Riesenmaschine

17.09.2006 | 19:44 | Alles wird besser | Was fehlt

Innovationsdruck Kleinstadt


Vorrichtung zur Heidelbergflucht (Ausschnittsvergrösserung) (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Heidelberg, die schwitzende Kleinstadt in der Kuhle, zieht ja Menschen aller Nationalitäten in Scharen an, verpackt sie in T-Shirts mit verlorenem Herzaufdruck und stösst sie dann mit Schmackes wieder von sich, sodass sie wild um sich fotografierend über die Autobahnen spritzen. Dem liegen sicherlich physikalische Kräfte noch nicht beschriebener Provenienz zugrunde, und wer hier Einblick gewänne, dem winkte sofort Oslo, oder doch wohl jedenfalls ein Tourist aus Oslo vor dem Riesenfass im Schlosskeller. Klick, takk.

Denen, die nicht von dieser Urkraft aus der Stadt getrieben werden, bleibt nichts übrig, als die Forschung in andere Richtungen zu treiben. Qiang Zhang zum Beispiel, der an der Universität Heidelberg forschen muss, hat jetzt mit einigen Kollegen einen funktionierenden Teleporter entwickelt, um sich jederzeit aus dem ausgelagerten Kuckucksuhrherzen des Schwarzwaldes irgendwo anders hin verpflanzen zu können, nach Tübingen zum Beispiel. Seit der Entwicklung des Konzepts 1993, und der ersten geglückten Teleportation eines einzelnen Quantenbits 1998 sind wir weit gekommen, denn Zhang kann jetzt schon zwei komplette Q-Bits in einem Experiment verschicken, das nur wenige Tage dauert. Wenn der Fortschritt weiterhin mit solchen Riesenmauken daherlatscht, dann können wir schon circa 2050 das Wort "Teleportation" selbst teleportieren, in 7-qubit ASCII. Klingt wie Science Fiction, ist aber die Wirklichkeit von morgen.


15.09.2006 | 21:37 | Nachtleuchtendes

Mach den Gemüsetest


Stillhaltekönige Vegenauten.
Foto von ranjit aus der Produce Scan Serie. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Die organische Welt zerfällt bekanntlich seit Linnaeus sauber in Carnimobile, Vegenauten und Omnipotentaten, wobei der Mensch als Alleskönner zwar, wie der Name schon sagt, alles kann, vom Wurzeln schlagen übers Erjagen essbarer Flugtiere bis hin zum Verschimmeln, aber in der Regel schlechter in den Einzeldisziplinen abschneidet, als der je dafür von der Natur eingestellte Experte. Zuckerrüben zum Beispiel sind süsser als Paris Hilton, Spinat eignet sich besser zur Ernährung von Seeleuten als andere Seeleute, verschimmeltes Brot sieht um Längen besser aus als Andre Pilz, und praktisch jedes Gemüse hält besser still beim Scannen als selbst der gelähmteste Komapatientenkomparse.

Das muss aber neuerdings kein Grund für schlechte Laune mehr sein, denn immerhin diese schlechte Laune selbst produziert der Mensch immer noch besser als die Gurkenartigen. Ebenso auch gute Laune, Niesreiz, und noch eine ganze Reihe weiterer psychischer Innenausstattungen. Um das zu beweisen haben Forscher jetzt mit einem Hirnmagneten Patienten durchgezwiebelt, die andernfalls als Gemüse diagnostizierbar waren, und fanden Hirnreaktionen, die ununterscheidbar waren von denen gesunder Menschen, aber sehr anders aussahen als die von zum Beispiel Blumenkohl aussähen, wenn Blumenkohl ein Gehirn hätte und nicht nur einem gliche.

Das heisst zwar letztlich nur, dass der Mensch selbst im tiefsten Koma noch deutlich schlechter als Gemüsedarsteller abschneidet als befürchtet, aber das Praktische an uns Omnipotentaten ist ja, dass wir noch so viel anderes können. Schimmeln, zum Beispiel.


14.09.2006 | 03:31 | Zeichen und Wunder | Papierrascheln

Sechs Jahre Noah

Das Werden und Vergehen einer menschlichen Person über einen längeren Zeitraum hin zu beobachten und zu protokollieren ist natürlich nichts Neues. Die Wissenschaft tut es, die Kunst tut es, zum beliebigen Beispiel in der Dokumentarserie, die 1964 mit 7 Up! als Beobachtung Siebenjähriger startete, und dann im Siebenjahresrhythmus, zum bislang letzten Mal letztes Jahr in 49 Up! nachsah, wie es den Überlebenden geht. Die Idee also ist keinesfalls neu, aber allein für die stulle Disziplin, sich volle sechs Jahre lang jeden Tag selbst zu fotografieren, bekommt Noah Kalina ein Fleisssternchen von uns. Und der fünfminutenlange Film, den Kalina daraus zusammengebaut hat, begleitet von, was sonst, besinnlicher Klaviermusik, schickt den Betrachter nach der ersten Minute – in der man sich noch fragt, was das Ganze nun eigentlich soll – in eine angenehm entrückte Zone der Zeitlosigkeit. Während nämlich im Film sechs Jahre im Zeitraffer um Kalina wabern und flackern, geschieht im eigenen Leben wunderbarerweise rein gar nichts, und je länger der Film läuft, desto mehr schrumpft das Gehirn des Betrachters in sein Auge zurück. Bis dann am Ende... ach, nö. Selber gucken.


12.09.2006 | 13:49 | Supertiere | Alles wird schlechter

Das Zuckerbusch-Eichhorn-Massaker


So springt der wahre Tierfreund mit Freund Tier um: totgefahren, aber nackt belassen. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Der Mensch, selbst bekanntlich der grossspurigste unter den Schimpansen, ist oft nicht lieb zu anderen Tieren. Er fängt sie ein, isst sie auf, pupst in ihr Ökosystem, und benimmt sich auch sonst, als hätte er die Erde an seine Eltern verliehen und einen zweiten Kofferraum voller essbarem Geld im Keller. Am schlimmsten verfährt der Schimpanse sicherlich mit Tieren, die ihr Leben für ihn hingeben, die Massentierhaltung wäre eine evolutionäre Katastrophe, wenn sowas wie ein Weltgeist in der Evolution waltete. Waltet aber natürlich nicht.

Gegen das gezielte Foltern der fühlenden Kreatur zur Profitsteigerung verblasst natürlich einerseits jedes Andererseits ein wenig; andererseits wird es aber psychologisch besonders unappetitlich, wo beim Haustier das Elend in einer Weise sich ereignet, die dem Tier selbst gar nicht begreiflich zu machen wäre, wegen Tierdummheit, wo also nicht nur Unrecht geschieht, sondern das auch noch sozusagen schändlich hinter dem Rücken des Opfers. Zwar leidet hier womöglich das Tier selber gar nicht, aber wir Schimpansen, die wir ja hingucken müssen, fühlen den Schmerz stellvertretend doppelt und dreifach, wenn Hunde Pudelmützen tragen, Mäuse Orgel spielen oder eben Eichhörnchen selbstgebaute Kostüme tragen müssen. Solange dergleichen nagetierverachtende Gräuel fortwähren, ist doch an einen Kampf gegen Hühnerfarmen oder den Walfang gar nicht zu denken.

Diesen Beitrag wünschte sich Riesenmaschine-Leserin Maike Cölle aus Berlin.


10.09.2006 | 21:04 | Alles wird besser | Fakten und Figuren

Nicht aufgemerkt nun also


Vorbildlich: Augen zu, Wahrnehmung geschärft. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Verflixt, diese Überschrift klingt doch bekannt, woher ist das nochmal, fragt sich der Leser jetzt vielleicht. Die unbeantwortete Frage zieht wertvolle Ressourcen aus dem Lesehirn ins Rätselhirn und ganze gelesene Sätze bleiben unverstanden. Dieser hier zum Beispiel, los, nochmal lesen. Na bitte, geht doch.

Aufmerksamkeit ist ein wichtiges Tierchen in der modernen Wahrnehmungsforschung, ganze Karrieren, Institute und Konferenzen speisen sich aus der Aufmerksamkeit, die der Aufmerksamkeit zuteil wird. Die simple Wahrheit, die die Spatzen von den Dächern pfiffen, wenn sie sich nur lange genug konzentrieren könnten, lautet dabei, dass, was mit Aufmerksamkeit bedacht wird, leichter gesehen, gehört, gerochen, oder ganz allgemein aus dem Sinneswirbel gefischt wird. Der Lehrkörper mahnt gerne zur Aufmerksamkeit, bevor er den Schülern Wichtiges einzupauken sich anschickt, und "Aufgemerkt nun also" ist deshalb wiederkehrender Kehrreim in Heinrich Manns Professor Unrat (Aha! Genau!).

Ob der Leser an dieser Stelle hinreichend durch unwesentliches Füllmaterial abgelenkt ist? Wollens hoffen, denn wie nächste Woche in Nature Neuroscience zu lesen sein wird, gehen die Vorteile gesteigerter Aufmerksamkeit wieder flöten, wenn man zu lange aufmerkt. Ganz langes Aufpassen kann sogar dazu führen, dass man weniger gut wahrnimmt, als wenn man von Anfang an Papierflugzeuge geworfen oder Schiffe versenken gespielt hätte. Den Effekt kann man natürlich auch im Selbstversuch beobachten, wenn man, immer mal wieder, sorgfältig nicht drauf achtet.


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