Riesenmaschine

11.02.2006 | 18:20 | Fakten und Figuren | Papierrascheln

Helme betasten


Helm damals... (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)

... und heute (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Edward Tenner nennt man den "Philosophen der Alltagstechnik". Seit langen Jahren befasst er sich mit Dingen, ihrer Fortentwicklung, ihrer Wechselwirkung mit anderen Dingen, ihrer Macht über den Menschen und umgekehrt. Schliesslich besteht sein Lebenswerk darin, auch dem Letzten klarzumachen, dass wir nicht nur von Äpfeln, Tulpen und Marihuana gedankenlos ausgenutzt werden, sondern auch von Tischen, Brillen und Schreibmaschinen, ein extrem naheliegender Gedanke, bestehen doch alle diese Dinge aus total komplexen Kleinstlebewesen, deren tieferen Sinn wir noch überhaupt nicht verstehen. Tenners letztes Werk, "Our own devices", ist zwar schon drei Jahre alt, aber grundlos offenbar noch nicht übersetzt. Es enthält jedoch ohnehin nur ganz einfache Wörter, "shoe" zum Beispiel, das versteht ja wohl jeder.

Es ist nicht eindeutig immer ein Vergnügen, zuviel über Dinge zu erfahren, ohne die man unmöglich leben könnte, ähnlich wie es auch schädlich ist, zuviel über die Innenansichten der Ehefrau oder der Weihnachtsgans herauszufinden. Und ausserdem: Wer möchte schon 50 Seiten über die Evolution von Liegestühlen lesen? Oder über die Unterschiede in der Flipflop-Gehtechnik zwischen Amerikanern und Japanern? Ist es interessant zu erfahren, dass wir nur wegen Beethovens Taubheit heute so laute Klaviere besitzen? Dass wir noch nicht erklären können, wie afrikanische Frauen Wasser tragen? Alles Tatsachen, die, beiläufig eingeworfen, das Potential haben, jedes kultivierte Gespräch abzuwürgen. Oder ist es vielleicht nicht eher beschämend zu wissen, dass wir heute immer noch auf QWERTZ-Tastaturen schreiben, weil, weil, weil es der Tastatur so gefällt? Und sie ihre genetisch verbesserten Tastaturkonkurrenten einfach totgebissen hat? Man muss schon sehr stark sein, um an der Vielfalt an Informationen nicht zugrunde zu gehen, bzw. sich in eine Erdhöhle zurückzuziehen und von Maden zu leben.

Andererseits gibt es durchaus Dinge, über die man nie genug erfahren kann, und dazu gehört ganz eindeutig der Helm, vielleicht die erste Körpermodifikation überhaupt. Durch die Jahrtausende sahen Helme immer hässlich aus, keinen einzigen Trend machen sie mit, wohl weil sie so unflexibel hartschalig sind. Helme führen ein seltsam autarkes Eigenleben in ihrem Helmuniversum, und trotzdem haben sie überlebt, vielleicht weil viele denken, dass Trends ohne intakte Hirnschale auch keinen Sinn ergeben. Tenners Helmkapitel, vollkommen kostenlos an diesem Ort einsehbar, enthält unter anderem den Befund, dass nicht etwa Helme die Reaktion auf neue Wunderwaffen waren, sondern umgekehrt Waffen erfunden werden mussten, um mit neuen Helmen klarzukommen. Leider nicht sehen kann man hier den legendären Helmstammbaum des Fischforschers und Paläontologen Bashford Dean. Dafür muss man entweder ins Metropolitan Museum of Arts in New York oder sich eben doch das Buch kaufen.


Kommentar #1 von einem automatischen Kommentargenerator:

Wir gratulieren Aleks Scholz zu seinem einhundertundsechsundvierzigsten Riesenmaschinen-Artikel.

11.02.2006 | 18:39

Kommentar #2 von Aleks:

Erst nach Fertigstellung der obenstehenden Analyse kommt durch Zufallsrecherche folgender Fund zu Tage: der teuerste Helm der Welt, vorläufige Krönung und Endpunkt der Helmentwicklung; gleichzeitig die organische Verbindung zwischen Helm und Krone, die zwei Stiefgeschwister in der Kopfbedeckungsfamilie.

11.02.2006 | 23:04

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