Riesenmaschine

17.07.2005 | 04:34 | Alles wird schlechter | Was fehlt | Sachen anziehen

Aus der Hosenbeinforschung

Seit 1878 gibt es jetzt den Kettenantrieb am Fahrrad, Tausende von fahrradtechnischen Innovationen hat die Welt seither erlebt, aber eins der grundlegendsten Probleme bleibt ungelöst: Wie lässt sich ohne Coolnesseinbußen das rechte Hosenbein vor Schwärzung und Aufgefressenwerden schützen? Hochkrempeln geht natürlich nicht, wer fluoreszierende Klettbänder oder stählerne Hosenbeinklemmen trägt, der benutzt auch Ärmelschoner und Tintenkiller, und Hosenbein in die Socke stopfen ist nur Menschen erlaubt, die die Ohren unters Toupet stecken. Die in den letzten Jahren gern mal in Hosenbeine eingelassenen Seilzüge schaffen keine nennenswerte Linderung. Eine Verstärkung aus LKW-Plane an der entscheidenden Stelle, Hosenhersteller aufgepasst, wäre schon mal ein gewisser Fortschritt. Aber vermutlich erübrigt sich jede Überlegung zu diesem Thema schon sehr bald wieder bis auf weiteres, denn vorige Woche war in den H&M-Regalen bereits das zu sehen, vor dessen unausweichlicher Wiederkehr Zukunftsforscher seit Jahren warnen: Enge Hosen.


15.07.2005 | 17:19 | Alles wird besser | Alles wird schlechter | Sachen anziehen | Vermutungen über die Welt

Textile Displays


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Wir alle sehnen uneingeschränkt die Marktreife von grafikfähigen, elastischen Displayfolien von der Rolle herbei. Was danach kommt, liegt angesichts des Trends zum anziehbaren Digitalium auf der Hand: Das Wearable Display. Ausgestattet mit einer eingewobenen Kurzstreckenfunkantenne meldet sich das neuerworbene T-Shirt per Bluetooth als Ausgabemedium beim Mobiltelefon an. Vorbei sind die Zeiten, in denen veraltete Heavy-Metal-Tourdaten-T-Shirts das Straßenbild störten. Zukünftig teilt uns die ausgewaschene Oberbekleidung unserer Mitmenschen minutenaktuell mit:
Motörhead – Jul 17/05 Wiesen, Austria Forestglade (CANCELLED), Oct 7/05 Gothenburg, Sweden Scandinavium (noch 232 Karten an den Vorverkaufskassen) Am Ärmelbund rotieren die Headlines des Tages gefolgt von der aktuellen Wettervorhersage.

Auch Peer-To-Peer-Anwendungen sind denkbar: In der Bahn beispielsweise lässt sich das Top des Gegenübers als Pong-Spielfeld verwenden, während auf der eigenen Brust "Fight Club" läuft. Größere Oberweiten sind zugunsten einer verzerrungsfreien Wiedergabe zu meiden. Für den modernen Opportunisten bietet sich der Abgleich des Aufdruckes mit den in der gleichen Funkzelle angemeldeten Bekleidungsstücken an. So wird aus "Bier formte diesen wunderschönen Körper" im Nu "Unterwegs im Auftrag des Herrn", sobald die Kirchentagsbesucher im Kleinbus vorbeifahren. Auseinandersetzungen zwischen Fußballfans können so auf ein Minimum reduziert werden.

Aber auch auf Gefahren und Risiken soll hier hingewiesen weden. Denn Jamba!, die taschengeldfressende, kreischende Klingelton-Krake ist stets auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern. Schon kurz nach Markteinführung der Display-Shirts werden Kooperationen mit den Herstellern geschlossen, die sich darin verpflichten, sämtliche Bekleidungsstücke mit Unerträglichem vorzukonfigurieren. Besonders beliebt werden kurze Animationen sein, ähnlich den animierten GIFs aus der grauen Vorzeit des Webs.
Blinkende Werbebanner werden das Straßenbild prägen, da sie den Kaufpreis der Wearware auf 1 Euro Asterisk reduzieren. Das Kleingedruckte überlässt dem Betreiber den eigenen Oberkörper als beliebig bespielbare Werbefläche. Wer das alles nicht will, wird seufzend die gelb-gefiederte Geflügel-Widerlichkeit auf der neuerworbenen Anziehsache durch das kostenpflichtige "Weg!"-Motiv aus der Spar-Abo-Kollektion ersetzen müssen.

Egal, trotzdem! Her mit den Displayfolien! Wie lange sollen wir denn noch warten?


15.07.2005 | 14:50 | Sachen kaufen | Sachen anziehen

Polyester Rawhide


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Die Wrangler Wrancher Stretch Jeans ist eine Art Sonntagsjeans für echte amerikanische Cowboys, und sie ist wahrscheinlich die perfekte Hose: sie sitzt immer astrein, sie sieht immer elegant aus, und niemand sonst besitzt eine. Die Wrancher wird aus robustem Polyester angefertigt, hat eine eingebaute Bügelfalte und einen coolen Boot Cut. Sie sieht natürlich besonders gut aus mit Cowboystiefeln, aber auch mit Turnschuhen oder modernen Retro-Schlappen. Obwohl sie aus Plastik ist, schwitzt man in der Wrancher weniger, als man erwarten würde – und wenn doch, dann dauert es ewig, bis die Feuchtigkeit durchschimmert. Und weil sie gutmütig stretcht, macht es auch nichts aus, wenn man zwischendurch mal etwas mehr isst. Es gibt die Wrancher in 14 Farben, unter anderem in abenteuerlustigem Weinrot und dezenter Birke. Wenn man die Wrancher mag, kann man sich gleich fünf oder sieben verschiedene Farben kaufen, dann braucht man auf Jahre in keinen Hosenladen mehr. In Deutschland wird diese Superhose leider nicht angeboten, sondern nur in Amerika – und auch dort nur in abgelegenen Gegenden, wo es noch richtige Cowboys gibt, sowie in Cowboy-Online-Stores wie dem wunderbaren Shepler's. Die Wrangler Wrancher. The Jeans to end all Jeans.


13.07.2005 | 10:48 | Berlin | Sachen anziehen

Hawaiiirritationen


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Der aufmerksame Betrachter urbanen Lebens wird diesen Sommer am neuen modischen Drama nicht vorbeigesehen haben können. Hawaiihemden sind nicht länger deutliches Zeichen der sozial benachteiligten oder sehschwachen Schichten, nein, in diesem Sommer kann jeder Geschmacksverirrte unabhängig von Haushalts-Nettoeinkommen und Dioptrien-Wert zum Hawaiihemd greifen. Schlimmer noch das Hawaiiaccessoire wie die Blumenkette, in seiner traurigen Gesamtheit zu bestellen bei tikimaster.com oder dem deutschen, preiswerteren Falksson-Shop.

Mit der textilen Tragödie rollt auch ein kultureller und gastronomischer Tiki-Tsunami durch die Städte. Obwohl niemand so genau weiss, wie Tiki schmeckt, scheint Tiki das neue TexMex zu sein: bald wird es Tropical Whatever und Pina Cococolada oder Ähnliches auch in Göttingen und Heidelberg geben.


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Klar ist, dass Hawaii das Next Big Thing sein wird. Das Prinzip Riesenmaschine zeigt aber erstmals unmissverständlich, warum das so ist. Nach dieser GfK-Studie (PDF) sind die wichtigsten Kunden 30 bis 40jährige Frauen – denn sie kaufen nicht nur für sich, sondern auch für ihre Kinder und Männer ein und bestimmen so das textile Stadtbild. Diese Frauen wurden in den 70er Jahren sozialisiert, und wenn man sich das massgebliche Sozialisiationsinstrument für Mädchen ansieht, weiss man, wo der aktuelle Hawaiitrend seine Wurzeln hat. (Nebenstehend eine "Barbie Hawaii", Erscheinungsdatum in Deutschland 1975).


29.06.2005 | 13:45 | Anderswo | Sachen anziehen

der Pyjama der Katze

Vermutlich kein neues Phänomen, aber eines, das a) hierzulande doch eher unbekannt ist und b) echtes Potenzial hat: Wie man einer Flickr-Suche nach den Tags "pajamas" und "Shanghai" entnehmen kann, trägt der Bewohner Shanghais seinen Schlafanzug gern tagsüber auf der Straße spazieren. Das ist so absurd, rätselhaft und unpraktisch, dass unklar ist, wie Berlin-Mitte bisher ohne diesen Trend zurechtkommen konnte. Entschuldigt mich kurz, ich schlüpfe schnell in was Bequemeres.


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