Riesenmaschine

12.06.2006 | 12:00 | Fakten und Figuren | Zeichen und Wunder

Flagghelfer


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Immerhin: Die ins Fenster geklemmten Plastikflaggenmaste sind so provisorisch, dass die massive Volksbeflaggung nach der WM vermutlich ein Ende finden wird. Dabei muss man gar nicht Deutschland prinzipiell ablehnen, um die Klemmpatrioten lächerlich zu finden. Es reicht auch, dass man Flaggen an sich für schwierige Symbole hält, die der Mensch ausserhalb von Lotsentätigkeiten mit Bedacht und lieber zu zurückhaltend benutzen sollte. Man ahnt ja, dass die meisten von ihnen unbeholfen einen Weg suchen, um ihren Wunsch auszudrücken, dass Deutschland Fussballweltmeister wird. Eventuell fehlt einfach noch eine Flagge für nationalismusunverdächtige Fans der Nationalmannschaft. Über den Umgang mit dem Flaggenmeer in der Zwischenzeit sollte sich jeder selbst Gedanken machen, die Bäckertheke in einem Lüdenscheider Supermarkt zum Beispiel hat die Flucht nach vorn in die bizarre Lächerlichkeit gewählt und verhöhnt die deutsche Flagge recht offensichtlich mit der Deutschlandtorte (Blaubeeren, Erdbeeren, Mandarinen). Die schönsten Verhöhnungen sind doch die, die alle ausser den Verhöhnten bemerken. Ein Tipp für flaggenbewusste Anarchisten: Einfach den goldenen Teil mit einer Schere abschneiden, ggf. aufessen.


Kommentar #1 von MC Winkel:

Von Blaubeeren krieg ich immer Sprühwurst.

12.06.2006 | 12:24

Kommentar #2 von CFBrück:

Der Lebensmittelhändler um die Ecke führt zur Zeit
gekochte Eier im Sechserpack, bepinselt in Schwarz, Rot und Gold/Gelb. Immerhin aber in Airbrush-Optik, was dem Ganzen zumindest eine ästhetische Restwürde belässt. Fänd ich ohnehin nicht schlecht, die einladende weisse Eierschale auch in der Zeit, die Ostern und WM einem vom Jahr übrig lassen, sinnvoll zu nutzen. Botschaften könnte man hinterlassen, das Ei als externen Stimmungsindikator (rot=Wut) vor sich her tragen, alles geht, alles wäre möglich.
Die Torte weiss allerdings auch zu gefallen.

12.06.2006 | 12:40

Kommentar #3 von kochwerkstatt:

Ja, genau, die berühmten schwarzen Blaubeeren. Warum nicht schwarze Tollkirschen? Dann gibt es einen Wahnsinnigen weniger.

12.06.2006 | 13:28

Kommentar #4 von Ruben:

Schwierige Symbole... ist das der Grund, warum es noch keine Dienstbeflaggung der Riesenmaschine gibt? Als Standarte auf den vorderen Kotflügeln Ihres Benz' könnte sich das Maschinenlogo doch sicher ganz gut machen.

12.06.2006 | 13:54

Kommentar #5 von Sascha Lobo:

Aufkleber. Auf's Heckfenster. Drunter möchte ich nichts repräsentieren. Obwohl ich zugeben muss, dass ich über eine Maschinenflagge nachdenke. Einen Riesenwimpel.

12.06.2006 | 14:00

Kommentar #6 von Ruben:

Riesenwimpel, gut gut. Wenn man aus dem dann noch ein gemütliches Zelt zur Nächtigung nach durchexerziertem Pogofest basteln kann, dann noch guter. Ubi bene, ibi patria. Oh, jetzt kriecht auch bei mir der Patriotismus aus seiner Schutzverdunklung, nix gut.

12.06.2006 | 15:04

Kommentar #7 von irgendwem:

Ich sach nur: capture the flag, hihi!

12.06.2006 | 15:38

Kommentar #8 von Mal Ernsthaft:

Es ödet mich an, jedes Mal von irgendwelchen Flagophoben den Hinweis auf den Nationalsozialismus zu hören, wenn irgendwo eine Deutschlandflagge zu sehen ist. Ständig auf die "Gefahr" hinzuweisen ist mindestens genau so lächerlich wie sich eine Fahne zwischen die Autotür zu klemmen.
Da die universelle Beflaggung plötzlich zu WM rapide zugenommen hat und davon auszugehen ist, dass es sich hierbei mehr oder weniger um eine unkritische Adoption eines just aufkeimenden Kollektiv-Fussball-Nationalstolzes ist, muss man sich doch keine Sorgen machen. Und da nicht jeder der momentan mit einer (oder sogar zwei) Flaggen am Auto durch die Gegend gurkt gleich ein verkappter Nazi ist könnte man dieses "Phänomen" sogar positiv bewerten. Denn vielleicht schafft es ja ein wenig Identifikation mit dem eigenen Land auf einer vernünftigen Ebene. Und das kann einer pessimistischen Verdrossenheit, aus der keine Motivation erwächst weil sie eben zu nichts motiviert, doch nur entgegenwirken.

12.06.2006 | 18:25

Kommentar #9 von Gundolf Grammelstein:

Hier im gelobten Land wird uebrigens auch seit WM-Beginn rekordverdaechtig geflaggt, nur sieht man fast keine des eigenen Landes, stattdessen Portugal, Italien, Polen, Japan, Trinidad und Tobago, Ekuador und wie diese ganzen Sackratten halt heissen. Ekelhaftes Farbendurcheinander.

12.06.2006 | 18:38

Kommentar #10 von viva_la_muerte:

unkritische adaption eines neuen nationalen bewusstseins in zusammenhang mit beschneidung des versammlungsrechtes führt glücklicherweise nicht unmittelbar zu einem 4. reich, aber aufgrund einer schwierigen wirschaftslage nationalismus (auch ohne -sozial- ) als mögliche lösung vorzuschlagen, finde ich nicht überzeugend. ständig politische stellungnahmen auf diesem niveau zu hören, stimmt mich verdriesslich, geradezu pessimistisch.

12.06.2006 | 19:37

Kommentar #11 von irgendwem:

Es geht nicht um Nationalismus. Vor allem in der jungst manifestierten Form des 3. Reiches oder (noch jünger) den Neonazis. Das ist natürlich nicht tolerierbar. Ich dachte das geht aus meinem ersten Beitrag hervor.
Mir kam lediglich der Gedanke, dass einigermassen historisch informierte und bezüglich dieses Themas sensibilisierte Individuuen durch das äh "WM Deutschland-Trendbewusstsein" neue Motivation zur Mitgestaltung der eigenen Gesellschaft gewinnen könnten. Das war so mein Versuch, aus dieser merkwürdigen Entwicklung und der damit verbunden Thematik auch mal etwas Postives zu extrahieren.

12.06.2006 | 21:04

Kommentar #12 von viva_la_muerte:

(neue) motivation zur mitgestaltung der gesellschaft ist ne gute sache, dass deutschlandfahnen an jeder strassenecke diese liefern sollen, kann ich schwer nachvollziehen, mich erinnert dieses argument an diverse kampagnen ("du bist deutschland" oder "durch deutschland muss ein ruck gehen"), die ja eher auf einen wirtschaftlichen aufschwung abzielen.
eine nachhaltige verbesserung der gesellschaft setzt u.a. kritikfähigkeit und reflexionsvermögen voraus, und diese attribute hast du selber dem grossteil der fähnchenschwenker abgesprochen, ich bin mit dir da einer meinung.
ich könnte jetzt noch ne gute stunde an nem kommentar schreiben und mit dir noch lange diskutieren, aber das hier ist nicht die richtige plattform dazu. wenn du an einer diskussion interessiert bist, schlag ein forum vor, wenn nicht, brauch ich sowieso nicht weiterschreiben.

13.06.2006 | 00:21

Kommentar #13 von Ruben:

Ja, geht woanders reden, ihr stört ja die ganze stille Andacht hier.

13.06.2006 | 00:25

Kommentar #14 von Didi:

...wie auch immer, England hier ist zum Beispiel nicht mehr zu erkennen unter den ganzen George-cross Fahnen, die Leute (die im übrigen sowieso ziemlich seltsam sind) auf Autos, "Häuser", Fahrräder und Hunde (!) montieren. Weiss jemand hier ob zuhause in Österreich ein paar Träumer mit rot-weiss-rot herumlaufen um eine WM-Teilnahme zu fingieren?

13.06.2006 | 03:08

Kommentar #15 von Somitteltopcheckerbunny:

Wollte nur anmerken, dass es durchaus auch Fälle gibt, wo Menschen sterben, ohne dass im Vorfeld oder auch hinterher auch nur eine einzige Fahne geschwenkt wurde. Teilweise ganz von alleine, manchmal auch nicht. Aber ohne Fahnen. Das darf man auch nie vergessen.

13.06.2006 | 06:12

Kommentar #16 von Otto Hermann Kahn:

hui, 15 Kommentare!
Flaggen, ein Thema mit hohem Narrenmagnetenpotential, wie auch in diesem, mit Sicherheit besten Strang des gesamten Internets, weltweit:
http://forum.yacht.de/showthread.php?t=64391
Es geht um die Frage unter Seglern, ob bei Sonnenuntergang im Ausland nicht nur die Nationalflagge (klar) sondern auch die sogenannte Gastlandflagge eingeholt werden muss. Doch lesen Sie selbst. Wer den gesamten Strang zu erst zu Ende gelesen hat, bzw. es schafft,ihn mit einem weiteren bescheuerten Kommentar wieder zu laufen zu bringen, kriegt von mir ein Eis.

13.06.2006 | 17:16

Kommentar #17 von Volker:

Nicht jeder ist davon begeistert, dass plötzlich jeder Hans und Franz mit einer Deutschlandfahne durch die Gegend fährt.
Aber wo steht denn geschrieben, dass es schwarz-rot-gold sein muss?
Meine Top 10 alternativer Autofahnen:
10) Feudel
9) Trauerflor
8) Fuchsschwanz
7) Piratenflagge
6) Blindenbinde
5) Weisse Fahne der Kapitulation
4) Alkoholfahne
3) Spitzen-BH
2) Friesenflagge mit dem Motto «Lewer duad üs slaw»
1) gegerbte Haut mit Arschgeweih-Tattoo

14.06.2006 | 15:29

Kommentar #18 von GröFaZ de la Cuisine:

meineherren! Lasst den beflaggern doch einfach ihren spass. Wenn die hiesigen bewohner allesamt unbeflaggt durch den öffentlichen raum rennten, während die welt, die zu gast ist, sich wahrscheinlich noch ihre schlüpper in nationalfarben zur fussballparty mitgebracht haben, kämen die deutschen unter uns doch ganz schön verspannnt rüber, oder? Zugegeben, man muss auch spass haben wollen. Sonst ist das wie mit den leuten die auf ner krachenden party konsequent am rand hocken und nur rummaulen wie langweilig es grad ist.

14.06.2006 | 17:31

Kommentar #19 von tricolore roadkill:

Nun geht die WM grade mal eine Woche und täglich überfahre ich beim Herumpendeln auf deutschen Autobahnen mehr von diesen kleinen deutschen Flaggen. Zugleich scheinen sich vermehrt Igel in den frühen Tod zu stürzen, eine Merkwürdigkeit, die wohl kaum der Jahreszeit, möglicherweise aber der Furcht, eingekugelt für Pille gehalten zu werden (Verwandtschaftsscham?) geschuldet sein kann.
Ich hab das für die Fahnen (für die Igel mag ich nicht) mal aufgrund der vorliegenden Daten überschlagen, grob verrechnet auch mit der befahrenen Fläche: Wenn sich die Quote weiter so steigert(Exponentialität, Feind eines jeden gut geführten Haushalts!), ist bis zum Halbfinale die komplette Autobahn mit Fähnchen bekleidet. Ob das nun gut oder schlecht ist, mag jeder für sich entscheiden. oder halt 0:0.

15.06.2006 | 12:19

Kommentar #20 von Volker:

Wo bleibt der Aufkleber "Ich bremse auch für deutsche Flaggen" ?

16.06.2006 | 11:48

Kommentar #21 von olli:

Sehr schön auf den punkt gebracht, auch ich fühle mich innerlich zerissen angesichts des ideologisch-kritischen dilemmas, einerseits den california-affinen trainer trotz schwäbischer herkunft ins herz geschlossen zu haben und die ach so undeutsch verspielte spielweise der nationalmannschaft zu mögen und andererseits sich nicht gemein machen zu wollen mit denen, die mangels anderer vorhandener qualitäten eben deutsch sein wollen.
Der anarchowimpel mit abgeknapstem gold-streifen ist wahrlich keine alternative, das hatte man spätestens mit dem ersten so verzierten bundeswehrparka als pubertierender punker als einfallslos abgelegt.
Was bleibt? Fahnenlos und damit auch mit leichter, aber angemessener distanz sich über die jungs vom DFB und ihr spiel zu freuen, bis sie im viertelfinale gegen bessere Argentinier gekickt werden.
Und: Einfach weiter Angola-fahnen, die aussehen, wie man sich mit 16 die fahne eines halluzinierten revoluzzer-landes gemalt hätte, in dem das BIP in haschisch und halfpipes angelegt wird.

21.06.2006 | 18:21

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