Riesenmaschine

04.09.2006 | 11:35 | Anderswo | Zeichen und Wunder

Präzision und Alltag


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Wer liebt Österreich nicht? Wer ist nicht beglückt, wieder und wieder, wenn er den Wiener Akzent hören darf; entwickelte nicht sogar ein morscher Baumstumpf subkutane Sexyness, spräche er nur in diesem wunderschönen Singsang, bei der das leicht Jammernde mit dem Charmant-Grossspurigen ein Amalgam der Verbalerotik bildet? Und ist es nicht so, dass in Berlin in Szenelokalen die Antwort der Kellnerin auf eine dümmlich anmutende Frage lautet "Hä?", in Hamburg "Bitte?" mit einem hinten hochgezogenen "-te" der gespielten Arroganz, man in München gar vollkommen ignoriert wird, während in Wien sich die Kellnerin zum Fragenden hinabbeugt, die Frage auf Wienerisch und leicht abgewandelt in einer Weise wiederholt, dass einem schlagartig die Antwort klar wird und man im internationalen Vergleich der Situation praktisch ungedemütigt entkommen ist? Vielleicht.

Ganz gewiss aber ist im geschäftlichen Alltag in Österreich eine Grundpräzision vorhanden, die vorbildlich ist. Schliesslich erleichtert die Genauigkeit bis ins allerletzte Detail das tägliche Leben und Streben. Aus diesem Grund gibt es in Österreich eine ausgesprochene Fülle von über 160 verschiedenen Ehrenzeichen und Medaillen, vom Verdienstkreuz für besondere Leistungen oder hervorragende Verdienste auf dem Gebiete des Feuerwehr- und Rettungswesens in Gold des Landes Steiermark über den Radetzky-Orden der Militärklasse Grossstern bis zum Bundesheerdienstzeichen 1., 2. und 3. Klasse. Man huldigt der präzisen Benennung, hervorragende Verdienste im Feuerwehrwesen der Steiermark wollen eben exakt so sprachlich gewürdigt werden. Der Triumph der Eindeutigkeit findet im nebenstehenden Verkehrsschild nicht nur seinen Eingang ins werktätige Volk, sondern auch einen Höhepunkt. Das Schild ist ungeheuer präzise und wird es wohl auch immer bleiben, denn es ist selbstaktualisierend, weil es trickreich auf die Ferienreiseverordnung verweist. Soviel Genauigkeit beeindruckt den Österreichreisenden und hilft, dass das Land nicht in Chaos und Anarchie versinkt. Es macht eben einen grossen, dringend festzuhaltenden Unterschied, ob ein über 3,5 Tonnen schwerer Ziel- und Quellverkehr aus Gutenbrunn kommt oder aus Krems. Ausser es ist ein Milchtransport.


Kommentar #1 von Lilly:

könntet ihr bitte auf die Rubrik "superwitzige Strassenschilder" verzichten? Danke.

04.09.2006 | 13:34

Kommentar #2 von wenn man:

weiss, unter welcher verkehrlawine die wachau (und um diese handelt es sich hier) im sommer zusammenzubrechen droht, verliert die opulente beschilderung augenblicklich an witz.

04.09.2006 | 15:14

Kommentar #3 von zahnloser Bettler:

In Österreich wissen die Einen sehr präzise und äusserst schön formulierte Gesetze zu gestalten und die anderen wann man sich daran hält und wann die Einen zwischen den Zeilen ganz klar auf das hausverständliche Anwenden des Wissens der Anderen hingewiesen gehabt haben. Somit war geworden was nicht anders hätte sein gekonnt haben könnte.
(Zum Verständnis dieses Kommentars ziehen sie bitte ihren Anwalt aus)

04.09.2006 | 19:36

Kommentar #4 von irgendwem:

Da ist man froh dass die Wachau nicht zweisprachig ist wie andere Teile Österreichs...
Im Übrigen könnte man mal über das Kuriosum eines 30-jährigen Streites um so etwas lächerliches wie Ortstafeln und ein wankelmütiges Rumpelstielzchen das darum herumtanzt berichten.

04.09.2006 | 23:44

Kommentar #5 von jaywalker:

@ kommentar 4:
ich glaube nicht, dass der wahnsinn, der von diesem karawankengadaffi ausgeht, einer weiteren beschreibung bedarf.
man weiss schon genug und das reicht. die riesenmaschine ist ein refugium, wo man den rest der welt und die sonstigen banalitäten nicht wiederfindet.

05.09.2006 | 07:58

Kommentar #6 von uli:

Vergleiche dazu auch www.dia-blog.de/?p=254, in dem ein ebenso eloquentes wie präzises Schild aus dem österreichischen St. Gallenkirch eine tragende Rolle spielt.

05.09.2006 | 11:29

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