Riesenmaschine

29.10.2006 | 17:11 | Vermutungen über die Welt

Männchenmachen


Foto: merfam
Während deutsche Medien jetzt schon mehrere endlose Tage lang über ein paar harmlose makabre Scherze in Afghanistan diskutieren, passieren anderswo Dinge, die damit gar nichts zu tun haben. Am Freitag zum Beispiel kam es im amerikanischen Sender CBS erneut zum Aufeinandertreffen von David Letterman und Bill O'Reilly. Zum Verständnis: O'Reilly, primus inter pares in der seltsamen Landschaft der amerikanischen TV-Politprediger, unterhält bei FOX News eine sogenannte Nachrichtensendung, in der durch rigorose Tatsachenverdrehung radikal "traditionelle" Standpunkte belegt werden sollen – ein Konzept, das von Stephen Colbert "Truthiness" getauft wurde. Zur Rechtfertigung amerikanischer Kriegsverbrechen im Irak zum Beispiel erfand O'Reilly vor einigen Monaten aus unbekannten Gründen, dass amerikanische Soldaten im zweiten Weltkrieg wehrlose SS-Soldaten hinrichteten, obwohl es natürlich umgedreht war, wie sein Gegenspieler bei MSNBC, Keith Olbermann, sogleich mit erhobenem Zeigefinger und Schaum vor dem Mund klarstellte. Natürlich ist O'Reilly ausserdem für Folter, für strenge Arbeitslager in Alaska und zudem ausländerfeindlicher als die NPD. (Neulich forderte er deswegen die Abschaffung des St. Patrick's Day, achnein, das war CNN-Kollege Lou Dobbs, sie sind so schwer auseinanderzuhalten.) Den ganzen Dreck kann man sich fünfmal die Woche im Fernsehen ansehen.

Jedenfalls: Beim letzten Besuch bei Letterman, im Januar 2006, beklagte "Billo" die Diskreditierung des Weihnachtsfestes durch "säkulare Kräfte" als eines der Hauptprobleme Amerikas. Seine Belege dafür hatte er sich einfach ausgedacht. Trotzdem rettete Letterman den dadurch gewonnenen haushohen Vorsprung nur gerade so über die Zeit. Diesmal liess O'Reilly seinen Weihnachtunsinn weg und konzentrierte sich ganz auf sein Spezialthema Irak, und Letterman, was soll man sagen, scheiterte trotz Heimvorteil kläglich. Er verliert an der ersten Base, an der WMD-Base, dann an der CIA-Base, zuletzt auch an der Al-Qaida-Base, und ergibt sich schliesslich abermals dem Nihilismus. Zwei Fragen: Wieso haben die Rechten immer die besseren Demagogen? Musste der Kommunismus darum scheitern? Und wieso sollen die Jungs nicht mit Totenköpfen spielen dürfen? Gut, das waren genaugenommen drei Fragen.


Kommentar #1 von florian:

Olberman hat nie Schaum vor dem Mund. Er ist die Stimme der Vernunft in den Amerikanischen Newsmedien.

29.10.2006 | 18:13

Kommentar #2 von Kriegsveteran Hilarius Pissmild:

Die Rechten haben gar nicht immer die besseren Demagogen, ein Blick nach Nordkorea lässt einen vor Neid erblassen.

29.10.2006 | 19:52

Kommentar #3 von orbis non sufficit:

Da hast Du völlig recht, Kriegsveteran, vorausgesetzt eine erbliche Monarchie/Kleptokratie mit Nationalistischer Ideologie wär jetzt "links", und Demagoge käm von "Demenz"

29.10.2006 | 22:02

Kommentar #4 von Kriegsveteran Hilarius Pissmild:

Seit wann enthält denn das Prädikat "links" in sich notwendigerweise schon die Abwesenheit von totalitären Strukturen und Nationalismus?

29.10.2006 | 22:20

Kommentar #5 von daniel:

hier gibts übrigens den gesamten letterman – o'reilly ausschnitt:
http://movies.crooksandliars.com/Letterman-OReilly-PartII.wmv

30.10.2006 | 01:00

Kommentar #6 von tomorrow never dies:

Hey, #3: selten so über einen Kommetar gelacht & besser könnt' ich's auch nicht sagen...

30.10.2006 | 01:11

Kommentar #7 von baronsamedi:

die mediale Entrüsterei wg der Totenköpfe ist wirklich überzogen. aber wo liegt eigentlich das Interesse, das so aufzubauschen? Heisst der Subtext: "Schaut, wir deutschen Medien sind in puncto Verbrechen gegen die Menschlichkeit so ungeheuer sensibilisiert (resp. geläutert), dass wir schon wegen so was völlig ausflippen müssen, während die Amis nichts daran finden, dass ihr Staat Foltercamps unterhält"?

30.10.2006 | 17:09

Kommentar #8 von king yum ill:

"letterman scheiterte kläglich"? da hab ich nen anderen ausschnitt gesehen. man hat oreilly glaubich noch nie so oft über den mund gefahren gesehen wie hier. das liegt hauptsächlich daran dass sich die guten demagogen normalerweise nicht dem fairen kampf aussetzen sondern sich selbst ihre bedingungen schaffen. wie oreilly in seiner eigenen sendung wo er leuten eben einfach das mikro abdreht wenn sie im begriff sind einen stich zu machen, usw. dass er sich jetzt doch noch so 1:1 in die sendung eines anderen setzt, ehrt ihn beinahe, bezeugt aber hauptsächlich was er inzwischen für ne machtposition innehat, dem traut sich kaum noch einer öffentlich an den karren zu fahren aus angst vor rache.
billo is inzwischen schon ein mittlerer mccarthy, in seinen eigenen augen sowieso. daran gemessen ist das letzte interview eine herzerfrischende maulschelle. schön auch seine hilflosen versuche das als freundschaftliches spiel abzutun wenn er wieder eine gefangen hatte. nönö, das war ein klarer lettermann sieg, mit abstand.

01.11.2006 | 11:54

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