Riesenmaschine

08.10.2009 | 11:11 | Nachtleuchtendes | Effekte und Syndrome

Alles in H0

Es ist äusserst selten, dass auf dem Feld der Kultur jemandem eine wirklich genresprengende Basisinnovation gelingt – wie Brechts "V-Effekt" oder Michael Jacksons "Moonwalk". Dass auf dem jahrhundertelang ausgeforschten Feld der Fotografie noch einmal eine neue – noch dazu analoge – Technik unsere Wahrnehmung puzzelt und unsere Synapsen knirschend neu verdrahtet, ist fast ein Ding der Unmöglichkeit.

Kein Wunder von daher, dass der Finne Miklos Gaal mit seiner verblüffend simplen Methode, Szenerien wie Modellbaulandschaften aussehen zu lassen, binnen kurzem zum internationalen Star der Fotokunst aufgestiegen ist. (Nicht zu verwecheln mit dem Street-Artist Slinkachu.) Schon vor über zwei Jahren wiesen wir darauf hin, dass die "Tilt-Shift" genannte Methode auch im Amateursegment starken Zuspruch erfährt, spätestens, seit sie alternativ zur teuren Hardware auch mittels eines simplen Photoshop-Filters zu haben ist. Entsprechend durchwachsen sind allerdings auch oft die Resultate.

Nun ist der Effekt endgültig im Mainstream, genauer gesagt: bei der Deutschen Telekom angekommen, die ihn für ihre Kampagne "Millionen fangen an" in Spots und Anzeigenmotiven benutzt – um nicht zu sagen: ausschlachtet. Bis wir uns endgültig an belebten H0-Landschaften, Mini-Fussballstadien und Liliput-Strassenszenen sattgesehen haben, schnell noch ein paar andere Tilt-Shift-Videos.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Sex in H0


06.10.2009 | 11:05 | Essen und Essenzielles | Vermutungen über die Welt

Dark side of the Brand


Wellness-Werbung für die Testosteron-Zielgruppe (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
In seinem Buch "Microtrends" weist Mark J. Penn auf die verkannte Zielgruppe der "Neglected Dads" hin, vulgo: der ganz normalen Familienväter, die aus ihrem angestammten Terrain der stupiden und gesundheitsschädlichen Freizeitaktivitäten herausgedrängt wurden, um Platz zu schaffen für die neuen aufgeklärten, körper- und umweltbewussten LOHAS-Zielgruppen. Insbesondere die Fast-Food-Industrie habe laut Penn hier im Zuge ihrer Saulus-Paulus-Neuerfindung das adipöse Kind mit dem Bade ausgeschüttet, indem sie ihre gesamten Marketing-Aktivitäten ausschliesslich auf Frauen und Mütter abgestellt hat, damit diese nicht mehr vor der Einfahrt zum Drive-in die Handbremse ziehen.

Jedoch zeigen sich erste Anzeichen einer Rückbesinnung. Während McDonald's noch immer ganz auf helles Fleisch, Pflücksalate und Latte macchiato setzt, spielt Burger King schon seit einiger Zeit wieder aggressiv die Machismo-Karte. Mit den derzeit laufenden "Angry Weeks" und den Specials "Angry Whopper", "Angry Onions" und "Angry Chicken" adressiert der ewige Zweite im Burger-Segment nun sogar explizit die Low-Prestige-Zielgruppe der zornigen jungen Männer, die es scharf und fettig brauchen und nicht nur mit ihren Ernährungsgewohnheiten gesellschaftlich anecken.

Vielleicht schlummert hinter dieser Rehabilitation der testosteronstrotzenden Unvernunft und Asozialität aber sogar mehr als ein kluger Marketing-Schachzug. Vielleicht bricht sich hier schleichend das Bewusstsein Bahn, dass Marken, die nur mit positiven Werten hausieren und ausschliesslich auf der Sonnenseite des Lebens siedeln, den Kontakt zur Realität verloren haben und nicht mehr mit den Lebensumständen ihrer krisengebeutelten Klientel im sich verschärfenden atomistischen Bürgerkrieg korrespondieren.

Heile Markenwelten, die bislang noch immer als "aspirational" galten, verlieren an Relevanz. An ihre Stelle tritt ein neues Markenkonzept, das bewusst und offensiv auch die Schattenseiten und Abgründe im Konsumkapitalismus thematisiert – mithin etwas, das die Wiener Kollegen von Ubermorgen.com schon seit gut einer Dekade als Shock Marketing propagieren. Wir stellen uns jedenfalls schon jetzt freudig ein auf die "Depressive Pepsi", den "iPod Schizo" und die "Debilen-Tarife" von Debitel.


03.10.2009 | 19:12 | Berlin | Sachen anziehen | In eigener Sache

Materie für Selbstabholer


Zur Kasse gehen (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Die Umverteilung von Materie ist eine der Hauptbeschäftigungen des Universums und seines Handlangers, der Riesenmaschine. Deshalb müssen überschüssige Riesenmaschine-Shirts (überwiegend gebraucht), bisher unveröffentlichte Riesenmaschine-Kapuzensweatshirts (neu) und 9to5-Festival-T-Shirts (auch neu) das Haus der Frohen Zukunft verlassen. Sie werden an Selbstabholer gratis abgegeben. Bei den Riesenmaschine-Shirts bitte nicht an unseren Angaben zum Verkauftheitsstatus orientieren, die stimmen nur bedingt. Bei den 9to5-Shirts handelt es sich um die Motive Arm aber WLAN, "Ich nenne es Arbeit", Ich bin nicht prekär, ich bin nur scheisse angezogen sowie einige Exemplare von "Lauf nach Hause, kleiner Hund" (teils sogar in pink). Was innerhalb einer Woche nicht abgeholt wird, kommt zur Kleiderspende und ist danach nur noch in ausgewählten Thrift Stores Nordamerikas erhältlich. Bitten um Verschickung verhallen ungehört in den Weiten des Universums.


03.10.2009 | 03:45 | Anderswo | Sachen kaufen | Essen und Essenzielles | Zeichen und Wunder

T-Shirts zu verschenken


Please enjoy what you get. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Die in letzter Zeit hin und wieder diskutierte Frage, ob es überhaupt einen freien Willen gebe, ist unzweifelhaft von einer gewissen kommerziellen Bedeutung, aber letztlich sind die Ergebnisse des ganzen Herumwollens doch einförmig und uninteressant. Schon länger erkannt haben das die Anbieter von Sneak Previews und Überraschungsangriffen aus dem Hinterhalt, jetzt hört man auch aus Japan von neuen Lösungsansätzen: Im Ogori Café (via Hacker News) bekommt jeder Kunde das, was sein Vorgänger bestellt und bezahlt hat: "Please enjoy what you get, even if you hate it." Hacker-News-Kommentator bemmu steuert ein Ogori Google bei ("You get what the person before you was searching for."). Wir wünschen uns für die Zukunft Ogori Taxi und Ogori Krankenhausaufenthalt, bekommen aber vermutlich wieder nur Weltfrieden und bessere Instantnudelsuppen, oder was halt in irgendeinem anderen Blog vor zwei Minuten gewünscht wurde.


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- Fleischiefreunde

- provokative Oberbekleidung

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"Vers le sud", Laurent Cantet (2005)

Plus: 42, 53, 77
Minus: 19, 31, 53, 55, 110
Gesamt: -2 Punkte


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