In der Schönhauser Allee in Berlin Prenzlauer Berg hat ein Gastronom eine pollereinbeziehende Tischlösung entworfen. Auf die Reaktion des zuständigen Bauamts kann man gespannt sein. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)Seit der Wende benötigt die deutsche Volksseele alle fünf Jahre die Rückversicherung, dass sie sich vom früheren Schwermut vollkommen losgesagt hat und nun geradezu von mediterranem, weltoffenem Geist, Flair und besonders Jenesaisquois durchdrungen ist. 1995 schaffte man sich den von Christo verpackten Reichstag an, um den viele Wochen lang biertrinkende Menschen espriten. 2000 stimmte man in die Fin-de-Siècle-Euphorie ein; die Befürchtung, auch in deutschen Qualitätsmaschinen könne etwas falsch programmiert sein, was zum Absturz der gesamten Welt führen könnte, verbunden mit gigantomanen Now-or-Never-Silvesterfeiern zeigten die deutliche Abkehr vom deutschen Wesen. 2006 mit langem Vorlauf prallte schliesslich die Weltmeisterschaft als Fest der Völker wie ein Rammbock in die grunddeutsche Gefühlstrias aus Niedergeschlagenheit, Arbeitsfixierung und Seriosität: der Gipfel des Nichtdeutschtums war erreicht, lustigerweise begleitet von einer Shrillion deutschen Flaggen, in China hergestellt, an japanische Autos angebracht. Wie könnte es nun weitergehen?
Dezentral vielleicht. Die sich selbst beauftragende Kommunikationskampagne gegen allzu Deutsche Umtriebe wird in Zukunft nicht mehr mit 3 Millionen Menschen am Brandenburger Tor ausgefochten bzw. ausgetrunken, sondern stürzt sich auf eine Vielzahl von Alltagsbegebenheiten. Einfach auch mal ohne Anlass fünf grade sein lassen und zwei Sekt auf Eis bestellen! Mit den Gegebenheiten zurechtkommen, sich nicht beschweren, dass ausgerechnet ein Granitpoller dort steht, wo man den Tisch hinstellen wollte! Sondern drübergezimmert, egalgefunden, ein Kaltgetränk geordert und dann wird pünktlich zum Feierabend in Kleingruppen laisserfairt.
Wir müssen trotzdem alle sterben. Foto, LizenzAus Protest wird hier kein Wort über die Entdeckung wieder eines neuen Planeten stehen. Schnauze voll von einer Planetenfinderei, die wie chinesische Wasserfolter funktioniert, alle paar Tage mal ein Tropfen, zum Wahnsinnigwerden. "Jetzt so ähnlich wie die Erde!", "Jetzt noch erdähnlicher als zuvor!", "Kaum ein Unterschied noch zur Erde (vielleicht)!", wie Waschmittelwerbung prasseln die Schlagzeilen auf uns ein. Derart angewidert, verzichten wir diesmal sogar auf einen Link auf die neueste Meldung, waren ohnehin Amerikaner. Linkstreik, der neue Hungerstreik.
Stattdessen verlinkt und empfohlen sei die enthusiastische Auseinandersetzung mit Gegenwart und Zukunft der Planetensuche, abgedruckt am Dienstag im Guardian. Der Report, im wesentlichen entstanden im Staff Commons Room der School of Physics & Astronomy in St. Andrews, belegt anschaulich, wie froh man sein muss, in Zeiten zu leben, in denen bodenständige Wissenschaftler sich mit Fragen befassen, die Leuten wie, sagen wir, Isaac Asimov zu spekulativ gewesen wären. Wir sind nur ein paar Jahre davon entfernt zu wissen, wieviele Erden es in der Galaxie gibt und noch ein paar Jahre von der Möglichkeit, diese Erden auf Lebensvoraussetzungen zu überprüfen. Die ersten Pfeiler der Drake-Formel, jahrzehntelang umkämpft, werden fallen. Die Tatsache, dass dies alles real ist, die Industrie, die mittlerweile an der Planetensuche hängt, die lauernden Satelliten, die Armada an Helfershelfern, Millionen Zeilen Code, nur um sie zu finden, macht es soviel besser als Raumschiff Enterprise.
Dann wieder jedoch: Warum der Aufwand? Warum können wir nicht einfach hier rumsitzen, Bier trinken und warten, bis sie uns finden?
Der will doch bloss auffallen (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)Der Trend zur vorfabrizierten Grotesknahrung hält unvermindert an und ist im Herbst 2007 von der Schokoladen- und Mineralwasserbranche zum Molkereiproduktesektor durchgebrochen. Der Vorreiter der Entwicklung kommt diesmal überraschenderweise nicht aus dem notorisch zu gustatorischen Schelmenstücken aufgelegten Österreich, sondern aus dem eher seriös beleumundeten Münsterland. Die dort ansässige Biomolkerei Söbbeke hat in der Produktentwicklungsabteilung anscheinend eine der Seekühe eingestellt, die hauptberuflich als Gagschreiber für die Zeichentrickserie Family Guy tätig sind.
Über die neuen Fruchtjoghurts (pdf) der Geschmacksrichtungen Pflaume-Lavendel, Aloe Vera-Rose und Ananas-Curry schweigt die Gastrokritik der Riesenmaschine, da wir als Verkostungsstichprobe ein Glas der Sorte Fruchtjoghurt mild Mango-Tomate gezogen haben. Es enthält sechs Prozent Mangopüree und zwei Prozent Tomatenmark und schmeckt, nun, wie soll man's beschreiben, irgendwie tomatig, zugleich aber auch mangoig, mit einem milden Joghurtgeschmack als Herznote. Also hervorragend. Zumindest Leuten, die auch Rollmops mit Nutella mögen.
Zum grossen Finale des bereitsmehrfacherwähntenDosentests am vergangenen Montag in Köln waren sie alle da. Und schon am Vormittag war der Triumph vollkommen: Der zuständige Arzt bestätigte, dass die vier Probanden, die sich sechs Wochen lang so umfassend wie möglich aus Dosen ernährt hatten, genau so gesund wie vorher seien. Weil Dosen halt voll die gleichen Vitaminmengen enthalten wie frische Nahrungsmittel und überhaupt: Kommunikationsziel erreicht, alle glücklich!
Danach gab es dann noch etwas zu essen, weswegen in ein Kochstudio mit Blick aufs Schokoladenmuseum gegangen wurde, wo Sternekoch Stefan Marquard mit Hilfe der Probanden aus über 15 verschiedenen Dosenprodukten eine Vorspeise, ein Hauptgericht und ein Dessert zusammenkochte. Bei der Zubereitung enthüllte die Dose dann eine weitere ungeahnte Qualität: Sie ist das demokratischste Lebensmittel von allen. Denn über die Zutaten der einzelnen Gänge konnte gemeinschaftlich abgestimmt werden, in der Frischediktatur hätte man hingegen essen müssen, was vorher gekauft wurde.
Nun darf jedoch mit diesem singulären Sieg der Dose über althergebrachte Essgewohnheiten nicht Schluss sein – nein, vielmehr muss der 5. November als Auftakt für die vollkommene Assimilation der Dose in unser aller Alltag in die Geschichte eingehen. Aus zwei Gründen:
1. kann nur die Dose das von der Riesenmaschine propagierte Prinzip "In Modulen denken, in Modulen handeln" auch nachhaltig in der Küche verankern. Analog zum Prinzip des Containers im Fracht- und Logistikbereich kann das Standardmass einer, sagen wir: 400-ml-Dose endlich die Einrichtung normierter und dadurch passgenauer Einkaufstaschen, Lebensmittelregale und Kühlschränke ermöglichen. Auch Lebensmittelwaagen und Messbecher könnten bei entsprechend portionierten Dosen und dazu passenden Gerichten endgültig aus unserem Leben verbannt werden.
2. ist schon heute ist die Dose die einzige Hoffnung für Menschen, deren Tag sich grösstenteils abseits der in Deutschland gültigen Ladenöffnungszeiten abspielt. Gäbe es keine Dosen, sie müssten verhungern. Doch noch sind auch Dosenhaltbarkeiten endlich, muss man alle paar Jahre doch den Gang in den Supermarkt wagen. Deshalb merke man sich: Nur der Kauf von Dosen unterstützt die Dosenforschung! Das Endziel müssen Haltbarkeiten von mehreren Jahrhunderten sein, damit die Menschheit dereinst, wenn die Erde in die Sonne stürzt, auf dem Weg zu neuen Planeten nicht verhungern oder an Skorbut sterben muss. Das sind wir unseren Kindeskindern schuldig.
Die Redaktion der Riesenmaschine fordert daher: 1. Keine Minen in Pandaschutzgebieten vergraben. 2. Agent Orange nur noch im Herbst verwenden und nicht bei Nadelbäumen (nicht artgerecht) 3. Schluss mit dem Individualverkehr: Keine Panzer, sondern Geschütze auf Zügen. 4. Wenn doch Panzer: Alternative Kraftstoffe wie Biodiesel nutzen; ausserdem sitzen in so einem Panzer oft nur wenige Soldaten: Fahrgemeinschaften bilden! 5. Bodybags aus Jute. 6. Keine Atombomben mehr, lieber Solar- oder Windkraftbomben. 7. Nur noch solarbetriebene Jets verwenden, statt den alten kerosinfressenden F-16s. 8. Umweltneutrale Angriffe – wer versehentlich einen Wald zerbombt, muss zum Ausgleich eine Autofabrik zerstören. 9. Bei Maschinengewehren eine Spartaste einbauen, für wenn man mal gar nicht SO oft schiessen muss. 10. Oder einfach besser zielen. 11. Und die Patronen hinterher wieder einsammeln, der nächste Krieg kommt bestimmt.