Riesenmaschine

27.04.2006 | 11:21 | Anderswo | Alles wird besser | Zeichen und Wunder

Abbildungsreligion Daoismus


Dao-Gott Schultze

Dao-Gott Flint
Noch vor ein paar Jahren war die diffuse chinesische Philosophiereligion Daoismus auf dem Religionsmarkt das nächste grosse Ding. Schriftsteller wie Klabund, Alfred Döblin oder Bertolt Brecht liessen sich von daoistischen Ideen inspirieren; später entdeckten Dichter der Beatgeneration und die Hippies den etwas anderen Glauben. In den achtziger Jahren wurde Dao dann von der New-Age-Bewegung verwurstet; besonders den Daoismusableger Zen drehte man durch den Wolf. Seitdem malen sich vorzugsweise unterforderte Hausfrauen innen mit etwas Instant-Dao aus.

Das ist schade, denn eigentlich hat der Daoismus auch dem Popkulturinteressierten was zu bieten. Das fiel der Riesenmaschine im Tempel des Shanghaier Stadtgottes Qin Yubo auf. Besonders sticht hier Dao-Gott 1 ins Auge, der mit Bowler-Hut und Spazierstock entfernt an Dupont oder Dupond bzw. Schultze oder Schulze bzw. doch wohl eher an 杜本(Dùběn) oder 杜朋 (Dùpéng) aus Hergés Comic-Klassiker Tintin erinnert. Nach Dao-Gott 2 aber hat sich anscheinend Prodigy-Sänger
Keith Flint
modelliert. Mag allerdings auch sein, dass es umgekehrt war, denn "das Dao ist eine Wellenbewegung" (Uni Bonn), so dass man nicht weiss, wer hier Henne ist oder wer Ei.

Auf jeden Fall kennt der Daoismus kein Abbildungs- oder Karikaturverbot seiner Götter, im Gegenteil. Auch sonst können Selbstmordattentäter, Fahnenverbrenner und Popetown-Eiferer einiges vom Daoismus lernen. Das Ideal des daoistischen Weisen, so lehrt die heilige Schrift, sei "Gleichmut, Rückzug von weltlichen Angelegenheiten und Relativierung von Wertvorstellungen, sowie Natürlichkeit, Spontaneität und Nicht-Eingreifen". Beherzigen Sie diese Maximen doch bitte auch beim Verfassen Ihrer Kommentare, selbst wenn Ihnen die Grösse Ihrer Sexualorgane Kopfzerbrechen bereiten sollte.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Popetown II

Christian Y. Schmidt | Dauerhafter Link | Kommentare (16)


Kommentar #1 von Selbstbedienung:

Spontanes Nicht-Eingreifen, super. Ist das sowas wie "zuerst wartete ich langsam, dann immer schneller"?

27.04.2006 | 12:41

Kommentar #2 von Keith Flint:

So ist es, denn "das Dao [ist] selbst kein omnipotentes Wesen, sondern der Ursprung und die Vereinigung der Gegensätze und somit undefinierbar." http://www.lextoday.de/Daoismus

27.04.2006 | 14:36

Kommentar #3 von pfahlgeist:

vereinigung der gegensätze, darf man sich das auch als geschlechtsakt zwischen sascha lobo und edmund stoiber vorstellen?

27.04.2006 | 14:57

Kommentar #4 von Felix:

Hier sollte doch nix mit Geschlecht und so stehen...
Hallo! Denkt doch mal mi-hit!
DAO!
Nicht-Eingreifen.
Ohje, jetzt hab ich aber auch...
H.Simpson wuerde da jetzt sagen "doh!", das hoert sich doch ganz aehnlich an. Ist es evtl das selbe?
Doch nein! Wie wird mir? Mein Penis schrumpft!

27.04.2006 | 15:34

Kommentar #5 von suppi:

das ist nicht m. dupont
das ist doch PAN TAO
da oben
nie glotze geguckt ?

27.04.2006 | 22:24

Kommentar #6 von Tanja:

So, habe eben erstmal diese Eierübung gemacht
wie auf der Hausfrauenseite beschrieben...
Da oh oh oh!
Und ich trage gerade Unterwäsche ohne Eingriff.
Ist es das?

27.04.2006 | 22:57

Kommentar #7 von Frau Dachs:

"Atme langsam, tief und ruhig durch deine Brustwarzen goldenes Licht aus dem Kosmos ein und fülle deinen Busen damit auf."
- Da kann ich nur sagen: "Haaa!"

28.04.2006 | 01:43

Kommentar #8 von Selbstbedienung:

Was ist denn das hier für eine billige religiöse Globalisierungsstrategie? Was interessiert es mich als bayerischen Katholiken denn bitteschön, was irgendwelche Pan-Tau-Daoisten im spirituellen Vollrausch verzapfen? Greift da jetzt das, wovor Attac unermüdlich warnt, auf religiöse Kontexte über? Religiöse Globalisierung und Demokratisierung – das klingt ja fast wie Rumsfeld, Bush und Rice-Roadmap. Nein danke, auf meinem mentalen oberbayerischen Bauernhof hängt im Herrgottswinkel noch kein Pan Tau und ich echauffiere mich als freier Christenmensch noch über was ich will, von keiner schwammigen Vereinigung der Gegensätze unterdrückt.

28.04.2006 | 01:46

Kommentar #9 von CYS:

Nun, Selbstbedienung, dann empfehle ich Ihnen zur Lektüre in ihrem Herrgottswinkel die Schriften von Nikolaus von Kues, seiner Zeit (15. Jahrhundert) der einzige deutsche Kardinal und sogar als Papstnachfolger gehandelt. Da geht es zusammengefasst um Folgendes: "Inspiriert vom Neoplatonismus und der deutschen Mystik (Meister Eckhart) entwickelte er die paradoxale Grundfigur seines Denkens, seine Lehre von der coincidentia oppositorum, dem Zusammenfallen des Entgegengesetzten in Gott, nach der es allerdings keine positive und adäquate Erkenntnis Gottes, sondern nur ein Begreifen unseres Nichtbegreifens (docta ignorantia) gebe... Jede Religion spiegele einen Teil der göttlichen Wahrheit, da sie Gott, in dem alle Gegensätze vereint sind, nur relativ zu erfassen vermag." http://de.wikipedia.org/wiki/Nikolaus_von_Kues
Am besten mit der kleinen Schrift "Über den Beryll" beginnen, aber auf keinen Fall "De docta ignorantia" (1440) vergessen.

28.04.2006 | 04:15

Kommentar #10 von irgendwem:

"freier Christenmensch", das ist doch auch schon ein sehr hübscher Widerspruch, von dem geglaubt wird, dass er sich in Religion auflöst.

28.04.2006 | 09:38

Kommentar #11 von Selbstbedienung:

ad #9: Bei uns nennt man eine Autorität wie Kues einen Kirchenlehrer. Aber danke, den habe ich schon im 2. Semester lesen müssen und diese platonisierenden spätmittelalterlichen Übergänge sind nicht mein Bier. Ich bin ein Anhänger des Thomismus strenger Observanz. Und die ganze theologia negativa, welche die Nichtdefinierbarkeit Gottes so stark betont, sagt damit dann eigentlich doch wieder sehr viel über Gott aus. Dabei ist aristotelisch gesehen sogar im irdischen Bereich jede Einzelsubstanz als Concretum nicht definierbar. Definierbar ist immer nur das Allgemeine. Gott ist zwar kein Concretum, aber auch nicht eine allgemeine Wesenheit, sondern personales Absolutes. Das will auch der Thomist nicht exakt definieren...
Soviel Freiheit habe ich als Christenmensch, mir meine christlichen Philosophenschulen selbst aussuchen zu können, ob nun die neuplatonisch-augustinische oder die aristotelisch-thomistische oder irgendeine von den modernen Richtungen, das interessiert doch die Kirche nicht, wohin es mich da zieht.
Ich könnte aber auch einfach mal einen Stapel T-Shirts mit Riesenmaschinenlogo darauf bestellen, sie anzünden und darauf herumspringen. Das wäre eine angemessenere Reaktion als mein endloses Gelaber hier, das kann man sich ja echt nicht mehr anschauen, schrecklich.

28.04.2006 | 10:11

Kommentar #12 von Selbstbedienung:

Aber wenn ich schon beim Labern bin, es gibt doch eine Freiheitsgrenze: Der einzige philosophische Satz, der jemals von der Kirche dogmatisiert worden ist, ist "anima est forma corporis" (Konzil von Vienne, Denzinger-Schönmetzer, Enchiridion Symbolorum Definitionum et Declarationum de Rebus Fidei et Morum, 37, Nr.902). Das muss in jeder christlichen Philosophie stimmen und setzt den platonisch-aristotelischen Terminus forma (eidos) voraus. Ansonsten zwingt mich niemand, neuplatonische oder aristotelische Systeme zu übernehmen, und Kues muss ich folglich auch nicht annehmen. Nur, was ich neu verzapfe, muss auf mindestens derselben Höhe stehen wie bisherige Lehren, z.B. darf die neue Transsignifikationstheorie nicht hinter dem zurückbleiben, was die klassische Transsubstantiationstheorie sagt.
Und weil wir Theologen so relativ frei sind, produzieren wir auch so endlos viele Texte, die sowieso keine Sau liest, ausser vielleicht der Ratzinger in Rom, wenn er mal Zeit hat, und der dann Thesen als ungenügend zurückweist, die ohne die Zurückweisung wohl nie jemand zu Gesicht bekommen hätte.
So. Und wo kann ich jetzt hier Riesenmaschinen-Flaggen zum abfackeln bestellen?

28.04.2006 | 11:05

Kommentar #13 von Maschinist:

Wir könnten schon eine extra für Dich herstellen, aber billig wird der Spass nicht. Bist Du Dir denn auch ganz sicher, dass Du das Abfackeln übers Herz bringen würdest? Und auch schöne Fotos machen könntest davon?

28.04.2006 | 12:36

Kommentar #14 von Selbstbedienung:

ad #13: Eine aufgebrachte Ein-Mann-Meute, enthemmt tobend vor Raserei, eine lichterloh brennende Riesenmaschinenfahne, eine Fotoserie... das klingt schon sehr verlockend. Nur, ich bin ein mittelloser Mensch, der gerade mal genug Zaster für Futter und Tabak hat.

28.04.2006 | 13:06

Kommentar #15 von Kathrin:

T-Shirts zum Verbrennen kommen soeben aus der Druckerei (noch warm) und werden in den nächsten Tagen hier zu besichtigen und zu bestellen sein. Autodafé-Mengenrabatt!

28.04.2006 | 14:57

Kommentar #16 von Selbstbedienung:

Ich bin entzückt darob mein grober Schabernack hier oben so bereitwillig aufgenommen und hurt'gen Schrittes weiterverwurstet wird. Dann muss ich nur noch einen entsprechenden Bildhintergrund suchen, eine staubige Stelle vor hausähnlichen Resten einstiger zivilisatorischer Schaffenskraft, etwa von ungebührlichen Tauben geweisste Backsteinhaufen... z.B. die bayerische Staatskanzlei. Ob ich nach einer solchen Aktion allerdings noch dazu käme, die Bilder der Riesenmaschine auszuhändigen?

28.04.2006 | 15:14

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