Riesenmaschine

13.09.2005 | 11:41 | Fakten und Figuren | Vermutungen über die Welt

Familienkonzepte durch die Jahrtausende


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Von vielen Politikern wird die Familie als Keimzelle der Gesellschaft bezeichnet, was unter dem Vermehrungsaspekt sicher zumindest einen Samenkorn der Wahrheit enthält. Unter dem Aspekt des ständigen Wandels der Welt jedoch greift diese Aussage viel zu kurz. Vor allem, weil sie sowohl 'Familie' wie auch 'Keimzelle' dreist im Singular verwendet, wo längst mindestens Plural, eventuell sogar noch ganz andere Formen notwendig wären. Aber gehen wir, auch anhand der Bilddokumentationen, ein wenig zurück in der Zeit. Das Gute an früher ist, dass einige Zeitzeugen sich noch lebhaft daran erinnern können. Die kann man befragen, wenn man – wie zum Beispiel ich – früher noch nicht geboren war, die Aussagen gleichen sich: Früher bekam man mehr Kinder. Der derzeitige bundesdeutsche Durchschnitt von 1,4 Kindern wurde, wie man auf dem Bild 'früher' auch erkennen kann, um ein Vielfaches übertroffen.

Das Familienkonzept war deutlich auf Wachstum angelegt, aus zwei mach acht. Inzwischen ist aus einer Vielzahl von Gründen die Geburtenrate je Frau gesunken, etwa, weil immer mehr Frauen studieren und Akademikerinnen keinen Partner finden. Das bringt uns direkt zur Situation von zwischendurch (siehe Bild 'zwischendurch'). Das Bild steht prototypisch für die kurzfristig aktuell gewesene Perspektive, dass Frauen ganz ohne Mann Kinder zeugen können und gleichzeitig Männer offenbar aussterben. Auch aus Gründen des Interesses an neuen wissenschaftlichen Entwicklungen war dies eine Zeit lang eines der meistdiskutierten Familienkonzepte: Wofür braucht frau eigentlich noch Männer? Man beachte hier die leicht errechenbare Quote von Kindern je Frau: Auf unserem Beispielbild beträgt sie 0,5.


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Doch Wissenschaft und Gesellschaft schreiten oft genug gemeinsam voran, befruchten sich gegenseitig und entwickeln gemeinsam Lösungen für Probleme, die ohne die Lösungen so nicht existiert hätten. Nachdem laut einiger wirrer Wissenschaftler das ewige Leben unmittelbar bevorsteht und zu allem Überfluss Männer doch nicht, wie zunächst befürchtet, aussterben, sind realistisch betrachtet sogar 0,5 Kinder pro Frau zuviel. Denn, und dieses globale Thema hat selbstverständlich auf die aufgeklärte Familienpolitik des 21. Jahrhunderts großen Einfluss, es besteht weitgehend zweifelsfrei eine Überbevölkerung auf der Welt und dieses Problem ist trotz einiger vielversprechender Ansätze auf herkömmlichem Weg kaum zu lösen. Nach wie vor ist bei den meisten Menschen der Kinderwunsch groß – kein Wunder, denn der Wille zur Vermehrung wurde uns gewissermaßen in die Wiege gelegt und ist sogar nach übereinstimmender Meinung vieler Wissenschaftler der Grund für das Überleben der Menschheit. Nun ist in der letzten Woche endlich ein Ausweg aus dem Dilemma gefunden worden, dass zwar alle Eltern werden wollen, aber keiner die dramatische Überbevölkerung verantworten möchte und einige Nachteile (Gerüche, Geräusche) schon nach kurzer Zeit kaum mehr auszuhalten sind. Britische Wissenschaftler wollen ein Kind mit drei Eltern herstellen, mit zwei Müttern und einem Vater.

Genau hier könnte die Zukunft liegen, nämlich endlich das bisher inhaltsleere Versprechen der Patchwork-Familie mit echtem Leben zu füllen und Familien zu ermöglichen, die abseits des überholten Vater-Mutter-1,4-Kind-Modells funktionieren (siehe Bild 'bald'). Warum nur ein Elternpaar pro Kind, wenn mit etwas Geduld und Spucke die Zahl der durch ein Kind gleichzeitig beelterten Personen stark gesteigert werden kann? Warum nicht Famlilien mit drei Vätern und vier Müttern, für jeden Tag in der Woche ein eigenes Elternteil? Das sind die Antworten, die die Menschen von heute von der Wissenschaft erwarten – Vermehrung light, Kinder probefahren, trotz Baby auch mal zwei Wochen Urlaub ohne Geplärr. Und genau hier ist dann im Zirkelschluss auch wieder die Politik gefordert: Man wird über eine deutliche Erhöhung des Kindergelds sprechen müssen, damit es für alle Eltern reicht.


13.09.2005 | 05:02 | Alles wird besser | Alles wird schlechter | Sachen kaufen

Dinge der Welt, vereinigt Euch


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Dinge zusammenzubauen, die zusammengehören, ist prinzipiell eine gute Idee, zum Beispiel weil man so nur auf ein Gerät aufpassen muss und einem zweifach anstrengendes Einkaufen erspart bleibt. Aus diesem Grund ist man auch bereit, so einiges an Zumutungen hinzunehmen. Letzte Woche allerdings, als die Welt von der Markteinführung des Toasters zur gleichzeitigen Zubereitung von Muffin und Spiegelei erfuhr, war es vorbei mit der Geduld. Spätestens hier wird klar: Manche dieser Funktionsdopplungen teilen uns wesentlich mehr über die Perversionen Gewohnheiten unserer Mitmenschen mit, als wir zu ertragen in der Lage sind. Wenn man schon unbedingt Muffins mit Spiegelei essen muss, dann, bitte, sollte man nicht noch andere per Kaufwunsch damit belästigen. Es will auch (hoffentlich) keiner wissen, was man mit einem Bett anfängt, das gleichzeitig als Badewanne einsetzbar ist (Bild oben). Und wer bitte ist bereit, sich auszumalen, wozu man ein Kondom mit eingebautem Vibrator braucht? Vermutlich laufen Menschen, die solche Dinge bestellen, ganz normal auf der Straße herum und man begegnet ihnen tagtäglich in der Nachbarschaft. Muss das sein? Aber dann sieht man plötzlich das Zelt, das nur mit eingebautem Fahrrad funktioniert (Bild unten), reißt vor Verzückung die Augen auf, klickt auf "Kaufen, kaufen... KAUFEN!!!" und lobt und preist eine Welt, die auch für noch so abwegige Wünsche eine Lösung bereithält.


13.09.2005 | 03:16 | Anderswo | Supertiere

Schwarzenblogger


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Dass Arnold Schwarzenegger jetzt schon seit geraumer Zeit das reichste und bevölkerungsstärkste Bundesland der USA regiert, wird nur der bemerkenswert oder gar surreal finden, der rührend antiquierten Vorstellungen über Politik, Wirtschaft, Medien und ihren wechselseitigen Bedingtheiten anhängt. Dass aber der Governator, wie ihn seine Untertanen liebevoll nennen, seit Juni in seiner offiziellen Funktion wöchentlich im schönsten Austroamerikanisch podcastet und in diesen Radioansprachen dann auch noch am 13. August ein biederes kleines Loblied der Fitness singt, macht doch ein klein wenig freudetrunken. Prost.


12.09.2005 | 14:08 | Sachen kaufen | Vermutungen über die Welt

Bloglockstoff

In letzter Zeit ist ja allenthalben von sog. Blogs zu hören und zu lesen. Das ist auch den Marketingabteilungen nicht entgangen und hat dazu geführt, dass immer mehr Produkte auf den Markt geworfen werden, deren vorrangiger Einsatzzweck darin besteht, in Blogs erwähnt zu werden. Das funktioniert etwa wie bei jenen spektakulären Wahlkampfplakaten, die niemals öffentlich plakatiert werden, sondern in einer Auflage von eins vor den Parteizentralen hängen oder auf Pressekonferenzen präsentiert werden, um sich von dort aus allein über Medienberichterstattung zu multiplizieren. In Anlehnung an derlei PR-Stunts wollen wir das Verfahren mal bis auf weiteres Blog-Stunt nennen. Ein solcher Blog-Stunt dockt an die entsprechenden Synapsen des Bloggers an wie das Pheromon an die Kleidermotte.

Entsprechende Produkte sind einfach zu konzipieren: Es gilt, zwei oder mehr Themen aus der Reihe "Sex, Innovation, Stromerzeugung, Nahrung, iPod" in einem Produkt zu vereinen. Highlights der letzten Wochen waren etwa das Tofu mit Menschenfleisch-Aroma, das Vergewaltigungs-Schutzkondom mit Widerhaken und der stromerzeugende Rucksack. Eines Tages aber wird die Referenz-Killerapplikation "Essbarer Vibrator im iPod-Design als Handyladegerät" erscheinen, und sie wird wochenlang alle Blogs beherrschen, und wer zuerst über das neue Ding berichtet, hat gewonnen. Erster!


12.09.2005 | 13:30 | Sachen kaufen | Essen und Essenzielles | Vermutungen über die Welt

Food & Non-Food Full Circle


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Angefangen haben dürfte alles vor einigen Dekaden mit Guhl-Shampoo in den Sorten "Ei" oder "Bier", was seinerzeit fast noch für einen Lacher oder Partyscherz gut war, bis man aufgeklärt wurde, dass es sich dabei jeweils um alte Hausrezepte handelte. Seither haben auch die grossen Hersteller sich schnell bewegender Konsumgüter wie Nestlé und Unilever kapiert, dass die Grenze zwischen Food und Non-Food ein durchlässige ist, dass für beide Kategorien dieselben Marketing- Gesetzmässigkeiten gelten, und dass sich insbesondere Körperpflegeprodukte dann am besten verkaufen lassen, wenn sie wie Functional Food daherkommen.


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Was die Menschen gern in den Körper rein tun, kann für aussen dran nicht verkehrt sein, so die implizite Annahme, die sich mittlerweile in unzähligen tiefenpsychologischen Interviews und Focusgruppensitzungen bestätigt haben dürfte. Ein Wegbereiter war hier der durchschlagende Marketingerfolg von Garniers "Fructis", der ersten Haarpflegeserie, die wie ein Limonaden-Softdrink auftrat. Mittlerweile ist die Körperpflegeabteilung im Supermarkt vom Milchregal oft nur noch an der fehlenden Kühlung oder durch Lektüre des Kleingedruckten auf den Packungen zu unterscheiden, was besonders älteren und ganz jungen Konsumenten zu schaffen macht.


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Jüngster Neuzugang in der Milch und Honig-Kategorie ist die Duschgel-Serie "Joghurt" von Fa in drei Geschmacksrichtungen und mit extragrossen Fruchtstücken. Die unfreundliche Übernahme der Lebensmittel durch die Kosmetik ist in vollem Gange. Das erinnert uns an Lisa Simpsons denkwürdigen Ausspruch gegenüber Bart: "Du hast dich selbst als Rebell definiert. In Ermangelung eines repressiven Milieus wird jetzt deine ökologische Nische überbevölkert."


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Und nun zur Frage, wie denn wohl die innovativen und – nun ja – "rebellischen" unter den Food-Herstellern auf die Überbevölkerung ihrer ökologischen Nische reagieren. Die ehemaligen Hippie-Eiscreme-Hersteller Ben & Jerry's, die inzwischen längst von Unilever geschluckt wurden, sich aber eine gewisse Autonomie bewahren konnten, haben jetzt in bester Jiu-Jitsu-Manier die Flucht nach vorn, beziehungsweise das Ausweichmanöver nach schräg oben angetreten. Die neue Geschmacksrichtung "Fossil Fuel" ist ein mit Sahne und verstrudelter Schokolade verfeinertes Fressflash-Eis mit einer Oktanzahl von mindestens 98, das obendrein kleine Schokostückchen in Saurierform enthält. Wenn jetzt noch die Petrokonzerne nachzögen und an ihren Tankstellen demnächst Spezialtreibstoffe mit anionischen Pflegetensiden anböten, wäre der Kreis perfekt.


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