28.08.2007 | 23:23 | Zeichen und Wunder | Vermutungen über die Welt
Vektorraumbasen: Wer erinnert sich noch? Die Basisvektoren (rot) spannen den dreidimensionalen Raum auf. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.) Banach-Tarski-Paradoxon: Aus eins (rot) mach zwei (auch rot). (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.) Während sich anderswo Leute mit wenig vertrauenserweckenden Energy-Drinks nächtelang wachhalten, um Bücher darüber zu schreiben, was die Menschheit noch nicht weiss, beweisen andere Leute Sachen, die man sowieso niemals wissen kann. Beispielshalber beweisen Mathematiker, dass es Vektorraumbasen gibt, deren Existenz zwar beweisbar ist, von denen man aber niemals wissen kann, wie sie aussehen und wie man sie überhaupt an eine Tafel schreiben soll, kurz: Dass es etwas gibt, wovon man gar nichts bis überhaupt nichts wissen kann und das für immer. Mirakulös. Solche Behauptungen kennt man sonst nur von Theologen, die sagen: Es gibt einen Gott, aber der ist ein deus absconditus, also völlig und für immer verborgen. Schuld an diesem prinzipiellen Unwissen der Mathematiker ist das sogenannte Auswahlaxiom, mit dem sich noch viel tollere Mirakel erzeugen lassen, z.B. das Banach-Tarski-Paradoxon, dem zufolge sich in bestimmten Räumen aus einer Kugel zwei neue Kugeln mit gleichem Volumen der Ursprungskugel basteln lassen. Wundersame Brotvermehrung! Mathematik löst Welthungerproblem! Bei so vielen Wundern wundert es nicht mehr, dass sich mit dem Auswahlaxiom auch die Existenz Gottes beweisen lässt, wie der Philosoph Reinhard Kleinknecht in dem Buch "Klassische Gottesbeweise in der Sicht der gegenwärtigen Logik und Wissenschaftstheorie" dartut, das allerdings nicht als PDF vorliegt und von dessen konkretem Inhalt wir hier also leider nichts wissen. Noch oder für immer.
28.08.2007 | 13:20 | Berlin | Essen und Essenzielles
(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)"Der Regen wird wärmer", singt famos Der Automat und etabliert damit das Nanogenre des Antisommerhits speziell für verregnete Sommer. Und siehe da, Nanolösungen für Nanoprobleme sind das neue kleine Ding, zum Beispiel bei der Mülltrennung. Warum nur fünf Mülleimer für die Müllsorten Glas, Papier, Verpackung, Restmüll und Bio? Wo bleiben Zwischentöne und Grauwerte, wo ist gar die alte Tugend der stufenlosen Verstellbarkeit geblieben? Ein Eisladen im Superberlinerbezirk Prenzlauer Berg macht es vor und stellt sich einen Eiswaffelmülleimer vor die Tür, der mit allem, was er hat und kann, deutlich macht, welcher Müll bitteschön in ihn eingeworfen werden soll. So sieht vorbildliche, plakative Mülltrennung aus, wir brauchen auch in den Haushalten für jedes Produkt einen eigenen Spezial-Mülleimer. Der könnte ja dann auch viel kleiner sein, eventuell genau so gross wie eine normale Verbraucherverpackung. Schluss dieser fabelhaften Entwicklung wäre, dass jedes Produkt seinen eigenen Mülleimer bereits enthalten könnte. Man bräuchte dann nur noch eine zentrale Mülleimersammelstelle, das Müllproblem wäre gelöst und die Menschheit könnte sich drängenderen Problemen widmen, etwa der Gleichverteilung von regenarmen Sommern auf der Welt.
26.08.2007 | 22:45 | Berlin | Essen und Essenzielles
(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)Prenzlauer Berg ist der Bezirk mit der höchsten Biomarktdichte der Welt. Man kann in einigen Strassen kaum mehr aus dem Fenster aschen, ohne die organisch biologische Frischwarenauslage zu verdrecken – aber Moment! Denn die organisch biologische Gemüsesituation ist in den meisten Fällen bereits verdreckt, und zwar mit Erde, Wurzeln, Staub, und Zweigen. In Zeiten, in denen bioverfütternde Mütter glauben, Tomaten aus Holland werden in Gewächsfabriken auf Polyesterwatteböden Tag und Nacht zu Höchstleistungen gepeitscht, bekommen aber nur künstliches Wasser und genmanipulierte Hormone zu essen, in diesen Zeiten also, da ist Dreck am Stecken bzw. an der Tomate ein naturversprechendes Qualitätkriterium. Eine bekannte, soziologisch interessante Umdrehung der ästhetischen Wertigkeit – aber für Naturesswaren ein soziales Problem: Gemüse galt immer als erdverschmierter Pöbel unter dem Fruchtgut. Es kam von unten und man verzehrte es gekocht und in der Masse. Das vornehme Obst, die Herrenrasse der Nutzpflanzenapartheid, schaute aristokratisch und unverschmutzt vom Baum auf's Gemüse herab und blickte sonnenbeschienen dem Pflückvorgang entgegen, um dann ungekocht und in den meisten Fällen einzeln verzehrt zu werden.
Doch mit der Biowelle wendete sich das Blatt – denn das fürnehme Obst hatte aufeinmal keine Handhabe mehr, zu beweisen, wie natürlich es doch sei und sich gegen Fabrikgewächse abzugrenzen. Lange beriet man im Obersten Organischen Obstrat, wie man selbst auf den ersten Blick nachvollziehbar "die organische Karte ziehen" sollte (wie eine gewiefte Altaubergine es ausdrückte). Bodenhaltung vortäuschen? Eine klare Geflügeldomäne. Sichtbare Druckstellen? Undenkbar, Fallobst war praktisch gleichzusetzen mit dem proletarischen Gemüse. Die Pfirsiche wagten sich mutig vor und schlugen einen Obstrelaunch vor: eine neue, besonders organisch und individuell wirkende Formgebung. Im Kopf der Zielgruppe sollte die Verknüpfung von "natürlich verwachsenem" Obst und biologisch organischem Anbau gelingen. Die Testpfirsiche gibt es derzeit in ausgewählten Biomärkten. Ob das zugegeben radikale Vorgehen in der menschlichen Monokultur des Prenzlauer Bergs Früchte trägt, wird man sehen.
26.08.2007 | 01:56 | Nachtleuchtendes | Alles wird besser
Herkömmliche Löcher, gestalkt in Schottland (Foto, Lizenz)Ok, da ist jetzt also ein gewaltiges Loch im Universum, wer hätte das gedacht. Oder wie Entdecker Lawrence Rudnick bei Spiegel Online offenbar falsch zitiert wird: "Es ist tausend Mal grösser als eine typische Leere", und damit womöglich sogar deutlich grösser als das Loch im Mars. Schön und gut. Aber wann endlich, so fragt man sich, wird es möglich sein, in diesem grössten Loch aller Zeiten Urlaub zu buchen? Und herumzulaufen? Die ultimative Wildnis, das letzte Abenteuer, eine lebensfeindliche Wüste so karg, dass es selbst Sand vor Tristesse dort nicht aushält, geschweige denn Dunkle Materie? Ja, wann? Demnächst, sagt sinngemäss Orbital Outfitters und plant frohgemut eine Art Fallschirmmontur fürs All, ohne Schirm, versteht sich, denn wo nichts ist, kann auch nichts den Fall schirmen. Die Vision: Wenn man in der mittelfristigen Zukunft ein Problem mit Houston hat, dann steige man einfach aus dem Raumschiff und fliege ohne Houston zurück zur Erde – Space-Diving aus 150 Meilen Höhe. Im Vergleich dazu sehen die gängigen Programme zum Weltraumtourismus (z.B. Jeff Bezos' Blue Origin) in der Tat aus wie Baden an der Costa Brava. Zugegeben: 150 Meilen mag ein grosser Schritt für die Orbital Outfitters sein, hingegen für das ultimative Ziel ist es nur ein, naja, reden wir nicht drüber. Aber, hey, man wird ja wohl noch. Das Megaloch im Universum hat einen Durchmesser von nur 6.000.000.000.000 ähm 000.000.000 Meilen. Knapp.
25.08.2007 | 20:15 | Berlin | Papierrascheln
(Foto: Houses of the Future) Architekt Baaske mit seinem Werk (Foto: Jan Bölsche)Berliner Kartonagenhersteller boten im 19. Jahrhundert "preiswerte Wohnkästen" aus Pappe an, um die Wohnungsnot zu lindern, so steht es in "Berlin" von David Clay Large nachzulesen. Seither kommt immer wieder mal jemand auf die Idee, Pappe sei eine "genuine short-term housing option". In Australien kann man für nur $35.000 das Cardboard House (oben) erwerben, und auch die Riesenmaschine (unten) experimentiert bei "9to5 – Wir nennen es Arbeit" im Berliner Radialsystem erstmals mit einem eigenen Redaktionssitz aus dem innovativen Traditionsmaterial. Beide Unterkünfte sind "lightweight, transportable" und erfordern "no more skill to erect than an Ikea product"; bei der Pappriesenmaschine beliefen sich die Materialkosten auf nur 14 Euro pro Quadratmeter. Das neue modulare Betriebsgebäude ist problemlos erweiterbar, langfristig ist die Anschaffung eines Firmenwagens aus Pappe geplant. Später wird zur Einweihung Sekt aus Pappbechern gereicht.
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IN DER RIESENMASCHINE
ORIENTIERUNG
SO GEHT'S:
- Seelenspenderausweis (selbstgedruckt)
- lieber mal was den Russen überlassen
- Keramik aus Bunzlau
- Gurkenschnitzling
SO NICHT:
- Schnickschnack von gestern
- Durchdiskutieren
- gelbe Schuhe
- ungemachte Betten, Jahrzehnte nach dem Turner Preis
AUTOMATISCHE KULTURKRITIK
"The Lookout", Scott Frank (2007)
Plus: 42, 89 Minus: 90 Gesamt: 1 Punkt
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