20.02.2006 | 13:02 | Fakten und Figuren | Essen und Essenzielles
Pilze sind auch nur Menschen und teilen sich als solche in Gewinner und Verlierer. Es kommt immer darauf an, wie man sich verkauft. Besonders deutlich erkennt man das an zwei Musterbeispielen, Shiitake und Mu Err. Beide haben ursprünglich fast identische Ausgangsbedingungen, sie sind asiatischküchige Pilze, die unter Kennern für ihr pilziges Aroma bei zurückhaltendem Eigengeschmack gelobt werden. Beide wachsen an Bäumen. Der Shiitakepilz aber ist ein cooler Selbstdarsteller, der schnell die Regeln des europäischen Marketing durchschaute und seinen Namen klug gewählt hat. Denn ein japanischer Klang im Namen garantiert fast automatisch die Zuordnung zum Premiumsegment eines Konsumguts, Sushi, Muji und Issey Miyake haben es vorgemacht. Der Mu Err Pilz dagegen verschaffte sich offenbar ohne Kenntnis der speziellen Geschichte Deutschlands hier zunächst unter dem äusserst ungeschickten Namen "Judasohr" Marktgehör. Als über diese Namenswahl Gras gewachsen war, entschied man sich bei Mu Errs, den chinesischen Namen Mu Err (dt. Holzohr) auch auf dem mitteleuropäischen Markt beizubehalten. Ein fataler Fehler, denn inzwischen war der unfassbar widerwärtig schmeckende Schlankheitstee Pu Err in den begrenzten Markt der mit "-u Err" endenden Produkte eingedrungen und beherrschte diesen. Negativer Image- und damit Geschmackstransfer blieb nicht aus.
Auch die Gestaltung des eigentlichen Pilzes gelang Shiitake hervorragend. Viel pilzhafter als ein schöner, einzelner Shiitake kann pilz nicht aussehen, die zugkräftige Nahrungsmittelexotik sei im Namen ausreichend transportiert, fand man im Hause Shiitake zu Recht. Wie sehr stösst einem dagegen die ausgesprochene Durchfallhaftigkeit des Mu Err Pilzes auf, nein, appetitanregendes Fooddesign ist im Hause Mu Err ein Fremdwort.
Und so verwundert es kaum, dass der Markt klar aufgeteilt ist. Shiitake, der sich geschickterweise in Asien als "Heilpilz" verehren lässt, ist im günstigen Fall für 9,00 Euro je 100 Gramm zu haben, Mu Err nimmt 9,50 Euro – für 500 Gramm. Und das, obwohl Mu Err letztlich eine wesentlich breitere Marktdurchdringung und damit Nachfrage vorweisen kann. Denn der undefinierbare Glibber, der in wirklich jedem chinesischem Billiggericht ist – genau das ist Freund Mu Err.
Dieser Beitrag ist ein Update zu: Heute: Pilztag in der Riesenmaschine!
19.02.2006 | 05:24 | Berlin | Anderswo | Fakten und Figuren
 Nash-Gleichgewicht im Cournot-Duopol (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Spiegel und BZ berichten in dieser Woche einhellig über einen Preiskrieg unter Dönerbuden, der dadurch zustande komme, dass immer mehr arbeitslose Türken auf den Markt drängten. In Düsseldorf sei der Preis für einen Döner laut Spiegel zwischenzeitlich auf 1,79 Euro gefallen, in Berlin-Neukölln laut BZ gar auf 79 Cent, was nicht nur etwas über die mutmasslichen Grenzkosten verrät, sondern auch über die ökonomische Realität beider Städte. Berliner werden sich vielleicht an den grossen Pizza-Krieg Anfang der 90er Jahre erinnert fühlen, der zum Shake out mit galoppierendem Qualitätsverlust unter den italienischen Restaurants dieser Stadt führte. Wettbewerbstheoretisch dürfte es sich hierbei, da es den Anbietern nicht gelingt, sich über die Produkteignschaften signifikant zu differenzieren, um einen lupenreinen Fall des Cournot-Spiels handeln, bei der sich alle Wettbewerber so lange über den Preis herunterkonkurrieren, bis die Preise Grenzkostenniveau erreichen und niemand mehr einen Gewinn erzielt. Bei asymmetrischen Kosten scheiden diejenigen Marktteilnehmer mit der schlechtesten Kostenstruktur aus dem Markt aus, was von den anderen nicht nur billigend in Kauf genommen, sondern über temporäres Dumping sogar noch forciert wird, daher auch die Bezeichnung Cutthroat Competition.
 Hotellings Theorem in kompliziert (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)In diesem speziellen Fall scheint auch noch das Allmende-Dilemma, im Englischen Tragedy of the commons hinzuzukommen, wonach der Markt der Dönerkäufer mangels Zutrittsbarrieren ähnlich überfischt wird wie die Weltmeere, während allen längst das Zeug zum Hals raushängt. Auch Harold Hotellings Theorem, wonach zwei Eisverkäufer, die sich an einem langen Strand positionieren müssen, Rücken an Rücken in der Mitte landen werden (das sich im Übrigen auch auf die Politik übertragen lässt) mag mit hereinspielen und erklären, warum sich alle Dönerbuden in Neukölln massieren und nicht etwa auch mal eine in Charlottenburg aufmacht. Genau haben wir das aber noch nicht ausgearbeitet, verweisen an die zuständigen Lehrstühle und verzichten einstweilen in toto auf den Dönerkonsum, um die Marktbereinigung möglichst zu beschleunigen.
18.02.2006 | 14:33 | Fakten und Figuren
 Sieht keinem Massenmörder ähnlich (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Heute ist der 18. Februar. Es sind also noch volle vier Tage bis zum "World Thinking Day", aber weil man den "World Thinking Day" natürlich ignoriert (ungefähr so wie den "Internationalen Frauentag" am 8. März), sollte man das Ereignis besser jetzt schon kommentieren. Dieses Jahr geht es unter anderem darum, über die "Gefahren von Drogen", die "Entdeckung des eigenen Potentials", "Rauchverbote überall" und "gesunde Ernährung" nachzudenken, an diesem Weltdenktag. Das ist sicherlich eine extrem spannende Beschäftigung, aber es bleiben ja noch vier Tage, es wieder zu vergessen.
Wie sicherlich jeder weiss, wäre am 22. Februar Sir Robert Stephenson Smyth Baron Baden-Powell von Gilwell 149 Jahre alt geworden. Baden-Powell, ein Mann, der aus verschiedenen Gründen hätte berühmt sein können, zum Beispiel wegen seines schillernden Namens oder wegen seiner Frau Lady Olave, die seltsamerweise genau am selben Tag Geburtstag hat, zog es vor, sein Leben im englischen Militär mit Buren und Afghanen zu verbringen, nachdem sich herausgestellt hatte, dass er zu dumm für die Universität war. Mit 44 hatte er auch keine Lust mehr auf Kriegsspiele, und nur sechs Jahre Pensionierung reichten ihm, um auf die tolle Idee zu kommen, die erste Pfadfindergruppe der Welt zu gründen. Baron Baden-Powell verdanken wir das Prinzip "Learning by doing" und so wichtige Kalenderweisheiten wie "Versucht, die Welt ein bisschen besser zurückzulassen, als Ihr sie vorgefunden habt."
Ein Lehrsatz, gegen den er selbst allerdings irgendwie verstossen hat, denn hätte er sich einfach im Burenkrieg erschossen, dann gäbe es weniger Kalenderweisheiten, weniger gute Menschen und gar keine Pfadfinder. Alte Frauen wären noch in der Lage, alleine über die Strasse zu gehen, und die Hutmode wäre deutlich weniger zurückgeblieben. Niemand kann beziffern, wieviel Leid und Missbehagen die Pfadfinderbewegung über die Menschheit gebracht hat, und zwar weil es so unermesslich viel ist. Darüber könnte man nächsten Mittwoch vielleicht wirklich mal nachdenken.
16.02.2006 | 17:38 | Fakten und Figuren
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Der zweifelsfrei schlechteste, aber meistbeachtete Grafiker der Welt ist derjenige, der bei der Firma Google dafür zuständig ist, das Logo zu besonderen Anlässen zu behübschen, momentan zur Winterolympiade in Turin wieder mal ganz besonders harsch. So harsch wie der Schnee auf der Langlaufloipe von Sestriere. Willy Fleckhaus hingegen war der beste Grafiker der Welt, und auch das ist frei von Zweifeln, und auch nach seinem Tod arbeitet seine von ihm beim Suhrkamp Verlag aufgebaute Grafikdivision an seiner schnörkellosen, klaren und logischen Vision weiter. Anlässlich des 75. Geburtstags von Thomas Bernhard haben sie eine seiner schönsten, autobiografischsten und ungewöhnlich versöhnlichen Geschichten (trotz einer sterbenden Perserin) neu aufgelegt, deren Cover, und das ist nun wirklich genial, nicht zufällig der orangenen Serie des grossen Bernhardvergötterers Rainald Goetz (Rave, Koons, Abfall) ähnelt. Googlemann, liest Du das?
16.02.2006 | 11:44 | Anderswo | Fakten und Figuren
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Der 16. Februar hat sich in der Weltgeschichte bisher nicht unbedingt hervor getan und taugt allenfalls zu nationalen Gedenkanlässen. In Deutschland wäre das die Sturmflut von Hamburg, für die Nordkoreaner, naja, für ein paar von ihnen, ist dieser Tag hingegen ein Anlass der Freude. Denn heute vor 64, evtl. auch 65 Jahren, man weiss es nicht so genau, wurde ihr [Titel wie gelobter Führer der fantastischen Revolution o.s.ä. einsetzen] Kim Jong-Il geboren. Westliche Häretiker glauben die 65-Jahre-Variante und dass Kim in einem sowjetischen Ausbildungslager auf die Welt gekommen sei. Tatsächlich handelte es sich allerdings um ein Widerstandslager am Fusse des Paektu-san, des höchsten Berges Koreas, und das Ereignis wurde von einem doppelten Regenbogen samt heiligem Stern verkündet.
An seinem Jubeltag wird Kim vielleicht ein paar Runden mit seinem Panzerzug drehen, sein Volk ein bisschen weiter verhungern lassen, sich einen Film anschauen oder im Hobbykeller an seinen Atombomben basteln. So genau weiss das aber keiner, denn ab und zu verschwindet Kim auch einfach mal. Und dass, obwohl sich manche Leute wirklich Mühe geben, ihn nicht aus den Augen zu verlieren.
Nicht nur im Führerbunker von Pjöngjang, auch in Grönland ist der 16. Februar ein Anlass zur Freude, denn vor 26 Jahren wurde das Land von seinen dänischen Gutsherren in die Innere Selbstverwaltung entlassen. Ein schönes Geschenk zu diesem Anlass hätte die FIFA bereiten können, denn schon lange wünschen sich die Grönländer eine eigene Fussball-Nationalmannschaft. Sogar die andere dänische Autonomieregion, die Färöer-Inseln, hat eine und Grönland muss bloss deshalb warten, weil ausgerechnet auf der Insel, die bei ihrer Entdeckung den Namen "Grünes Land" erhielt, kein bespielbarer Rasenplatz existiert. Seit kurzem reicht aber auch ein Kunstrasenplatz für die Anerkennung. Wir hoffen also das Beste, für Grönland und für Nordkorea, an diesem famosen 16. Februar.
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IN DER RIESENMASCHINE
ORIENTIERUNG
SO GEHT'S:
- Fang-den-Hut beim KKK
- Knax-Musical
- Güldene Gestade aus Brokat
- BurgBett (Bett in Burgform)
SO NICHT:
- extrem kleiner Pimmel
- Purzelbäume machen für Schokolade (wenn man 44 ist)
- Hitler verharmlosen
- Knick im Laptop
AUTOMATISCHE KULTURKRITIK
"Yoga Hosers", Kevin Smith (2016)
Plus: 8, 9, 10, 48, 49, 67, 78, 80, 142 Minus: 14, 59, 119, 146, 176, 189 Gesamt: 3 Punkte
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