Riesenmaschine

03.03.2011 | 01:10 | Berlin | Fakten und Figuren | Sachen kaufen | Essen und Essenzielles

Dri Wirstvirkifir mit dim Stindirtvirtil


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Ein Theorem des Ökonomen Harold Hotelling besagt, dass "rational handelnde Produzenten versuchen, ihre Produkte so ähnlich wie möglich im Vergleich zu ihren Wettbewerbern zu gestalten". Eine populäre Veranschaulichung von Hotellings Gesetz ist das Eisverkäufer-am-Strand-Problem: Wenn zwei in Konkurrenz stehende Eisverkäufer sich an einem Strand optimal platzieren sollen, werden sie am Ende Rücken an Rücken in der Strandmitte stehen, sich gegenseitig die Kundschaft wegnehmen und gleichzeitig das Konsumentenpotential an den Strandrändern nicht optimal ausschöpfen.

Eine Livedemonstration des Eisverkäufer-am-Strand-Problems liess sich neulich in Berlin beobachten. Bloss, dass es sich nicht um Eis-, sondern um mobile Würstchenverkäufer handelte. Und nicht um einen Strand, sondern um den Alexanderplatz. Und auch nicht um die Mitte des Platzes, sondern um den Ausgangsbereich des Saturn-Ladens an seiner Südwestflanke. Hier, in unmittelbarer Nähe zur Tramstation, aber in gebührendem Abstand zur stationären Burger-King-Filiale, scheint offensichtlich der optimale Kulminationspunkt für Wurstkunden zu sein.

So stehen also die Abgesandten der Triopolisten "Grillwalker", "Grillrunner" und "Wurstkönig" Seite an Seite. Und da auch der Preis (1,20 Euro) bei allen Marktteilnehmern der gleiche ist und man als Kunde unmöglich erst einen Produktvergleich anstellen kann, muss die Kaufentscheidung allein über die Schirm/Jacken/Grill-Farbkombi getroffen werden – Brand Consultants können sich mal wieder ihre senfverschmierten Hände reiben.


25.02.2011 | 09:02 | Berlin | Zeichen und Wunder

High End Irresein


Zwischen Lena und Canyon-Koller wohnt der wahre Wahnwitz (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Der Wahnsinn hat viele Gesichter, kommt gewandet in unterschiedlichster Gestalt und sickert allerorten durch die Ritzen des vermeintlich vernunftimprägnierten Alltags. Leserbriefschreiber und Blog-Kommentatoren sind nur die harmlosen Herolde dessen, was da draussen an gleissendem Irresein herumgeistert und sich an den Klowänden des Real life manifestiert. Die Königsklasse bilden in der Regel händisch im öffentlichen Raum applizierte Verlautbarungen von Verschwörungsopfern, Verfolgungswahnsinnigen und manisch Getriebenen, die gerade in Berlin so sonder Zahl sind, dass man davon kaum noch Notiz nahm. Aber das, was da jüngst harmlos eingepfercht zwischen Lena und Danny Boyle in der Nähe des Alexanderplatzes als Menetekel an einem Bauzaun erschien, verdient neuerlich unsere Beachtung. Markiert es doch eine neue Liga der hohlraumversiegelten und gleichzeitig hyperperzeptiven Komplettverstrahltheit: "8 % der [deutschen] Bevölkerung haben professionell als DVU die Post gestohlen zwischen NY + Kirche!" Da denk mal drüber nach, Welt! Und gleich danach, ob nicht doch etwas an den Gerüchten dran ist, dass die Zugvögel auf ihrer Durchreise das Berliner Leitungswasser mit LSD versetzt haben, um so das Lokalderby Freimaurer gegen Allgemeine Ortskrankenkasse auf dem Heiligengeistfeld zu manipulieren.


04.01.2011 | 00:58 | Berlin | Alles wird schlechter | Zeichen und Wunder | Effekte und Syndrome

Textcontainer


Aber hier leben, nein danke (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Hier stimmt etwas ganz gewaltig nicht, das ist festzustellen. Hier ist etwas ganz und gar aus den Fugen geraten, hier wurde zusammengefügt, was nicht zusammengehört und ein bösartiges Mash-up geschaffen, nämlich ein echter Kohlenstoffwelt-SEO-Text-Altkleidercontainer. Der zentrale und zugleich auch ekelhafteste Grundpfeiler der Suchmaschinenoptimierung (Search Engine Optimization, kurz SEO) ist ja die Keywordanreicherung von Internetseiten. Da wird zentnerweise völlig wertloser "Content" auf die Seiten geschaufelt, auf dass der allmächtige Googlegott bzw. -bot eine Internetpräsenz als wertvoll einstufe und sie fürderhin hoch "ranke", wie das SEO-Verbrecherkartell wünscht. Was passiert, wenn SEO-Texter arbeitslos werden und in der Old Economy anheuern, ist auf diesem Bild zu sehen. Dieser Altkleidercontainer steht – für jeden Menschen zu besichtigen – in 12161 Berlin, Schmiljanstrasse 15. Und je länger man ihn betrachtet, desto mehr Rätsel gibt er auf. Bleibt nur zu hoffen, dass dieser Container der einzige seiner Art ist, ansonsten waren die Bemühungen des Texters vergebens.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Telefonbuch-SEO-Schnellkurs


10.12.2010 | 11:35 | Berlin | Listen

Drei mal nein


Negative Dialektik mal anders (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Vom Schwierigkeitsgrad her nur vergleichbar dem Triple-Toeloop oder -Salchow beim Bodenturnen zählt die dreifache Verneinung zu einer der komplexesten Figuren im Feld der Rhetorik. Anders als die durch Paul Watzlawick bis in die Niederungen des Alltagsgebrauches hinein popularisierte doppelte Verneinung wird sie deshalb in der Praxis nur äusserst selten angewandt und, wo doch, misslingt sie mit frustrierender Regelmässigkeit. Die erste überzeugende Variante ist nun der Kreuzberger Antifa auf einem Spucki gelungen, der auf der Toilette des Monarch klebt und zum universellen Widerstand gegen ihre Gegenspieler aufruft. Gelingen konnte das freilich nur, weil die Antifa als Absender selbst die Negation schon im Schilde führt und ihre Anhänger obendrein fest verwurzelt sind in der Logik der symmetrisch-reziproken Annihilationsbestrebungen der Extreme. Einen kurzen Moment des kognitiven Kollapses lang wähnt man schon ein Mimesis-Manöver von rechts oder gar Anna Freuds Identifikation mit dem Aggressor am Werk, dann sortiert sich das Puzzle, und die Nonchalance der wie naturwüchsig und organisch gewachsen wirkenden filigran-riskanten Sinnkonstruktion offenbart sich schlaglichtartig in einem Kugelblitz der Erkenntnis. Alle Achtung. Da sage noch mal einer, die Antifa könne nicht kommunizieren.


07.12.2010 | 12:16 | Berlin | Alles wird besser | Alles wird schlechter

Kritische Hipster


Das Klima im Hipster-Bezirk Prenzlauer Berg wird härter.
Nicht nur der VKH, auch die Kita Bambinioase steuert gegen. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Lustig war das Hipster-Leben: Den ganzen Tag nicht erwachsen werden, mit dem Strichachter durch Mitte cruisen oder im Laptop-Café die iTunes-Playlist sharen. Später zog man dann ins puristisch gehaltene Baugruppen-Loft, investierte in indonesische Versorger, bekam Nido-Kinder und scherte sich insgesamt einen feuchten Kehricht um den Rest der Gesellschaft und die sogenannte oder auch Gentrifizierung, deren Speerspitze man nolens volens schmolens war. Tempi passati.

Was ist passiert? Vielleicht haben ein paar zu viele von ihnen den kommenden Aufstand gelesen und sich gegruselt. Vielleicht haben sie sich und ihr wohlstandsverwahrlostes High-End-Leben zu lange im Spiegel von unhappyhipsters.com angeschaut. Liegt es daran, dass im Hipster-Mutterland USA gerade das Rollenmodell für tot erklärt und historisierend einsortiert wird? Oder war es am Ende doch die hartnäckige wachsende Reaktanz der Eingeborenen in den Hipster-Problembezirken, die Konfrontation nackter Haut bei den Wohnungsbesichtigungen, das abgefackelte Auto vor der Tür, die innere Einkehr und Selbstkritik befördert und den hiesigen Hipster ins Grübeln gebracht haben?

Jedenfalls hat sich jetzt in Berlin der Verband kritischer Hipster gegründet: "ein lockerer Zusammenschluss von Menschen, die im Prenzlauer Berg wohnhaft sind und sich mit den gesellschaftlichen Entwicklungen in ihrem eigenen Umfeld kritisch auseinandersetzen." Die ersten Texte auf der Website legen tatsächlich Zeugnis ab von einem dem Hipster niemals zugetrauten Bedachtsamkeit und Selbstreflexion. Und ein aufschlussreiches Interview mit jetzt.de gibt es auch schon. Da kann man also sehen, was, Hipster Hitler zum trotz, die Hipster von den Nazis unterscheidet: Sie haben vielleicht die gleichen Frisuren, aber übernehmen ihre geschichtliche Aufarbeitung lieber selbst, anstatt sie den 38ern zu überlassen.


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