Riesenmaschine

14.11.2006 | 12:35 | Essen und Essenzielles

Vintage cooking


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Nun ist es also amtlich, dass die schauerlichen Kreationen des alchemistisch angehauchten spanischen Kochs Ferran Adrià, nächstes Jahr sogar durch die documenta geadelt werden. "Er wird einen Workshop machen, aber ich behandele ihn wie einen Tänzer, einen Performer, wie ein Ereignis", sagt documenta-Chef Roger-Martin Buergel. Vielleicht fordert er zu Tortenschlachten auf oder tanzt den Besuchern einen Salat, zumindest hebt er das eherne Gesetz auf, dass man mit Essen nicht spielt, und garantiert so jetzt schon absehbare Zuschauerrekorde.

Buergel weiss nicht, dass es im Internet etliche Gruppen und Einzelpersonen gibt, die ähnlich kreativ wie Adrià kochen, seien es die mit den frisierten Riesenriegeln, oder jene, die antike Rezepte nachkochen, z.B. Mary mit ihrer Wurstkrone. Gekocht wird, was in erster Linie gut aussieht, der Hunger kann warten. Vorgestern hat nun jemand im wunderbaren Swapatorium ein Rezept für ein Aspikaquarium vorgestellt, das ebenfalls mühelos documentakompatibel wäre, schliesst es doch sichtbar den Kreis von Damien Hirst zu Ferran Adrià. Aufmerksam gilt es jetzt Adrià zu beobachten, denn schlimmer, als mit Essen zu spielen, ist, es zu plagiieren. Denn dann freut sich sein ewiger Widersacher, der Mann mit einem Namen wie ein Philosophieprofessor und einem Gesicht wie eine Faust: Heston Blumenthal.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Pearoefoam

Tex Rubinowitz | Dauerhafter Link | Kommentare (4)


14.11.2006 | 02:47 | Was fehlt | Sachen kaufen | Essen und Essenzielles

Zweifelderwirtschaft


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Ketchup mit Hartkäse, so what? (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Ein grosser Produkttrend des ausgehenden 20. Jahrhunderts war Two-in-One. Er beschränkte sich vermutlich aus Gründen fehlenden Know-Hows auf die Verschmelzung zweier Produkte, von denen eins überflüssig und damit in der Wirkung unüberprüfbar war, wie Shampoo und Conditioner. Anfang des neuen Jahrtausends erlebte die Konsumwelt einen famosen Scheinhöhepunkt durch Geschirrspültabs mit drei Phasen – drei gefühlte Produkte in einem, wo vorher nur ein Produkt in einem notwendig war. Da soll nochmal jemand sagen, Marketing bringt den Verbrauchern nichts.

Inzwischen hat man das Two-in-One-Konzept aufgebohrt und auch auf Lebensmittel angewandt. Jüngstes Beispiel der Firma Werder ist ein Ketchup mit schon Parmesan drauf, bzw. drin. Eine Entwicklungsrichtung, die sich die Lebensmittelgestalter, früher sagte man Fooddesigner, mal als Beispiel nehmen sollten. Der Markt bietet noch Raum für so viel Fehlendes: Bier mit Kartoffelchips drin, Löffel mit schon Essen drauf und richtige Fertiggerichte könnten eigentlich auch mal erfunden werden.


13.11.2006 | 18:11 | Anderswo | Listen

And the Machinima Award goes to ...

Man könnte natürlich fragen, warum wir das fünfte Machinima Festival nicht sinnvollerweise rechtzeitig vorher ankündigen, sondern erst, wenn alles vorbei ist. Nun, würden wir dann antworten, weil so viele Leser dann auch nicht in der Nähe von Astoria (New York) wohnen, da also vermutlich eh keiner hingefahren wäre, und es dann doch viel mehr Sinn macht, das Ergebnis abzuwarten, und die Gewinner zu verlinken. Und genau das tun wir jetzt auch. Die laut Jury in einer oder mehreren Kategorien besten Machinimas des Jahres sind: Edge of Remorse (oben links), The Adventures of Bill & John: Danger Attacks the Dawn, Tra5h Ta1k, Male Restroom Etiquette, Silver Bells and Golden Spurs und The Fixer, ausserdem die nicht verlinkten Company of Heroes, Deviation (Trailer) und Stolen Life. In Second Life gibt es übrigens eine ironische Variante, The Ed Wood Machinima Festival!, das immer an Halloween stattfindet. War also auch schon. Egal.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Goldberg Variationen


13.11.2006 | 13:06 | Papierrascheln

Komm gut nach Hause, mein Kind


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Dass die Kirche immer mehr an Glaubwürdigkeit und Autorität einbüsst, liegt natürlich daran, dass all die guten Werte wie Drohen und Strafen, Schwulst, Augenwischerei und Flitter verschwunden sind, zugunsten eines Vatikanclowns, um den sie alle lachend tanzen wie bei einer Technoveranstaltung. Dennoch bleibt eine Bastion uneinnehmbar, Weihnachten, eine Veranstaltung, die der Autor Max Goldt zu Recht als etwas definiert, dessen Zauber sich erst dann entfaltet, wenn man an ihm seitlich vorbeigeht.

Die grossen Städte leeren sich plötzlich, fliessen aus, wo unsere Helden ein Dasein "jenseits der Festanstellung" fristen, sie fahren in Karawanen zurück nach Deggendorf und Herne-Wanne, Orte, an denen sie sich wieder in Kinder verwandeln. Im Buch Driving Home erzählen 18 Autoren von entfremdeten Orten, beengten, bedrückenden Stätten der Verpflichtungen und Missverständnisse. Dafür, dass die Bachmannpreisteilnehmerdichte ganz besonders hoch ist, ist die Qualität doch relativ schwach, das kann an dem trüben Thema liegen, aus dem fast alle Autoren herauszukommen versuchen, indem sie als einen der wenigen Lichtblicke kuriose Festmahlabfolgen schildern. Wegen vier Texten lohnt sich dennoch die Lektüre. In einem spielt eine geschenkte Hand eine düstere Rolle, in der anderen wird lakonisch das Verschwinden eines Fliegenpilzes beklagt. Ulrike Sterblich (kennt man auch als das Supatopcheckerbunny) schildert ihren Spaziergang heim durchs entvölkerte Berlin, sie schaut durchs Fenster einer Kneipe, in dem ein paar geisterhafte Gestalten über ihren Getränken brüten, und fühlt sich wie ein Krippenesel. Simone Will beschreibt ein David-Sedaris-artiges Chaos, in dessen Verlauf ihr geistig behinderter Bruder sämtliche Türklinken des Hauses abschraubt, um sie zu verstecken, und sie selbst sich in der Erinnerung ihre Brille "mit der Haut eines knusprigen Hühnchens putzt". Lässt sich gut im Zug heim nach Lüdenscheid lesen.

Tex Rubinowitz | Dauerhafter Link | Kommentare (4)


13.11.2006 | 01:09 | Anderswo | Alles wird besser | Essen und Essenzielles

Vive la food republique


Das Neue

Das Alte
In VivoCity, der gerade eröffneten grössten Shopping-Mall Singapurs, findet sich im zweiten Stock mit "Food Republic" der teuerste Foodcourt der Insel. Fünf bis sieben Millionen Singapur-Dollar (2,5 – 3,5 Millionen Euro) hat nach Angaben der Betreiber die Ausstattung der versammelten Garküchenstände und kleinen Restaurants mit echten Antiquitäten – Balken, Kacheln, Pferdewagen aus der Qing-Dynastie – gekostet, welche u.a. aus historischen Häusern stammen, die momentan in China beinahe flächendeckend abgerissen werden. So will man, wie Food Republic's Brand-Managerin Patsy Loo erklärt, Einheimischen und Touristen helfen "zu verstehen, wie es in Asien vor dem Krieg aussah, als es noch viele mobile Garküchen auf den Strassen gab." Das geht in Singapur tatsächlich nicht anders, denn mobile Strassengarküchen sind hier verboten, angeblich aus hygienischen, wahrscheinlich aber auch aus anderen Gründen. So kann, wer will, die Einrichtung der Food Republic auch als einen indirekten oppositionellen Akt in bester Tradition der Aufklärung lesen.

Unten im Basement 2 der Vivo-Mall hat sich dagegen das Ancien Régime eingenistet. Der Zuckerzeugsupermarkt Candy Empire ist zwar mit 1.000 qm gegen 8.000 qm viel kleiner als die Schlemmerrepublik, dafür aber auch reaktionärer. In der neu eröffneten Filiale hing bis vor kurzem ein Schild, das Rollstuhlfahrern das Einrollen untersagte. Nach heftigen Protesten ist das mittlerweile entfernt worden und die Royalisten haben sich entschuldigt, doch weitere Konfrontationen zwischen Reaktion und Fortschritt liegen in der Luft. In Singapur kursieren immer noch Aufrufe, das Zuckerimperium zu boykottieren. Damit nehmen die Brandmeldungen aus VivoCity noch kein Ende. Auf die Food Republic ist es bereits zu handfesten Übergriffen gekommen. In den ersten zwei Wochen nach ihrer Konstituierung wurden hier ausgerechnet ein sog. "Love Letter-Maker" und ein historisches Schild gestohlen. Ungeklärt ist bisher, von wem, aber die Zeichen verdichten sich, dass der auf Harmonie bedachten Waldorf-Mall ein revolutionärer Sturm bevorsteht. Naja, vielleicht auch nicht.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Shopping mit Rudi

Christian Y. Schmidt | Dauerhafter Link | Kommentare (9)


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