Riesenmaschine

26.08.2010 | 01:44 | Berlin | Alles wird besser | Papierrascheln

Drei Dimensionen sind mehr als zwei


Brille auf und los. (Foto: jimf0390 / Lizenz)
Mit einer Sonderbeilage und einer beigelegten 3D-Brille beglückte die Berliner Zeitung heute ihre Leser. Auf dem Titel wurde das Ganze bedeutsam angekündigt: "Beamen wie auf dem Raumschiff Enterprise – das klappt noch nicht. Aber Bilder in einer neuen Dimension zu erleben, das schon. 3-D heisst das Zauberwort der multimedialen Zeit. Ihre Berliner Zeitung führt sie in einer Beilage auf 24 Seiten durch diese faszinierende Welt. Brille auf und los."

Nun konnte man die Brille nicht direkt "auf" setzen, weil sie keine Bügel hatte, aber macht ja nichts: Wir begrüssen natürlich trotzdem, dass jetzt, 147 Jahre nach der Entwicklung des Anaglyphenverfahrens, auch die Printzeitungswelt in den 50er Jahren im multimedialen Zeitalter angekommen ist (auch wenn wir bisher eher "Cyberspace", "Augmented Reality", "Hypertextualität", "Smartphone-Technologie" oder vielleicht noch "Diaporama", "Geruchskino" oder "Force Feedback" für dessen "Zauberworte" hielten). Toll auch, dass nebenbei noch eine neue Dimension entdeckt wurde – das kommt nicht so oft vor – und tatsächlich die gesamte Beilage in 3D gedruckt wurde, sogar die 12,5 – viel mehr als sonst! – Anzeigenseiten. Und in Farbe.

An dieser Stelle sei noch auf die bevorstehenden 4D-Wochen der Riesenmaschine hingewiesen. Eine von unseren professionellen Mitarbeitern sorgfältig redaktionell betreute Artikelserie beschäftigt sich umfassend mit 4D-Journalismus und unsere Anzeigenabteilung hält interessante Specials für den Aktionszeitraum bereit. Nutzen Sie jetzt den Frühbucher-Bonus!


24.08.2010 | 10:14 | Anderswo | Vermutungen über die Welt

Geostrategisches Denken 101


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)

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Der Unterschied zwischen Europäern und Amerika sei, heisst es, dass Europa nicht geostrategisch dächte, während die Amis den Globus als grosses Risiko-Spiel begreifen würden. Zumindest für Deutschland kann man als Ursache annehmen, dass der erste Versuch in Sachen Weltherrschaft gründlich schiefgegangen ist. Aber auch das können wir von den USA lernen, und zwar einen anderen, toleranteren Umgang mit dem Scheitern: Try again. Fail again. Fail better. Zum besser Scheitern eröffnet sich jetzt, da im Westen Amerika abkackt und im Osten der aufgeweckte Riese China zur Morgengymnastik ansetzt, eine welthistorisch günstige Gelegenheit. In diesem Zusammenhang hier für alle angehenden Geostrategen in Berlin eine kleine Denksportaufgabe, die sich aus der Zusammenschau zweier aktueller Magazincover ergibt. Wenn der Economist diese Woche aufmacht mit: "Contest of the Century – China v India" und der SPIEGEL zeitgleich titelt: "Die Rivalen – China gegen Deutschland: Kampf um die Weltmärkte" – wie muss dann unser natürlicher Verbündeter im Kampf um die Weltherrschaft heissen? Kleiner Tipp noch: Heinrich Harrer und Subhas Chandra Bose waren da schon einmal – wenn auch zur Unzeit – auf der richtigen Fährte...


23.08.2010 | 13:55 | Was fehlt | Papierrascheln

Portrait der Madame von Loe auf ihrem Sofa


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Realitätsfiktionen bei der Arbeit. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Nachdem das iPad nun eine Weile in der Welt ist, die Wartelisten gut gefüllt, und die Plakate wieder abgehängt sind, wird es Zeit für ein in historischen Dimensionen denkendes Medium wie die Riesenmaschine, einmal nachzuschauen, was es denn mit den Realien hinter der so puristisch-real wirkenden Einführungskampagne auf sich hat. Das bemerkenswerte an dieser war ja, dass sie Authentizität durch Schlichtheit herzustellen versuchte, wodurch jedem sichtbaren Detail maximale Bedeutung zuwuchs und man hochgradige Inszeniertheit im Hintergrund witterte. Zu sehen waren aus subjektivem Kamerawinkel vor weissem Matrix-Hintergrund die Rümpfe, und insbesondere die entspannt gelagerten Beine und topmodisch verpackten Füsse, die die eigentliche Aussage transportierten: Das Internet wird zum Lean-back-Medium. Dadurch konnten die Motive – auch das ein gewisses Novum – gänzlich ohne Text auskommen, bis auf die vier Buchstaben "iPad" und das Apple-Logo. Stimmt aber gar nicht. Auf den gezeigten Displays war sehr wohl Text zu sehen, eingebunden in alltägliche und wie schnappschussartig aufgenommene Nutzungssituationen – und die haben es durchaus in sich. Das annoncierte neue Youtube-Musikvideo von Juliette Lewis beispielsweise ist hierzulande aufgrund von Urheberrechtsstreits in Deutschland nicht abrufbar.

Anspruchsvoller gerät die Realitätsfiktion im Falle von Facebook, womit sich ja auch andere Anbieter bereits schwer getan haben. Aber Apple sollte das doch eigentlich hinbekommen. Da meldet also eine Theresa von Loe in himmelblauer Jeans und flachen Wildleder-Sneakers, offensichtlich frisch zurückgekehrt aus einem gelungen Surfurlaub in Südfrankreich, auf die Pinnwand-Anfrage einer gewissen Nadine Nederbrö (607 Freunde, darunter der Werber Oliver Voss, 14 Profilbilder), die cheesy Anmache eines Timm Weber salopp ignorierend, dass sie, von Loe, sehr gern mit ihr, Nederbrö, Kaffee trinken gehen würde, wenn diese ausgepackt habe. Anscheinend waren die beiden nicht im selben Urlaub, sonst würde Nederbrö nicht ihre Ungeduld hinsichtlich des Wiedersehens thematisieren, aber kehren zufällig zeitgleich zurück. Vielleicht war sie vor dem Südfrankreich-Urlaub auch auf von Loes Party, die weiter unten Thema ist, und zu der Daniel Frericks, seines Zeichens Creative Director bei Jung von Matt, es leider nicht geschafft hat, von der ihm aber zu Ohren gekommen ist, "dass ihr viel Spass hattet!"

Wer ist nun aber diese am 14. Mai 1984 geborene, ergo 26jährige Theresa von Loe, die einen Ausschnitt ihres postadoleszent-bewegten Lebens voller "Quality Time" in einer Apple-Kampagne öffentlicher macht, als sie das inzwischen auf ihrer Facebook-Seite tut. Von den dort angezeigten 193 Freunden werden dem nicht persönlich befreundeten Nutzer (die Freundschaftsanfrage wurde noch nicht beantwortet) nur eine schmale Auswahl angezeigt, darunter ein Scherzkeks namens Schmuddel Wetter (129 Freunde), Akanita López Momota (aka Akane Bihac, 176 Freunde) und die freizügige Lynn Klinkert. Auch das Internet weiss nicht viel über Theresa von Loe. Handelt es sich um eine Praktikantin, die zufällig bei der adaptierenden Agentur im Weg stand, deren digitale Unbeflecktheit sie gerade für den Part prädestinierte? Oder doch um eine sehr gut gebaute fiktive Person, die wie wie Zelig mit so vielen realen Personen umstellt wurde, dass sie am Ende echt erscheint? Und kann man das heute, im Zeitalter des Instant-Ruhmes und der Bastel-Identität überhaupt noch sinnvoll unterscheiden? Wie auch immer: Wir würden uns wundern, wenn Theresa von Loe gänzlich wieder in der Versenkung verschwände, aus der sie über uns kam. Der Google-Alert ist eingerichtet.

Update: Theresa von Loe hat unsere Freundschaftsanfrage akzeptiert, verfügt inzwischen über 266 Freunde, die sie als Fake beschimpfen, und postet Sätze wie " Ich geniesse die Stille am Rande des Nirgendwo ... einfach nur schön!"

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Facebook according to Nokia


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