Riesenmaschine

14.12.2006 | 19:06 | Anderswo | Fakten und Figuren | Sachen kaufen

Prothesenmarketinggötter

Wenn man Werber fragt, wofür sie niemals Werbung machen würden, sagen ca. neun von zehn nach mittlerer Bedenkzeit: "äh ... Landminen". Nur konsequent, dass es jetzt Werbung für quasi das Gegenteil gibt. Am Göttinger Bahnhof bewirbt der ortsansässige Healthcare-Anbieter Otto Bock (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Kunststoffhersteller mit dem grandiosen Claim "Best in foam") eines seiner Spitzenprodukte: Unterschenkelprothesen. Die federführende Lead-Agentur konnte leider nicht ermittelt werden, aber die Kampagne darf als gelungen gelten. Weil nach wie vor das Gros der Deutschen sich mit englischsprachigen Werbeslogans schwertut, wird die eingängige Kernbotschaft "Technology for people" eleganterweise mit übersetzt. Auch das Key-Visual ist mit Autoreifen gut gewählt. Schliesslich sind Reifen so etwas wie die künstlichen Beine des Autos, ohne die es auch nicht laufen könnte. Und wird nicht das Mängelwesen Mensch erst durch die technologisch erweiterten Handlungsspielräume des Individualverkehrs, sprich: durch das Tele-Organ des Autos buchstäblich zum "Prothesengott"? Doch, wohl. Einziger Einwand, wenn man denn partout etwas auszusetzen finden wollte, wäre, dass auch eine noch so gelungene Kampagne in diesem Segment nicht zur Marktausweitung führt, jedenfalls nicht, so lange die Apotemnophilie noch nicht als flächendeckender Trend Raum gegriffen hat. Um die Kampagne unter dem Gesichtspunkt der Effizienz noch zu optimieren, müsste man nolens volens – es hilft ja nichts – also doch über eine flankierende Kampagne für Landminen nachdenken. Denn streng ökonomisch sind Landminen und Prothesen komplementäre Produkte auf gekoppelten Märkten (vgl. Drucker/Toner, Kaffeemaschinen/Pads).


Kommentar #1 von Galenus:

Landminen! Natürlich gleich wieder der Griff
zum Holzhammer der big technology! Dabei is
doch small beautiful: Wenn alle Deutschen nur
ein paar Kilo Zucker oder wahlweise ein paar
hundert Kippen mehr im Jahr konsumieren,
werden wir auch die von der deutschen
Ärzteschaft erzielte, erfreulich hohe
Untere-Extremitäten-Amputations-Rate von ca.
45000 Beinen & Füssen jährlich mühelos und ganz
ohne Landminen aufrechtzuerhalten vermögen
http://masl.to/?V4CF21E5E

14.12.2006 | 23:06

Kommentar #2 von Diabetes:

auch "Zuckerkrankheit" oder nur "Zucker" ("meine Dame, leiden Sie unter Diabetes?" – "Hä?" – "ob Sie Zucker hän, will ich wisse") zeichnet sich u.a. dadurch aus, dasz man eine gestörte Blutzuckerregulation, als Konsequenz oft einen zu hohen Blutzuckergehalt hat, richtig.
Aber man kriegt es nicht dadurch, dasz man konsequent viel zu viel Zucker iszt, sondern eher – zumindest ist das ein wesentlicher Risikofaktor – dadurch, dasz man zu fett ist. Fett werden geht, wenn man sich Mühe gibt, auch mit wenig Zuckern – auch wenn das weniger Spass macht.
Generell gilt auch hier der olympische Gedanke!
(Ich habe das alles nur geschrieben, um zu sehen, ob "sz" auch von der Scharfes-S-wird-umgewandelt-Engine auch erfaszt wird.)

15.12.2006 | 16:53

Kommentar #3 von irgendwem:

Wenn es das würde, wie sollten wir dann in Zukunft mit Themen wie Reisszähnen, Kandiszucker, Gaszentralheizung, Jahreszeugnissen und dem Dauerbrenner Gotteszahl umgehen, hm?

15.12.2006 | 18:29

Kommentar #4 von irgendwem:

Otto Bock Healthcare ist übrigends eine Tochter vom "Kunststoffhersteller", der Otto Bock Gruppe.

15.12.2006 | 20:02

Kommentar #5 von B:

@#4 Gottchen, das arme Ding. Kriegt doch nie ein' ab – mit dem Namen.

15.12.2006 | 20:11

Kommentar #6 von Schorsch:

@#3: Lasst doch diesen Unfug mit der Umwandlung einfach mal sein und haltet Euch an die Regeln! Das können alle anderen ja schliesslich auch – inzwischen sogar die FAZ. Schliesslich hat die Unterscheidung zwischen ss und dem anderen, das hier zensiert wird, ihren Sinn.

17.12.2006 | 01:33

Kommentar #7 von Kathrin:

Schorsch, sobald du die Schweiz zum ß bekehrt hast, ziehen wir sofort nach. Versprochen!

17.12.2006 | 01:51

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