Schach – schön und gut. Go – who cares? Poker – kommt Leute, da gewinnt jeder mal. Quake 3 Arena – hallllooooo, es ist ein Computerspiel, was habt ihr bitte erwartet? Aber dass die Maschinen jetzt auch noch besser in Where's Waldo sind, das sollte uns wirklich zu denken geben.
Konkret handelt es sich um den Roboter "There's Waldo" aus dem Innovation Lab der US-amerikanischen Agentur redpepper: Ein Rasperry-Pi-gesteuerter Roboterarm, ausgestattet mit einer putzigen Hand und einer Kamera, macht Fotos von Waldo-Wimmelbildern, nutzt OpenCV um Gesichter zu extrahieren und anschliessend das noch recht neue Google AutoML Vision um Waldo zu idenfizieren. Bei mehr als 95-prozentiger Übereinstimmung schlägt die putzige Hand zu bzw. deutet auf Waldo. "While only a prototype, the fastest There's Waldo has pointed out a match has been 4.45 seconds which is better than most 5 year olds", schreibt redpepper über seine Schöpfung.
Nun kann man sich Sorgen machen, dass im Terminator-Zeitalter ein "There's [hier bitte den eigenen Namen einsetzen]"-Roboter unterwegs sein wird, bloss anstelle einer putzigen Hand mit einer putzigen AK47. Man kann das Ganze aber auch positiv sehen: Wie viel Zeit gewinnt die Menschheit bitte, wenn wir nicht mehr selbst nach diesem nervtötenden Waldo suchen müssen? Sollte es jetzt noch Roboter geben, die unsere Sudokus ausfüllen, unsere Zeit-Magazin-Kreuzworträtsel lösen und unsere Pokémon-Go-Box aufräumen, hätten wir endlich genug Freizeit, um die Dinge zu tun, die uns Spass machen.
Foto: Michael BrakeDer Druck war grösser als der eines Geysirs! Nur zwei Wochen, nachdem Merterhens seine Stelle als Junior Water Portfolio Manager bei Vilsa angetreten hatte, sickerte durch, dass die niedersächsische Traditionsmarke beim grossen Mineralwasservergleich der Stiftung Warentest mit der Gesamtnote 3,5 erneut auf einem der letzten Plätze landen würde.
Da musste schnell eine Produktinnovation her, denn wen man im traditionell sturen nordwestdeutschen Markt erstmal als Kunden verliert, den verliert man für immer. Mit Geschmack konnte Merterhens nicht arbeiten, da hätte er unweigerlich in den trüben Gewässern der Abteilung H2Obst gefischt. Auch das Premiumsegment war durch die Vilsa-Gourmet-Reihe bereits besetzt, ein darüber hinausgehendes High-Society-Produkt a la Bling H2O hätte sich nicht mit dem Vilsa-Markenkern (sauber – flüssig – bräsig) vertragen.
Zu verrückt durfte Merterhens ohnehin nicht werden: Sein Vorgänger wurde nach der Havarie seines Konzepts für "Mittelstrahlquellwasser" aus der Firma gespült. Also mied er alle Versuche in Richtung Functional Water – in Deutschland hatte sich ja nicht mal Vitaminwater durchgesetzt – oder gar mit farbigen Produkten wie der Teufel das Weihwasser.
Die Tage vor der Präsentation waren härter als eine Chinesische Wasserfolter. "Denk nach, Merte, denk nach!", feuerte Merterhens sich an. "Du hast nicht umsonst die Ausbildung zum Wassersommelier mit Auszeichnung bestanden." Dann hatte er es! Die ewige Trias aus Wasser mit Kohlensäure (classic), ohne Kohlensäure (naturelle) und, für die Generation Unentschlossen, Wasser mit ein wenig Kohlensäure (medium) wurde aufgebrochen und durch das wahnwitzig in lachsorange gehaltene Vilsa leichtperlig mit nur ganz wenig Kohlensäure ergänzt.
Es war ein Dammbruch in der Karriere von Merterhens, nun würde er bald nach ganz oben gespült. Denn mit Vilsa starkperlig – stärker als Medium, schwächer als Classic! – hatte er seinen nächsten Trumpf ja schon in der Schublade. Es muss nicht mehr viel Wasser die Weser hinabfliessen, dann würde er der jüngste Senior Water Portfolio Manager der über 100-jährigen Vilsa-Firmengeschichte sein.
Nicht so haltbare Informationen (Windell Oskay, Flickr, CC-BY 2.0)Johannes Trithemius, Abt von Sponheim, wies schon 1494 darauf hin, dass man Wichtiges nicht auf der Rückseite von Kaugummipapierchen notieren solle: "Gedrucktes aber, da es auf Papier steht, wie lange wird es halten? Geschriebenes, wenn man es auf Pergament bringt, wird an die tausend Jahre Bestand haben ... wenn Gedrucktes in einem Band aus Papier an die zweihundert Jahre Bestand haben wird, wird es hoch kommen ..."
Schon ein halbes Jahrtausend später fiel das auch auch den Autoren der Riesenmaschine auf: "Wenn allerdings nicht bald Geräte auf den Markt kommen, die Festplattenbackups auf Tontafeln brennen, werden wir womöglich einst selbst zu den Kulturen gehören, von denen nur einige rätselhaft beschriftete Jackenknöpfe bleiben." (Lexikon des Unwissens, Rowohlt 2007). Was tun, wenn das Finanzamt demnächst die Aufbewahrungsfristen aller Unterlagen auf fünfzigtausend Jahre verlängert?
Die Lösung des Problems kommt zur Abwechslung aus Österreich: Memory Of Mankind bietet genau den von uns herbeigewünschten Service und brennt zum Preis von 153 Euro alles Wichtige auf Tontafeln, die dann im Salzberg von Hallstatt gestapelt werden. Die Tafeln sind ein paar hunderttausend Jahre haltbar, und "der Ort des Archives liegt hoch genug, um bei Anstieg des Meeresspiegels nicht geflutet zu werden und damit sich bei Eiszeiten die Gletschererosion nicht stark auswirkt."
Die geschätzten Kommentatoren dieses Beitrags sind aufgefordert, Vorschläge einzureichen, welchen Beitrag der Menschheit (Umfang bis 25.000 Zeichen, mit Bildern weniger) wir für die Zukunft retten lassen sollen: Den Wikipediaeintrag über Kuhmagnete? Oder die ersten 25.000 Zeichen von Bahnübergang (Deutschland)? Ein wichtiges Igelbild? Gehen nur unseriöse Vorschläge ein, wird die Redaktion einen einzigen Riesenmaschinebeitrag ihrer Wahl brennen lassen, zum Beispiel diesen hier. Oder die Kommentarsammlung. Oder eine leere Tontafel. Dann tut es euch leid, aber dann ist es zu spät, oder wie Memory Of Mankind es ausdrückt: "Wer nicht dabei ist, wird nie existiert haben."
Der erste Schokoriegel, den man zitieren kann (Quelle, Lizenz)"Open" ist sowas wie das neue Schwarz. Gerade in der Wissenschaft: Offene Paper und offene Zeitschriften gibt es zwar schon länger, aber erst in den letzten Jahren hat das Öffnen als Generalprinzip auch den letzten Winkel erreicht. Ein gutes Beispiel ist das offene Onlinetheater Figshare, eine Art Mind-Upload-Tool für Wissenschaftler, denen das normale Publizieren zu langsam und zu eintönig ist. Erst publizieren, und zwar alles, dann weitersehen und den Dank der Welt ernten, in Form von Shares, Views und Cites, so scheint das Prinzip zu sein.
Mit Figshare ist, zumindest im Early-Adopter-Land plötzlich alles offen, der gesamte Kramhaufen der Wissenschaft liegt ausgebreitet im Kinderzimmer: Videos, Proposals, nutzlose Daten, Quatsch, Slides, Poster, alles. Warum auch nicht. Neue Genres entstehen, zum Beispiel das Genre "unmotivierte Striche auf einer Schiefertafel" oder das Genre "Speere mit Haizähnen" oder das Genre "Hefen starren mich aus Petrischalen an". Dabei ist nicht klar, ob es sich lohnt, überhaupt von Genres zu reden, zu kurzlebig und unwiederauffindbar sind die Figshare-Meme. Vielleicht muss man sich die neue, offene Wissenschaft eher wie einen unzensierten stream of consciousness einer Gemeinde aus Daten-Exhibitionisten vorstellen, nur einen Schritt entfernt vom Quantified-Self-Movement, oder eben wie einen expandierenden Hefeteig ohne Ziel und Absicht. Der Schubladeneffekt wird ersetzt durch einen Hefeteigeffekt. Wenig bekanntes Faktum über Hefeteige: Sie sind nicht durchsichtig.
An diesem Punkt angekommen, verwundert es auch nicht mehr, wenn man sich an einem Sonntag Mitte November in den offenen, geschlossenen Figshare-Hefeteig einklinkt und von Ahmad Shakerardekani begrüsst wird, einem Pistazienexperten aus Malaysia, der, nunja, unkommentierte Fotos von Pistazienprodukten in die Wissenschaftslandschaft gepostet hat. Eventuell will er damit vorführen, dass die in diskreten Einheiten natürlich entstehenden Pistazien in enger biologischer Verwandtschaft zum Pistazienurschlamm und zu malayischen Pistazienschokoladeriegeln stehen, die, so kann man schon beim Betrachten stark vermuten, im Schokoriegeltest nicht den Hauch einer Chance gehabt hätten. Yeah, science.
Die Sowjetunion konnte Bodeneffektfahrzeuge und sie konnte Grössenwahn. Die Kombination beider Fähigkeiten ergab das Kaspische Monster, das grösste Ekranoplan der Welt und bis heute eines der grössten und schwersten Dinge, die je kontrolliert die Erdoberfläche verliessen. Die Bilder und Videos vom KM sind dermassen ergreifend, dass sie weltweit mehrere Menschen dazu brachten, ihren Facebookstatus zu updaten. Das KM wirkt heute wie ein Anachronismus, ein Fehler in der Evolution, ein gigantisches Mysterium, interessant nur, weil es bizarr ist, ausgestorben, weil es nicht in die Welt passte, und damit in einer Kategorie mit den Dinosauriern, den antiken Steinkreisen und den überdimensionalen Brotschneidemaschinen der frühen Siebziger.
Pelikan demonstriert Bodeneffekt (Foto: H. Michael Miley, CC-BY-SA 2.0)Wenn das Kaspische Monster reden könnte, würde es an dieser Stelle widersprechen. Es würde uns erklären, dass es wegen des sogenannten Bodeneffekts genauso schnell ist wie Flugzeuge, aber genauso viel transportieren kann wie Schiffe, das Beste aus zwei Welten. Die beste Tragfläche ist unendlich lang, sagt das Monster, und verwendet darum eine unendlich lange Randbedingung – die Erdoberfläche –, um die ineffizienten Wirbel am Ende der notgedrungen endlichen Tragfläche unter Kontrolle zu halten. Der Bodeneffekt ist einer der vielen schönen unbekannten hydrodynamischen Effekte (siehe auch Coanda-Effekt), die gewaltige Kräfte freisetzen können, Kräfte, die direkt aus dem unordentlichen Herzen der schönen, alten Physik kommen.
Klar ist auch, dass die uns bekannten Technologien nur einen winzigen Teil des möglichen Spektrums aller technischen Lösungen abdecken, ein Teil, an dessen Rand das Kaspische Monster herummanövriert. Ohne das Genie von Alexejew, die Launen von Chruschtschow und die Zentralgewalt des sowjetischen Regimes, das unbegrenzt Mittel in ein langfristiges Projekt mit unbekanntem Ausgang pumpen konnte, hätte es das Kaspische Ekranoplan nie gegeben. Welche hydrodynamischen Monster würden andere unwahrscheinliche Umstände hervorbringen? Wieso benutzen wir Autos und keine VTOL-Fahrzeuge? Wieviele Riesenmaschinen haben wir noch nicht gesehen? Leider kann das Kaspische Monster nicht reden.