Riesenmaschine

14.01.2006 | 18:02 | Fakten und Figuren

Der Schwamm


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Es ist tragisch mitanzusehen, wie ein lustiger Bub wie Christoph Schlingensief so ganz ohne künstlerische Visionen versucht, irgendeine relevante Kunst zu machen, die wenigstens ein bisschen Innovation atmet. Aber es geht und geht nicht, heraus kommt immer das, was dem Hofnarren auch eingefallen wäre, wenn der König müde war, die üblichen "Provokationen" halt, ein paar Purzelbäume, Taschenspielertricks und eine ulkige Stimme. Schlingensief sieht, dass um Ihn herum alles schon getan, gesagt und ausprobiert wurde und wird. Und also kommt er – der tief in sich spürt, dass seine überbordende Gefallssucht verständlicherweise unbedingt verbergen muss, nur der Weissclown mit der verbogenen Klarinette zu sein – auf die Idee, all das zusammen zu packen, was schon getan, gesagt und ausprobiert wurde und daraus seinen eigenen Kunstbrei zu kneten.
Eine konsensuell kakophonische Mischung aus schlecht kopierten Elementen von Tobe Hooper, Helge Schneider, Rainer Werner Fassbinder, aus Unterschichtsfernsehen, Udo Lindenbergs Hippie-Freakshows mit Kleinwüchsigen, Werner Herzog, Joseph Beuys, Matthew Barney (siehe Foto), Wiener Aktionismus, sehr viel Paul McCarthy, Black Metal, Erlebnisgastronomie, André Hellers Luna Park, Dieter Roths Müllmanifeste, man weiss gar nicht, wo man anfangen und wo aufhören soll, alles muss absorbiert, annektiert, und wenn das nicht geht, dann als Gast zugekauft werden.

So wie für sein Spektakel "Area 7", das diese Woche am Wiener Burgtheater beginnt, den Maler Jonathan "Satansmerzbau" Meese, den vor Jahren vom Meisenfachmann Wolfgang Müller entdeckten Klaus Beyer und die unfassbar dumme, hässliche und bedeutungslose Brotspinne Patti Smith.
Und dieses Prinzip ist ganz praktisch, das Publikum, das doofe wie das so genannte intellektuelle, kann immer etwas erkennen, was es bereits schon mal irgendwo mitgenommen hat, muss sich also nicht aufregen, hier droht nicht DAS NEUE, DAS UNBEKANNTE, DAS UNHEIMLICHE, DAS HEHRE, DIE KUNST, hier droht allenfalls ein lärmender Kindergeburtstag, um 8 kommt dann der Clown Christoph mit den grossen quietschenden Schuhen.


14.01.2006 | 09:56 | Anderswo | Fakten und Figuren | Zeichen und Wunder

Corporate Communist Design

Vietnam ist der einzige Staat dieser Erde, in dem das gute alte Hammer und Sichel (H&S) Emblem noch an jeder Strassenecke präsent ist; im Gegensatz zu anderen, nominell noch kommunistischen Staaten. In China kommt das alte Logo praktisch nur mehr hinter Windschutzscheiben von Funktionärslimousinen vor; gewissermassen als Ausweis für freies Parken. Zudem war die Sichel im chinesischen Emblem schon immer etwas runder als beim sowjetischen Original. In Kuba sieht man statt des gekreuzten Werkzeugpaars praktisch nur Che entrückt dreinblicken, und in Nordkorea ist sowieso eine eigene Version in Umlauf: eine eher schlecht designte Kombi aus Hammer, Hacke und Pinsel, das offizielle Symbol der dortigen (Staats)Partei der Arbeit.

Auch in Vietnam sind H&S das Emblem der Staatspartei, die hier auch noch ganz klassisch Kommunistische Partei Vietnams heisst. Im Strassenbild findet es sich fast ausschliesslich auf einer roten Fahne, die gerne auch neben der Nationalflagge (Grosser gelber Stern auf rotem Grund) hängt. Beide Fahnen, das kann auch der strengste Antikommunist nicht leugnen, sehen sehr, sehr gut aus, nicht nur, wenn sie im Sonnenlicht am malerischen Hoan Kiem See in Hanoi herumflattern. Es sind die prallen Farben, das schlichte Design und die sofort zu erfassende Symbolik, die sich jedem gleich in die Optik fräsen.

Stellt sich die Frage: Wer hat das H&S-Emblem eigentlich entworfen? Die Heraldiker und Vexillologen sagen uns: Keiner, bzw., wie sich das für eine kommunistische Bewegung gehört, praktisch alle. Erstmals aufgetaucht ist es im Zuge des russischen Bürgerkriegs, auf Fahnen revolutionärer armenischer Einheiten, etwa um 1917. Es hätte aber auch ganz anders kommen können. Wie auf einer kleinen Auswahl von Fahnen der frühen Roten Armee zu sehen ist, war das Vorläufersymbol ein Hammer und ein im Verhältnis dazu unproportionierter, klobiger, überhaupt schwer zu zeichnender und noch schwerer erkennbarer Pflug. Kaum denkbar, dass das internationale Unternehmen "Kommunismus" unter diesem katastrophalen Signet die bekannten Propagandaerfolge errungen hätte.

Anders als die Kommunisten liessen übrigens die Nazis ihren immensen Symbolbedarf von professionellen Designern decken. Das Emblem der SS, die verdoppelte germanische Sig-Rune, beispielsweise entwarf ein Walter Heck, der bei der Firma Ferdinand Hofstätter in Bonn beschäftigt war. Nun kann man auch diesem Logo unter streng designerischen Gesichtspunkten eine gewisse Dynamik nicht absprechen. Dafür war aber sein Schöpfer, im Nebenberuf noch SS-Sturmführer, ein echter Nazi-Blödmann. Heck, so steht es geschrieben, verkaufte seinen Entwurf irgendwann zwischen 1929 und 1933 für ganze 2 Mark fuffzig an die SS. Also exakt die Summe, die der ganze Nazi-Scheiss dann wohl auch wert war.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Asien Spezial: Korea & Vietnam

Christian Y. Schmidt | Dauerhafter Link


13.01.2006 | 21:10 | Vermutungen über die Welt

Nie wieder Gala

Wie hinreichend bekannt sein dürfte, wurde die WM-Eröffnungs-Gala heute von der FIFA abgesagt. Ob das nun am schleppenden Kartenverkauf, dem schlechten Zustand des Rasens oder an André Hellers wirren Ideen lag, sei einmal dahin gestellt. Schön aber, dass das ja ohnehin für seinen Realitätssinn bekannte WM-Organisationskomitee angesichts dieses Zwischenfalls nicht in Panik geriet und wie immer die angemessenen Worte fand: "Ich bin tief überzeugt davon, dass diese Veranstaltung die spannendste und Aufsehen erregendste nach dem Krieg in Deutschland geworden wäre", so der Kulturbeaufragte Fedor Radmann (SPIEGEL online). Wie bescheiden und weise. Die meisten anderen Organisatoren hätten vermutlich mal wieder masslos übertrieben und eine Veranstaltung, deren Qualität ja niemals jemand wird überprüfen können, als sogar noch spannender und Aufsehen erregender als den Zweiten Weltkrieg bezeichnet. Und das wäre ja nun wirklich absurd.


13.01.2006 | 17:03 | Supertiere | Fakten und Figuren | Vermutungen über die Welt

Baumfürze


Ehrenrettung eines Paarhufers (Foto: jamesjordan) (Lizenz)
I am cow, eating grass // Methane gas comes out my ass // And out my muzzle when I belch // Oh, the ozone layer is thinner // From the outcome of my dinner // I am cow, I am cow, I've got gas
So unschön gehen die lustigen kanadischen Musiker Arrogant Worms dem armen Fleckvieh ans, ahem, Leder. Die Worms selbst sind vielleicht am berühmtesten für zwei brilliante Stücke, die sie weder geschrieben, noch je gesungen haben, nämlich The Toronto Song und The War of 1812 (obacht, beide Links gehen direkt auf eine mp3-Datei) von Three Dead Trolls in a Baggie. Aber genug von falsch zugeschriebenen lustigen Liedern von und für Kanadier, zurück zu Kuhfürzen.
Kuhfürze, das weiss ein jeder und schon lange, sind schuld am Treibhauseffekt und damit an unser aller Untergang. Pfui Teufel, Kuh, Du dumme Sau, möchte man vielleicht ausrufen, aber halt!
Jüngst erreichte uns nämlich in Form eines Nature-Aufsatzes die Nachricht, dass auch Urwälder furzen, und das nicht zu knapp. Die Autoren schätzen den Furzauswurf auf bis zu 236 Tg pro Jahr, was zwar nicht ganz ans theoretische Maximum von knapp 365.25 Tg/Jahr heranreicht, aber immerhin. Höchste Zeit also, die furzenden, insektenverpesteten Misthalden endlich niederzubrennen oder abzuholzen, und durch elegante Kuhweiden zu ersetzen. Müsste man vielleicht mal vorschlagen.


13.01.2006 | 12:19 | Was fehlt

Filmverhinderungsförderung


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Ach, was muss man oft von bösen Filmemachern so erdulden! Schweigen wir an dieser Stelle von Vorfilmen, die zum wiederholten Mal die Geschichte vom aufgegessenen Fahrschein bebildern. Schweigen wir auch von dem Unheil, das als Abschlussarbeit an deutschen Filmhochschulen angerichtet wird, und schweigen wir von der Ausbildung deutscher Schauspieler, die sie dazu veranlasst, sich auch im – zugegeben noch ganz neuen – Medium Film so zu gebärden, dass man ihre Empfindungen auch als kurzsichtiger Gast in der letzten Theatersitzreihe noch recht zu deuten wüsste.

Sprechen wir aber vom Einsatz von Steuergeldern. Denn ein jeder Film wird, wenn er aus Deutschland kommt, mit Geldern der Kulturellen Filmförderung aus nicht weniger als zwei bis fünf Bundesländern gefördert, weshalb die handelnden Personen auch immer viel in der Gegend herumreisen müssen in deutschen Filmen. Das kostet insgesamt 200 Millionen Euro/Jahr, und wie man am Beispiel Frankreich (700 Millionen) sehen kann, liesse sich mit noch mehr Geld noch weniger erreichen. Am Beispiel Hollywood (0 Millionen Euro Subventionen) lässt sich sicher auch irgendwas lernen.

Wäre es da nicht im Interesse aller, wenn man die Filmförderung der Bundesländer ablöste durch eine Einrichtung, die sich mit den Geldern des Steuerzahlers stattdessen für die Verhinderung bestimmter Filme einsetzte? Der junge Filmschaffende hätte lediglich ein fertiges Drehbuch und einen Finanzierungsplan vorzulegen, um seiner Drohung Nachdruck zu verleihen. Der Filmverhinderungsanstalt obläge es dann, ihm gegen die Zusicherung, dass der Film nie gedreht wird, ein sauberes fünfstelliges Sümmchen auszuhändigen und den Steuerzahler vor viel Unbill zu schützen.

Frage: Könnten gewissenlose Menschen durch dieses Angebot dazu verleitet werden, zum Zwecke des Geldverdienens ganz viele unterirdisch schlechte Drehbücher zu schreiben und einzureichen?
Antwort: Ja, aber auch nicht mehr als jetzt.


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