Riesenmaschine

29.04.2008 | 12:33 | Berlin | Was fehlt

The Shramps – Live!


Von allen ausgedachten Bands und Alben, schätze ich doch am meisten die interessanten. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Vermutlich hat Jorge Luis Borges in grossem Stil mit dem Quatsch angefangen. Der schickte sein Pseudonym Bustos Domecq ins Rennen, um fingierte Rezensionen fiktiver Bücher und phantasierte Homestories non-existenter Autoren abzuliefern. Auch die Vermischung von Realwelt und Fiktion war eine Spezialität des Argentiniers. Zusammen mit der Mediengestalterin Daniela Burger, die die Covers beisteuerte, hat Dietmar Dath das Prinzip von der Literatur aufs Popbusiness übertragen und unter dem Titel The Shramps mehr als 30 Rezensionen fiktiver Platten, teils real existierender, teils erfundener Bands ersponnen und erdichtet. Die schmerzlich vermisste Band "Tipsi" kommt darin ebenso vor, wie das absehbare aber verzichtbare Guns-'n'-Roses-Album "Chinese Democracy" – Musils Möglichkeitssinn macht Musik. Das ganze war eine sehenswerte Ausstellung, ist jetzt als lesenswerte Dokumentation erschienen und wird heute Abend unter Beteiligung der ebenfalls real existenten Musiker Jens Friebe und Julie Miess im Festsaal Kreuzberg vorgestellt.


28.04.2008 | 19:10 | Sachen kaufen

Kaufreizlinderung


Irgendwas (Beispiel)
Foto: Marshall Astor, Lizenz
Das menschliche Kaufverhalten wird häufig als reines Mittel zum Zweck missverstanden. Hätten wir nur früher erkannt, dass hier nichts dergleichen, sondern vielmehr eine Leerlaufhandlung vorliegt, die auch ganz ohne Schlüsselreiz funktioniert! Denn dann hätten nicht andere Menschen, sondern wir den SomethingStore (via CoolBusinessIdeas) gründen und damit auf einfache und elegante Art reich werden können. Im SomethingStore gibt es – ähnlich wie in der DDR – nur ein einziges Produkt zu kaufen, nämlich irgendwas. Irgendwas kostet zehn Dollar (Porto inbegriffen) und wird nur innerhalb der USA versendet. Mühsame und zeitraubende Entscheidungsprozesse entfallen, allerdings enthält das Überraschungspäckchen weder Organe noch Stammzellen oder Embryonen, keine Listen mit Spam-Adressen, keine Drogen, Adelstitel oder aussterbende Tiere und auch keine grossen Mengen Edelmetalle und Juwelen. Noch ist es nicht zu spät, wir werden auf diesen Zug aufspringen und im nächsten Schritt durch Weglassen des Produkts endlich das pure Kaufglück aus den lästigen Auswahl- und Besitzprozessen herausdestillieren. Interessenten können schon mal zehn Euro an die Kontonummer im Impressum überweisen, der Versand ist portofrei.


26.04.2008 | 13:27 | Anderswo | Alles wird schlechter | Essen und Essenzielles

Du willst keine Schokolade


Die schlechteste Schokolade der Welt (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Natürlich ist es sinnvoll, Hotelgästen überteuerte Getränke, Webtarife oder Medienangebote anzubieten, um dann mit Pfennigprodukten wie Schokolade auf dem Kopfkissen und Duschgel Fürsorglichkeit darzustellen. Die reisenden Schergen nehmen das schliesslich meist schulterzuckend als Service der Hotels hin. So fühlt man sich wenigstens nicht wie ein Tourist – nur jene sind gern in Hotels. Perfide wird es erst, wenn sich der an der Rezeption verteilte WLAN-Zugang (siehe Bild) als Attrappe herausstellt und man für einen flüchtigen Moment Konnektivität auch die Minibar leertrinken könnte.

Aber was hätte man 2008 schon von dieser archaischen Bauform erwarten können? Wir haben schon längst gelernt, USB-Sticks in all ihren Darreichungsformen zu ignorieren. Essbare USB-Stick-Attrappen klingeln gerade Sturm in unserem Alltag, wahrscheinlich ein letzter Aufschrei des Konzeptes handlicher Datenspeicher, bevor es wie die Internet-Verbindung im allgegenwärtigen Taschentelefon aufgehen wird und aus unserer Wahrnehmung verschwindet.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Not so hot spots


24.04.2008 | 19:28 | Nachtleuchtendes | Alles wird besser

Super Genintari

Fast alle sehnlichen Wünsche der Menschheit wurden inzwischen erfüllt: Zum Mond fliegen, Operationen ohne Schmerzen, die Abschaffung kratziger Kleidung, tragbares Internet, einen grösseren Penis bekommen in nur sechs Wochen, Pizzalieferservice – bloss auf das Gerät, das alles auf einmal kann, warten wir bis heute. Immerhin wird die Thematik nun sauber von hinten aufgerollt: Das im Video vorgestellte Super Genintari (Arbeitstitel: Leviticus) vereint endlich Super Nintendo (1990), Sega Genesis (1988), NES (1983) und Atari 2600 (1977) in nur einem Gehäuse, mit nur einem Stromkabel und nur einem TV-Anschluss (und alle vier Spiele können parallel laufen, wenn auch nicht parallel gespielt werden). Als nächstes gibt es dann einen Discman-Beeper mit Polaroidfunktion, ein Faxgerät mit VHS-Recorder und Telexschnittstelle und einen Volksempfänger mit eingebauter Laterna Magica – die Zukunft von gestern ist die Gegenwart von morgen, also sind wir schon sehr nah dran.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Übergadget Spielkonsole


23.04.2008 | 15:44 | Zeichen und Wunder | Vermutungen über die Welt | Effekte und Syndrome

SUVrealismus


Crossover zwischen Studiofotografie und Psychose (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Ein überdimensionaler Hammer droht einen Kompakt-SUV zu zerkloppen, beäugt von einem missgünstigen Flachbau mit Backsteinpranken (einem engen Verwandten des Furbyhauses) und dem Rest der debilen Skyline. Was will uns dieses dalieske Werbemotiv sagen?
Will die böse Stadt dem kleinen Qashqai ("100% urban proof") etwa an die Chromleiste? War der Fotograf auf Pilzen? Oder hat die betreuende Agentur doch nur kurz und sinnentleert den ADC-Nagel-Magneten angeschmissen und browsert nun fröhlich mit Breitreifen auf unseren Sehgewohnheiten herum? Dass die Qashqai ein Nomadenstamm aus dem Iran sind, hilft bei der Bildexegese diesmal wider Erwarten nicht weiter.


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"Lucky Number Slevin", Paul McGuigan (2006)

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