Riesenmaschine

30.11.2006 | 18:41 | Alles wird besser | Vermutungen über die Welt

Bruder Zufall


Push The Button (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Wie viel Spass hätte man an seinem Leben, wenn es so lustig vor sich hermäandern würde wie ein Samstagabend nach 8 Bier! So viele Überraschungen! So viel Freude!
Das kann man auch im Alltag haben, neuerdings sogar ohne Pils zum Frühstück: Das Projekt Random Lift Button, das zur Zeit in zwei Aufzügen an der Universität Plymouth stattfindet, nimmt aus so einem unbewussten Moment wie den schweigenden, mit an die Decke starren verbrachten Momenten im Aufzug die Berechenbarkeit und Vorhersehbarkeit. Wie fabelhaft, wie aufregend! Statt am eigenen Arbeitsplatz im siebten Stock landet man auf dem Schoss des Kollegen im dritten Stock, statt pünktlich im Meeting zu sein kommt man lächelnd 30 Minuten zu spät – Moment, was ist denn der Unterschied zu bisher?


30.11.2006 | 12:10 | Anderswo | Nachtleuchtendes

Cykelbelysning


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Ausgerechnet aus Schweden, einem Land irgendwo am Nordpol, in dem vermutlich ewige Nacht herrscht, kommt das solarbetriebene Ugglan-Fahrradlicht (via Smart Stuff). Anscheinend kann man es in Deutschland nicht kaufen, wenn man sich nicht auf das undurchsichtige postförskottsavgiften einlassen möchte. Aber stattdessen kann man zwischen zwei formschönen Solar-Grableuchten (ganz unten auf der Seite) wählen. Lieferung mit Erdspiess! Lux perpetua luceat eis.


30.11.2006 | 01:53 | Anderswo | Sachen kaufen

IKEA besorgt es der Schweiz de luxe


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Die Schweizer sind ein upgradefreudiges und -williges Völkchen, wie sich allein an den erfolgreich lancierten eigenen Premium-Linien der Supermarktketten Migros und Coop ablesen lässt. "Ganz nett, aber gibt es das nicht auch in etwas teurer?", so scheint sich der eidgenössische Konsument tagein, tagaus zu fragen und bekommt in jüngster Zeit zunehmend positiv Bescheid.

Kein Wunder, dass sich IKEA die Schweiz als Testmarkt für die Premium-Linie IKEA Stockholm ausgesucht hat. Lustiger- und listigerweise arbeitet die Teaser-Aussenkampagne genau mit der Verkehrung, die verglichen mit dem normalen IKEA-Preisniveau deutlich hochpreisigeren Objekte angesichts besseren Designs, Materials und Verarbeitung als regelrechte Preisbrecher erscheinen zu lassen. In rollenden Wohnzimmer-Anhängern kann man sich per Augenschein davon überzeugen, dass es sich bei der Handschrift zwar unverkennbar um das schwedische Gerümpelhaus mit Hang zum Sekretärinnen-Pop handelt, jedoch versehen mit einem deutlichen Einschlag evangelisches Gemeindezentrum-Mobiliar der 1970er, vulgo skandinavische Designtradition – am deutlichsten nachvollziehbar vielleicht beim aufgebockten Billy-Regal aus stellenweise massiver Eiche für 199 Euro.

Die Website hinwiederum schlägt in eine ganz andere Richtung aus, nämlich Schweinebauch-Werbung: Eine Flash-Hölle, die auf der einzigen konzeptionellen Idee beruht, überall "Super" davorzuschreiben und dieses vielleicht zu Unrecht in Verruf geratene Super-Präfix superdreist und superbrachial überzustrapazieren bis hin zur "supernatürlich" geformten Vase. Ach, in der Schweiz möchte man Werber sein, und das leicht verdiente Geld sofort wieder für all die schönen Superpremiumprodukte raushauen.


29.11.2006 | 19:40 | Alles wird besser

Google macht Krankheiten


Foto: plindberg
Hypochonder benutzen Suchmaschinen seit Jahren, um herauszufinden, woran sie genau leiden. Man erinnert sich zum Beispiel gut an den herrlichen Tag, an dem klar wurde, dass die leichten Brustbeschwerden, die einen seit Ostern plagen, klare Anzeichen einer schweren Angina Pectoris sind, an der man bis Mitte Mai verstorben sein wird. Ebenfalls gut belegt ist ein überdurchschnittlich hohes Vorkommen von Hypochondrie unter Ärzten. Daher stimmt es versöhnlich, dass jetzt auch Ärzte Google zur Diagnose verwenden, und ausführlich im British Medical Journal darüber berichten. In 15 von 26 getesteten Fällen lieferte Google nach Eingabe von ein paar fachkundig ausgewählten Symptomen nicht etwa eine besonders attraktive, sondern gar die richtige Krankheit. Das heisst, nicht ganz, das richtige Ergebnis fand sich nur unter den besten drei Treffern. Oh, und bei den drei besten Treffern handelt es sich nicht um die drei besten Googletreffer, sondern drei aus den ersten 30 Googletreffern manuell ausgewählte Ergebnisse, die "am besten zu passen scheinen". Und, ach, besonders spezifische Symptome muss die Krankheit auch haben, sonst geht es gar nicht. Und ausserdem ist Google natürlich ein kapitalistisches Schwein mit vier brennenden Köpfen. Aus diesen und anderen kleinlichen Gründen sind die Kommentare der typischen BMJ-Leser sowie der typischen Heise-Blogger von Missmut, Argwohn und Magenschmerzen (Gegenmittel: Raphanus sativus, Gartenrettich, zweiter Googlehit) geprägt. Die wichtige Botschaft der BMJ-Studie jedoch, die optimistisch und zukunftsfroh stimmt, lautet wie folgt: Wenn man sich auskennt und das Richtige eingibt, kann man mit Google alles finden. Andersrum: Wenn man unbedingt krank sein will, wird Google das auch bestätigen. Es ist wie der Nikolaus, dieses Internet, man sagt etwas Belangloses und dann kriegt man etwas Schönes, zum Beispiel das "Churg-Strauss-Syndrom". Sogar Atombomben soll es dort ja geben!


29.11.2006 | 11:29 | Gekaufte bezahlte Anzeige

DoorOne salzt den Klops


Irgendwas muss man ja essen (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Dieses Land ist tief gespalten. Da gibt es auf der einen Seite diejenigen, denen es weder an Saus noch an Braus mangelt, und wenn doch, dann kaufen sie sich einfach neue. Fällt ihnen einmal die Diamantbrosche in den Gully, dann jammern sie nicht, sondern suchen sich bei DoorOne, dem Rolls-Royce unter den Shopping-Portalen, unter vielen bildschönen Angeboten einen Ersatz aus.

Aber denken wir – gerade jetzt in der Vorweihnachtszeit – auch immer daran, dass mitten unter uns Menschen leben, denen es nicht so gut geht wie uns, weil sie nicht mit DoorOne einkaufen. Wenn man's denn überhaupt Leben nennen mag, dieses eintönige, freudlose Dahinvegetieren: "Wir wollen nicht zum Essen kommen, Mutti, es gibt ja eh wieder nur das gleiche doofe Fertiggericht wie jeden Tag", mault der dröge Nachwuchs, ohne von seinem Ballerspiel aufzublicken.

Dabei wäre es doch so leicht für Mutti, ihre Blagen abwechslungsreich zu ernähren! Sie müsste nur einmal bei DoorOne den Suchbegriff "Fertiggerichte" eingeben, und schon bekäme sie 35 Treffer angezeigt. Was aber tut sie nun, um in der Informationsflut nicht unterzugehen? Ganz einfach: Sie sortiert die Treffer nach Preis, von niedrig nach hoch, und schon weiss sie, was sie die nächsten Jahre kochen wird: Königsberger Klopse.

"Was passt euch denn jetzt schon wieder nicht, Zoë-Chrysanthème und Mehmet-Elvis?" – "Eine Prise Salz wäre den Klopsen überaus zuträglich." – "Einen Augenblick, ich bestelle schnell welches bei DoorOne." Great Gosh Almighty! 1633 Treffer! Donner und Doria, welch ein Spektakel! Doch Mutti behält die Nerven. Sie grenzt die Suchergebnisse ein, die coole Sau. Über die Abbiegungen "bis 10 €" sowie "Ernährung" kommt sie ans Ziel. Nun kann sie wählen zwischen Kristallsalz-Haliten aus dem Himalaya (€9,90 für 1000g), VitaCron Kräuter-Würz-Salz (€3,50 für 200g) und Quellsalz aus Rio Maior (€5.- für 500g). Der Preisvergleich ergibt: Am günstigsten ist das Original-Bullrichsalz (nur €1,89 für 250g). Und wenn Mutti beim Einkaufen so viel Geld sparen kann, dann reicht's vielleicht sogar noch zu einem neuen Ballerspiel unterm Christbaum.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Das neue System der Dinge

Klaus Cäsar Zehrer | Dauerhafter Link | Kommentare (4)


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