Riesenmaschine

23.06.2008 | 09:47 | Anderswo | Fakten und Figuren

Island, deine Riegel


Lakritzschokoriegel sehen dich an
(Foto: sopran mit freundlicher Genehmigung)
Geysire, Gletscher, Geothermie – mehr fällt den meisten Menschen nicht zu Island ein. Dabei verfügt Island über etwas viel Wichtigeres und Selteneres, nämlich ein Schokoriegelangebot, das sich stark von dem der meisten anderen Länder unterscheidet. Die Riesenmaschine hat 18 Riegel der vier Hersteller Freyja, Síríus, Góa und Jambó getestet.

In der Sparte "Ohne Lakritz" waren angetreten: Sirius Konsum, Staur, Lindu Buff, Risa Hraun, nizza Hnetur og rúsinur, nizza Hreint, Villiköttur, Conga Xtra, Pipp, nizza með súkkulaðiperlum und Prins. Die Lakritzfraktion bestand aus nizza Lakkrískurl, Hitt, Þristur, Risa Þristur, Lakkrís Draumur, Lakkrís Dúndur und Tromp.

Mit nur 2,7 von 10 Punkten schnitt das schlanke Schokoladentäfelchen Sirius Konsum am schlechtesten ab. "Als hätten sie in der Schokoladenfabrik den Staub zusammengefegt" und "Noch schlechter als die Schlager Süsstafel" lauteten die Urteile der Kritiker. Auf dem vorletzten Platz folgt mit 2,8 Punkten die klassische Schokowaffelimitation Conga, "ein Witz mit Bart" (C. Albers).

Im Mittelfeld waren einige so bisher noch nicht gesehene Riegelkompositionen zu bestaunen wie der Lindu Buff, eine Art riesige schokoglasierte Assel (R. Krause: "Ausgebuff der Hölle", Aussenansicht/Anschnitt), die Lakritz-Marzipan-Kombination Tromp, oder der Þristur, ein Dreikomponentenriegel aus brackiger Schokolade, gefüllt mit einer zähen Substanz und Lakritzeinsprengseln (Bild).

Villiköttur konnte mit seiner dorfdiscogleichen Verpackung punkten und überzeugte einzelne Kritiker auch inhaltlich ("Eine der grössten Leistungen der isländischen Süsswarenindustrie, exportfähig, Anschluss ans Weltniveau gefunden"), kam jedoch wegen Lion-Plagiatverdachts (Bild) insgesamt nicht über 5,2 Punkte hinaus. Auf den vordersten Plätzen fanden sich Lakkrís Dúndur ("Panzerknackerbrille mit Puffgetreide", siehe Abbildung, 6,8 Punkte), Hilt (eine weitere Lakritzbrillenvariante, 7 Punkte) und Risa Hraun (7,4 Punkte).

Alle vier Hersteller werden offenbar vom selben isländischen Schokoladenrohmasse-Fabrikanten beliefert, der sein Produkt aus eingeschmolzenen, leicht gesalzenen Schokoladennikoläusen fertigt. Das Ergebnis ist deutlich unterhalb dessen angesiedelt, was anderswo für Blockschokolade oder "kakaohaltige Fettglasur" als gerade noch akzeptabel gilt. Die isländischen Geschmackspapillen, gestählt durch angesengte Schafsköpfe und vergorene Haifischwürfel, wollen es nicht anders.

In Verpackungsdesign, Namensgebung und Riegelform wurde den Testern insgesamt zu häufig auf erkaltete Lava angespielt. Positiv fielen das Retropornodesign bei Prins (Bild) und die gewagte gestalterische Reise ins Jahr 1985 bei staur auf. Das elegante Design der Sirius Konsum-Tafel (Bild Mitte rechts) wurde wegen des allzu grossen Kontrasts zur inhaltlichen Qualität als Irreführung des Verbrauchers eingestuft und führte zur Abwertung.

Fazit: Island wird so schnell nicht zum Riegeltourismus-Ziel avancieren, hat Experimentierfreudigen und Lakritzliebhabern aber durchaus einiges zu bieten. Nammi.is versendet alle getesteten Riegel und viele andere isländische Spezialitäten (Dorschlebertran, nachtleuchtende Kondome) weltweit.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Riesenfroschlaich (all flavors)


22.06.2008 | 19:14 | Alles wird besser

Zwölf Sekunden bis Buffalo


Auch das wird man in Zukunft nicht mehr sehen müssen: Der Hai ist schon da, hat aber noch niemanden gebissen. (Foto: candiche, Lizenz)
Es war entweder Calvin oder Hobbes, der die Meinung vertrat, Werbespots von 15 Sekunden Dauer seien 14 Sekunden zu lang für die durchschnittliche amerikanische Aufmerksamkeitsspanne. Das ist natürlich haltlos übertrieben und hat zu verfehlten Investitionen in Projekte wie The 1 Second Film (1 Sekunde Film, 90 Minuten Abspann) geführt. In Wirklichkeit ist jeder gesunde erwachsene Mensch mit etwas gutem Willen in der Lage, sich zwölf Sekunden lang auf ein Thema zu konzentrieren. Das bestätigt die Forschungsabteilung der neuen Nanovlogging-Website 12seconds.tv: "The scientists here at the 12seconds dodecaplex have conducted countless hours of research to determine the precise amount of time it takes for boredom or apathy to set in during typical Internet video viewing. Our patent pending Electro-Tear-Duct Prongers have determined that exactly 12 seconds of video is the ideal amount of time to keep anything interesting." Wer will schon sehen, wie sich die Katze langsam dem Swimmingpool nähert, Swimmingpool, Katze, Swimmingpool, Katze, aufgeregte Geigenmusik, bis es nach mehreren uninteressanten Minuten endlich zur Katzenkatharsis kommt? Wie soll man da je das Internet vollständig rezipieren? Hallo 12seconds.tv, auf Wiedersehen, YouTube.


21.06.2008 | 10:28 | Alles wird schlechter | In eigener Sache

Gestern war alles besser


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Radio ist in vielerlei Hinsicht schlechter als Internet. Dazu gibt es Literatur und Talkshows, deshalb soll hier nicht weiter darauf eingegangen werden. Andere Medien sind aber durchaus auch manchmal deutlich schlechter als Radio. Das traditionelle Fenster zum Beispiel. Es beschlägt bei Nässe, zeigt jeden Tag dasselbe Bild und ab und zu scheissen die Vögel drauf, alles Nachteile, die das Radio elegant vermeidet. Die Welt vor dem Radio war darum klar schlechter als die Welt nach dem Radio. Zum Beispiel auch deswegen, weil man, als es das Radio noch nicht gab, auch nicht im Radio erfahren konnte, dass es in Wahrheit umgekehrt ist und die Welt prinzipiell immer schlechter wird. Dieses denkwürdige Ereignis wird sich in der Nacht von Samstag auf Sonntag abspielen, und zwar in der ZIA-Radioshow Folge 137, "Gestern war alles besser – Das kulturpessimistische Magazin". Deutschlandradio Kultur, 00:05 bis 01:00.


19.06.2008 | 23:45 | Anderswo | Essen und Essenzielles

Kontraste


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Über Kontrastflüssigkeiten für Windeln, Tampons und Katzenstreu wurde schon viel spekuliert, eine konkrete Antwort ist noch ausständig: Warum sie blau sein muss, wenn die Auscheidungen nicht auch blau sind, wie beim Wegdornbeeren essenden Kaninchen. Warum nun ausgerechnet Blau der Stellvertreter für Rot, Gelb und Braun ist, warum nicht Grün?

Ja, assoziiert man nicht mit Blau Frische, so wie uns die Kloreinigungsnabobs einzureden versuchen? Es scheint da einen nicht eindeutig definierten Graubereich zu geben. Was ist gutes Blau, was böses? Vollends verwirrend wird es, wenn Katzen das Blau ihrer Ausscheidungen so ans Herz gewachsen ist, dass sie in blauen Waschbecken schlafen. In Japan z.B. wirbt die Schlagersängerin Jun Tugawa seit Jahren für das Washlet der Firma Toto, indem sie sich die Hände mit Tubenfarbe blau beschmiert. Schmutz und Reinheit in einem. Nun scheint Japan generell ein Land der diffusen Grenzen zu sein, das braune Pepsicola wurde zuerst grün und jetzt blau. Noch hat keiner gesagt: Schmeckt wie Elvis. Das Argument, dass etwas, das so blau aussieht, nicht natürlich sein kann, kann man dann mit dem Schmutzargument entkräften. Andererseits: sind Ausflüsse und -scheidungen nicht auch natürlich?

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Man schmeckt nur mit den Augen gut

Tex Rubinowitz | Dauerhafter Link | Kommentare (7)


18.06.2008 | 08:59 | Anderswo | Alles wird schlechter

Nazivergleiche in die Steinzeit gebombt


Bunker (Foto, Lizenz)
Hitlervergleiche sind ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Kultur, nicht nur, weil sie Kohärenz von Vergangenheit und Gegenwart herstellen, sondern auch wegen ihrer inhärenten Unschlagbarkeit. Wer sich so ähnlich verhält wie Hitler, hat verloren, nicht nur den Weltkrieg, sondern auch seinen Ariernachweis oder so. Der Hitlervergleich, das einäugige unter den blinden Totschlagargumenten.

Aus Amerika jedoch kommt heute Kunde von einem Debakel in der neuzeitlichen rhetorischen Nutzung des Nazidebakels. Jemele Hill, kurzatmige Kolumnistin des Sportgiganten ESPN, kommentiert am Samstag die Finalserie der NBA mit folgender Sentenz: Rooting for the Celtics is like saying Hitler was a victim. It's like hoping Gorbachev would get to the blinking red button before Reagan. Ein Hitler- und ein Gorbatschowscherz in einem einzigen Satz! Grossartiges Beispiel abwegiger Sprachentartung.

Dann aber der Untergang. ESPN entschuldigt sich am Montag für den absolutely unacceptable comparison und entfernt die Statements. Was soll bitte daran inakzeptabel sein, eine altgediente rhetorische Figur in neuem Gewande zu verwenden, vermutlich historisch zum ersten Mal im Zusammenhang mit Basketballfans? Dumm, ja, aber inakzeptabel? Was soll's, Hill jedenfalls ist vorerst beurlaubt, um über ihre Worte nachzudenken.

Aber jetzt der eigentliche Skandal. Was folgt, ist die zensierte Fassung der Kolumne: Rooting for the Celtics is like supporting inflation, unemployment and locusts. It's like praying for Eva Mendes to get married and for Brad Pitt to be disfigured. So ja nun nicht, ESPN. Wer Hitlervergleiche durch Brad-Pitt-Vergleiche ersetzt, klebt auch Micky-Mouse-Sticker auf die Goldedition von "Mein Kampf". Celtics trotzdem 131:92.


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Minus: 1, 40, 102, 142, 166, 203
Gesamt: 2 Punkte


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