicht nur die letzte Anzeige zurückgezogen wurde – sondern auch eine neue geschaltet worden ist, nämlich die nebenstehende in den Zeitschriften Sonic Seducer und RockHard. Offenbar ist mit dem Entgegenkommen auf die Christenschaft gemeint, dass Jesus wenigstens wieder am Kreuz hängt. Weil er aber Popetown keinesfalls sehen möchte, hält er sich die Augen zu, und zwar mit den blutigen Händen, in denen noch die Nägel stecken. Die für die Kampagne veranwortliche Agentur Roxy Munich erklärte auf Nachfrage, sich nicht erklären zu können, wie das Motiv in die Zeitschriften gekommen sei, eventuell habe man bei MTV versehentlich geschaltet.

Die Grenzen des guten Geschmacks scheinen weit überschritten, hier werden religiöse Empfindungen mit Händen genagelt Füssen getreten, und so hatte ich es mir beim Ausdenken ja auch gedacht. Leise Zweifel mehren sich, ob die werbliche Rückführung des Heiland ans Kreuz geeignet ist, MTV aus der Schusslinie derer zu ziehen, die Meinungsfreiheit nur dann fordern, wenn andere angegriffen werden.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Popetown


Kommentar #1 von irgendwem:

Wen interessiert's? Sieht eher so aus, als ob sich der Autor wieder aufbläht, um einen seiner Werbepupse zu präsentieren.

20.04.2006 | 13:03

Kommentar #2 von oliver:

@irgendwem:
dich scheint's ja zu interessieren, sonst würdest du ja nicht so kräftig mitlesen und kommentieren.

20.04.2006 | 13:08

Kommentar #3 von Werbung:

Tjaja, so ist das mit Roxy Munich. Bekommen von MTV den Auftrag eine Kampagne zu lancieren, welche jung, männlich und medienkompetent als Zielgruppenadjektive beinhaltet.
Dann wird mal ein provokanter Werbecartoon gebracht (ja wo eigentlich – oder war es etwa nur "versehentlich" geschaltet?) und – schwuppdiwupp – die Kirche regt sich auf, Spiegel belächelt das Ganze, die Anzeige geistert durch alle (Medien-)Blogs (jung, männlich, medienkompetent, hmmm, da war doch was?) und die Agentur zieht prompt die Anzeige zurück. Meinungsfreiheit und so. Darüber schreibt dann auch die Riesenmaschine. Ach Roxy, ihr habt es wirklich drauf:
Eine Gute Idee für ne Kampagne: 1 Tasse Kaffee und 2 Zigaretten.
Einige provokante Zeichnungen: Einige Biere, ein Designstudent und EUROs.
Aufbau und Rückzug der Kampagne: jeweils 1 Pressmitteilung.
Dumme Medien, welche die Kampagne erst zu dem machen, was sie ist, nämlich ein inszenierter Skandal: Unbezahlbar.
Danke Riesenmaschine. Ohne dich wäre die Kampagne nicht, was sie ist. Danke. Danke. Danke.

20.04.2006 | 13:22

Kommentar #4 von Felix:

Hm. Muss ich wissen, dass Herr Lobo an der Gestaltung obiger Anzeige beteiligt ist? Muss ich da googlen, weiss man das in der 'Branche' oder steht's irgendwo und mich hat's nicht interessiert?
Ich weiss es jedenfalls nicht, faende es aber journalistisch gesehen angebracht, wenn Autoren, die Artikel ueber ihren eigenen Kram schreiben, das auch dementsprechend kundtun.
Obwohl hier ja auch nirgendwo was von objektiver Berichterstattung steht, aber trotzdem...
schoener waer es.
Gibt doch schon so viel Luegen und Gekluengel in der Welt... An dieser Stelle habe ich einen Inflektiv hingemacht, für den ich mich schämen werde, sobald ich begriffen habe, was das überhaupt ist.

20.04.2006 | 13:22

Kommentar #5 von Sascha Lobo:

Ein an sich richtiger Einwand, dessen Auflösung bis eben im Acronymtag (sichtbar bei Mouseover) von "Füsssen getreten" versteckt war. Offenbar zu versteckt, daher habe ich ihn rausgezogen, dass ich die Kampagne mitentworfen habe, stand schon beim ersten Teil mit dabei.

20.04.2006 | 13:28

Kommentar #6 von wunschkandidat:

die deutsche tugenden neid und missgunst sin wieder unterwegs. rm hat zumindest nichts falsch gemacht, interessieren sich doch alle für den kram. wer trifft hat recht. und wenn sich hier jemand lächerlich macht, dann die kirche und sein stoiber.

20.04.2006 | 14:47

Kommentar #7 von kosmar:

mein alter lehrer nannte drelei gern An dieser Stelle habe ich einen Inflektiv hingemacht, für den ich mich schämen werde, sobald ich begriffen habe, was das überhaupt ist. . was sagt bryan ferry eigentlich dazu, war der nicht mal bei roxy music?
ich scheine das hier nicht ernst genug zu nehmen? stimmt. sascha promotet seinen job, das is ja semi-ok, weil zumindest semi-transparent. bzw. eher mal teil einer kampagne2.0, schätze ich jetzt mal, hm?! wir verstehen uns.
dann sicher fast gelungen. denn immerhin weiss ich jetzt was wo im fernsehen so läuft und kommentier das sogar. die anzeigen hätten das mit 3 millionen schalte nich geschafft. wenn ich jetzt noch in die zielgruppe falle, is alles gut.
(Sascha: so darfst du mich beim kunden zitieren unter CC by-nd/2.0/de)

20.04.2006 | 18:32

Kommentar #8 von Selbstbedienung:

Sehr geehrter Herr Lobo,
im Blogartikel Popetown I habe ich Sie ja ziemlich angepisst wegen der ersten Version Ihrer Werbung. Die zweite, obige Version hingegen gefällt mir deutlich besser. Der Heiland Jesus Christus wird dogmatisch korrekt als Gott bezeichnet und über die Tatsache, dass der dargestellte Gekreuzigte sich die Augen zuhält, kann zumindest mein kurzsichtiges gläubiges Auge ohne grosse Mühen hinwegsehen. Dennoch, auch auf die Gefahr hin, jetzt als Korinthenkacker entlarvt zu werden, sei auf den kleinen theologischen Lapsus hingewiesen, nämlich jenen, dass sich der Satz "Gott sieht alles" nicht auf die menschliche Natur Christi bezieht, denn ein menschliches Auge, sei es auch das Auge des Heilandes, kann selbst in der christologischen Dogmatik nicht alles sehen – schlichtweg aufgrund seiner endlichen und kontingenten Seinsverfassung. Aber über diese theologische Augenscheinlichkeit darf dann das Auge des Werbematzen getrost hinwegsehen, und so sind alle Augen glücklich.
Doch ich würde nicht darauf wetten, dass das hochdioptrinzahlige Auge meines Arbeitgebers, des Erzbischofs von München, dies ebenso sieht. Denn: Pro Auge eine eigene Perspektive.
Ich wünsche jedenfalls weiterhin viel Spass beim Spiel "Auge um Auge" mit Kirche und Staat,
mit freundlichen Grüssen,
Wer auch immer.

20.04.2006 | 19:20

Kommentar #9 von Selbstbedienung:

Übrigens, damit das hier auch mal etwas gerader gerückt sei: Man beruft sich hier juristisch etwas undifferenziert dauernd auf das Recht auf freie Meinungsäusserung. Also eine Werbung ist nicht in jeder Hinsicht identisch mit einer schützenswerten privaten Meinungsäusserung. Aber auch bei privaten Meinungsäusserungen darf man das nicht in jeder beliebigen Art machen. Wenn etwa meine Meinung ist, dass Person X inkompetent ist, dann darf ich mich bei dem Ausspruch, Person X sei ein unfähiges Arschloch, nicht durch das Recht auf freie Meinungsäusserung quasi immunisiert wähnen (mich würde mal interessieren, wie es sich bei der Äusserung "Sie sind ein mutmassliches Arschloch" verhält).
In Amerika gibt's ne interessante Debatte darüber, ob corporate speech die gleichen Freiheiten geniesst, und die Tendenz ist sicher die, dass Werbung weniger schützenswert ist als private Meinungsäusserungen.

20.04.2006 | 20:55

Kommentar #10 von irgendwem:

Meinetwegen. Meinetwegen zensiert wie Werbung, weil Christen darüber nicht lachen können. Vielleicht nehmen sich die paar Hansel, die tatsächlich ihren Glauben an einen Verein binden, aber auch zu wichtig. So viele, als dass dies unsere Gesellschaft erschüttern könnte (oder wie auch immer Stoiber sich dazu mutmasslich arschlochhaft geäussert hat), haben mit Kirche und Gott und dem Brimborium doch gar nicht mehr zu tun. Selbstbedienung heisst doch in diesem Fall vor allem:Selbstüberschätzung.
Und jetzt ist auch mal gut, weder die Sendung noch die Werbung ist diese Aufregung wert, wirklich. Beide sind absehbar, langweilig und nur leidlich geistreich.

21.04.2006 | 11:56

Kommentar #11 von Selbstbedienung:

ad #10: Um die Aufregung gehts doch, darum schreibt Herr Lobo das alles hier. Und man wird sich doch mal ein bisschen aufregen dürfen, darauf haben freie Bürger ein Recht. Ich darf mich aufregen, wann, und wo ich will, völlig unvorhergesehen und ich darf auch abrupt wieder aufhören damit. Denn ich habe einen extrem kleinen Pimmel.
Und da gibts genug aufgeregte Leute, um unserem kleinen, sonst schon arbeitsmässig völlig ausgelasteten erzbischöflichen Ordinariat die Hölle heiss zu machen, wenn es nicht auf diese Werbung reagiert. By the way – es ist nicht nur die katholische Kirche, die sich über Popetown plus Werbung aufregt, sondern ebenso der Ratsvorsitzende des Islamrates, Ali Kizilkaya, der Zentralrat der Juden und auch die evangelischen Kirchen. Also, das sind jetzt nicht nur ein paar Hanseln und ihr Edmundus Furor Bavaricus.
Aber Meinungsfreiheit kannste bei dem Teil echt knicken – bei den Mohammed-Karikaturen gings noch um Pressefreiheit, das war ja noch lustig, aber hier geht's um schnöde Werbung, also nichtmal um private Meinungsäusserung.
What shalls, wir sind doch globalisiert, wer Popetown gucken will, geht Neuseeland – gibt's jede Menge preisgünstige Flüge dorthin, auf Neuseeland wird Popetown ausgestrahlt. Hängt da auch Lobos Werbung aus?
Aufregungstourismus nach down under...

21.04.2006 | 12:58

Kommentar #12 von tre:

bezügl. Jesus kann nicht alles sehen:
Sehen wird üblicherweise mit wissen gleichgesetzt.
Sonst könnte gott auch nichts sehen, denn es setzt Augen vorraus, ausserdem befindet sich Gott offenbar weit genug entfrent, das ihn die Lichtinformation nie erreichen kann. Auch könnte er nicht unbedingt in geschlossenen Räume blicken.
Es gibt aber andere Methoden der Wahrnehmung, vergleiche Starwars Episode IV: "schliesse deine Augen, vertraue auf die Macht"

21.04.2006 | 16:14

Kommentar #13 von irgendwem:

ad #11. Falsch. Es geht bei der Debatte nicht allein um Herrn Lobos Werbung. Es geht v.a. darum, dass die Glaubensvereine Angst haben, dass die Ausstrahlung der Sendung den Menschen, die sie sowieso nicht sehen wollen, schaden könnte.

22.04.2006 | 14:11

Kommentar #14 von oli:

die meisten leute die sich über das zeug aufregen sind eh bald alle tot.

22.04.2006 | 19:54

Kommentar #15 von Selbstbedienung:

ad #13: Immer wieder interessant, wenn Aussenstehende uns erklären, wovor wir eigentlich Angst haben. Wenn andere eh besser wissen, was wir denken, dann können doch eigentlich auch diese anderen unseren Job erledigen und wir sparen uns den ganzen Stress.
Kann man im Ordinariat sicher eine Rufumleitung einrichten, direkt zu Dir, dann wünsche ich Dir viel Spass mit den aufgeregten Leuten, die da dauernd durchbimmeln.

22.04.2006 | 20:20

Kommentar #16 von irgendwem anders:

Ach Selbstbedienung, wenn die Tatsache, dass sich jemand aufregt, irgend einen kausalen Zusammenhang beweisen würde, es wäre schlechte gestellt um alles. Man muss sich nur einmal ansehen, welche Stimmen sich rund um die WM-Geschichte bei der Titanic gemeldet haben, um eine Ahnung zu bekommen, wie ernstzunehmen das ist. Vielleicht könnten Sie im Ordinariat auch einen AB an die Leitung hängen und die besten Anrufer auf Cd veröffentlichen? Mein Kauf wäre Ihnen sicher.
Zum Vergleich:
http://www.titanic-magazin.de/audio/tondokumente.php?TonID=1

23.04.2006 | 12:19

Kommentar #17 von Selbstbedienung:

ad #16: Der kausale Zusammenhang ist bocksimpel, nämlich folgender: Auch wenn sich die katholische Kirche nach aussen hin manchmal gerne als das perfekt funktionierendes hierarchisches System darstellt, in welchem eine klare Befehlsstruktur von oben nach unten abläuft, so sieht die Praxis doch in vielen Punkten anders aus. Wenn genug aufgeregte Leute Druck machen, müssen die Kirchenleute eben reagieren, auch wenn sie es sich eigentlich am liebsten am Gesäss vorbeigehen lassen würden. Denn was soll's, Negativpresse kriegen wir in Deutschland sowieso von allen Seiten, und wenn sie nicht von den Kirchengegnern kommt, dann kommt sie von empörten Kirchenanhängern, die uns Laschheit und Weicheiertum (Weicheierei?) vorwerfen.
Das ist die deutsche Mentalität, die dahintersteht. Der Deutsche muss es immer mit Behörden zu tun haben, entweder, indem er sie anpisst, oder indem er sie zum Handeln in seinem Sinne aufruft. Hauptsache, der Amtsschimmel wiehert.
Wenn dann noch ein bayerischer Ex-Kultusminister daherkommt und sein bei diversen Bischöfen beschädigtes Ansehen durch vorbildhafte Empörung über eine MTV-Serie wieder restaurieren will, dann ist Einbahnstrasse angesagt.
Hier in München gab's mal eine Plakatwerbung, auf der der Papst als Elefant dargestellt war – postwendend kam die Empörung von Kirchgängern. Das erzbischöfliche Ordinariat reagierte hingegen gelassen mit lockeren Sprüchen. Bei diesem Popetown-Mist geht das nicht mehr, da ist die Stimmung schon im Vorfeld systematisch ruiniert worden.
So, ich glaub', jetzt hab' ich aber genug gelabert hier.

23.04.2006 | 17:57

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