Riesenmaschine

21.12.2008 | 15:02 | Was fehlt | Fakten und Figuren | Vermutungen über die Welt

Ein spätes Erwachen in der kleinen Agentur


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Erst am Abend dämmerte Schürkamp und Lobinger, dass sie gerade die Chance ihres Lebens vertan hatten. Sie hatten sich, wie immer, an das Credo ihres Lehrmeisters Hagemann gehalten – "Der Reason Why macht die Kampagne. Und der Reason Why muss glaubwürdig sein!" – und entsprechend den einzigartigen Produktvorteil der neuen 32-MBit-Flatrate von Kabel Deutschland mit chirurgischer Präzision herausgearbeitet. "Das Verrückte ist ja...", hob Lobinger nach dem dritten Bier an: "Doppelt so schnell wie 16 Mbit/s ist viermal so schnell wie 8 Mbit/s!" "Oder achtmal so schnell wie 4 Mbit/s!" "Haha, und sogar 32.000 mal so schnell wie 1 kbit/s!" Kurzes Schweigen. "Aber das klingt ja viel besser!" Dann hektisches Telefonieren. Doch bei der Druckerei war niemand mehr zu erreichen. Schon am nächsten Tag wurden 25 Millionen Broschüren ausgeliefert.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: 952. Jahrestagung des Nordostdeutschen Verbandes für Altertumsforschung e.V.


17.12.2008 | 20:26 | Berlin | Supertiere | Zeichen und Wunder

952. Jahrestagung des Nordostdeutschen Verbandes für Altertumsforschung e.V.


(Foto: Michael Brake)

Huggenberger ging seine Notizen noch ein letztes Mal durch. Der heutige Vortrag vor der "Arbeitsgemeinschaft Urbanes Leben im 21. Jahrhundert" würde Soltermanns "Höhlenvögel"-Theorie endgültig auch vor den konservativsten Kollegen diskreditieren. Nie war er sich seiner Sache so sicher gewesen. Unterirdisch lebende, um 2250 ausgestorbene Vögel, wie hatte Soltermann die Fachwelt so lange zum Narren halten können! Das Hauptargument des Widersachers, Glas sei für die Menschen von damals unsichtbar gewesen, stand natürlich weiterhin im Raum. Aber weshalb die Behörden ausgerechnet durch die Aufbringung von Abbildungen harmloser kleiner Tiere auf eine solche Gefahr hätten hinweisen sollen, warum nicht z.B. durch die Silhouetten junger Männer auf Feindfahrt – an dieser Stelle klaffte eine Lücke in Soltermanns Theorie, und diesmal würde Huggenberger nicht schweigen, diesmal nicht! "Warum nicht gleich Schwebfliegen!", sagte er anklagend zum Spiegel auf der Herrentoilette, und schob probehalber noch ein "Hm?" nach.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Ein schöner Tag im Lenkungsausschuss Obst


16.12.2008 | 19:01 | Berlin | Sachen kaufen | Essen und Essenzielles | Vermutungen über die Welt

Ein schöner Tag im Lenkungsausschuss Obst


Oft falsch eingeschätzt: die hohe Zahl der Vorteile der Erdbeer-Hochsaison (viele) (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Den mächtigen Vonnebrink aus dem Fruitvertrieb und Stockmann vom Markenmarketing hatte Büscheling schon auf seiner Seite. Jetzt musste er eigentlich nur noch den Bereichsvorstand Öbste & Gemüsen der Holding, also Sasel selbst, überzeugen. Das neue Vertriebskonzept war einfach und genial "Einfach genial – genial einfach" (Büscheling hatte sich antrainiert, stets in Slogans zu denken). Erdbeeren seien in erdbeerdesignten Outlets verkaufen, Mandarinen in mandarinendesignten Outlets – er hatte eine 154seitige PowerPoint mit 153 verschiedenen Outlet-Entwürfen anfertigen lassen (das Quitten-Outlet konnte auch für Kaki verwendet werden): "Wir schaffen zwei, drei, viele Generic Retail Opportunities!" Ein Vorschlag wie ein Donnerschlag, nachgerade ein Donnervorschlag.

Der Lenkungsausschuss Obst sass dann auch wie vom Donner gerührt da. Bis Perlebach – "der Komet", wie sie ihn wegen seines Aufstiegs vom stellvertretenden Leiter Steinobst zum Vizeleiter Fruchtdrittverwertung in nur neun Monaten nannten – die Frage stellte: "Und ausserhalb der Fruchtsaison?". Büscheling hatte auf die Frage regelrecht gelauert und stiess die mit den Beratungsconsultants vorbereitete Antwort hervor: "It's not a bug, it's a feature! Ausserhalb der Saison ist es 3D Fruit Advertising." So sei immer Saison, jedenfalls für die Firma, trug Büscheling überzeugend vor.

"Ein völlig korrektes Argument", befand Sasel am Abend nach der Vorstandspräsentation, aber man müsse den Kunden ihren Vorteil auch nahebringen, am besten mit einem Schild. "Wann ist überhaupt Erdbeer-Hochsaison?" "Na, jetzt!", kannte sich Büscheling perfekt aus. "Das müssen Sie natürlich auch draufschreiben". Zufrieden schenkten sie sich einen Gemüsler ein, im Übrigen eine Erfindung Sasels, der damit den sinkenden Obstler-Umsätzen der Fruchtkörperverwertung begegnen wollte.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Ein schöner Tag bei den Berliner Verkehrsbetrieben


15.12.2008 | 04:20 | Alles wird besser | Essen und Essenzielles

Deutschland, Deine Kerne


Johannes B. Kerne (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Mark Twain sah nicht nur aus wie eine Mischung der beiden antipodischen Deutschen Kaiser Wilhelm II. und Albert Einstein, sondern hatte auch eine intensive Beziehung zur deutschen Sprache. In einem seiner Werke schreibt er von zwei ihm zentral erscheinenden Worten im Deutschen, nämlich Zug und Schlag. Alles scheint ihm in den verschiedensten Kontexten und Komposita verzugt und verschlagt zu sein, mit Begeisterung beschreibt er (heute teilweise unverständliche) Gesellschaftsvorgänge rund um diese Worte; Niederschlag, Abzug, Nachschlag, Einzug, Abschlag, Aufzug, Aufschlag im Zug. Ziehen und schlagen sind eindeutig Vokabeln des letzten Jahrtausends – aber ein neues Grosswort zieht herauf: Der Kern.

Begonnen hatte es wie so vieles in einem Pudel; die erste Kernoffensive kam in Kriegszeiten mit dem Schlachtruf der Daheimgebliebenen im Ersten Weltkrieg: "Sammelt Obstkerne!". In den 1930er Jahren gelang Otto Hahn die Kernspaltung, städtebaulich wurde später die Entkernung vorangetrieben. Der Erfolg des unsympathischen Designers Otto Kern gab dem Kern ebenso Schub wie der Versuch der Atomlobby, Atomkraft in Kernenergie umzubenennen, weil sich das weniger bedrohlich anhört. Als sich im neuen Jahrtausend flächendeckend die Biosupermärkte der bourgeoisen Bohème ausbreiteten, wurde mit ihnen der Pinienkern zum bevorzugten Küchenkern.

Doch seitdem wurden kaum noch neue, verheissungsvolle Kerne eingeführt (vielleicht mit der Ausnahme eines zweiten Prozessorkerns). Um aber den Glanz des neuen Grossworts Kern zu erhalten, ist es erforderlich, einen nagelneuen Kern ins Bewusstsein der Bevölkerung zu hämmern. Die dringende Empfehlung der Riesenmaschine ist hier die Zedernuss als Nachfolger des momentanen Küchenkerns, des Pinienkerns, zu etablieren und sie bei ihrem gleissend schönen Zweitnamen zu nennen: Zirbelkern. Deutschland, mögen Deine Zirbelkerne uns den Weg in eine neue Kernära weisen! Andernfalls dürfte sich Österreich mit dem weltenergiepolitisch clever benamten Kernöl an die Spitze der Kernbewegung setzen. Oder gar die Schweiz!


12.12.2008 | 12:06 | Berlin | Nachtleuchtendes | Zeichen und Wunder

Ein schöner Tag bei den Berliner Verkehrsbetrieben


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"Machen Sie den Kunden die schiere Überfülle unserer Haltestellen irgendwie grafisch anschaulich!", hatte Klapheck gefordert, "7.432 Haltestellen, da muss man sich doch nicht verstecken, das kann sich doch sehen lassen!" Aber als es darum ging, wo sich diese vielen Haltestellen eigentlich befanden, hatte Wisseling natürlich aus keiner Abteilung der BVG Antwort auf seine Mail erhalten. Wahrscheinlich wusste man es nirgends so genau, 7.432 Haltestellen, das waren ja auch verdammt viele, wer sollte da den Überblick behalten. Na, es würde schon nicht so drauf ankommen. Erst mal Spree, Dahme und Havel aus dem Gedächtnis eingezeichnet. Dort hielten sicher keine Busse, und auch im Müggelsee nicht. Aber auf den Flugfeldern in Tegel und Tempelhof? Fuhren da nicht andauernd Busse herum? Und wo Busse waren, gab es sicher auch Haltestellen, viele Haltestellen. Die Busse der BVG hielten auch in Häusern, und in Parks, wie sollten alte und gebrechliche Bürger sonst ins Grüne gelangen? Jetzt noch die lückenlose Versorgung des Teltow- und Landwehrkanals mit Schiffshaltestellen herausstreichen. So, schon fertig. Waren es auch genau 7.432 Punkte geworden? Ach, das sollte der Praktikant übers Wochenende nachzählen.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Ein schöner Bloomstag in der Güldenkron Fruchtsaft GmbH, D-57647 Nistertal


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"The Baytown Outlaws", Barry Battles (2012)

Plus: 11, 24, 33, 35, 48, 79, 119, 142, 151
Minus: 75, 84, 99, 100, 116, 140, 211
Gesamt: 2 Punkte


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