Riesenmaschine

10.11.2006 | 19:05 | Fakten und Figuren

Die Geschichte vom vergoldeten Jungen


Nicht immer reicht ein Bauklotz-Test aus.
(Foto: Holger Zscheyge)
Nehmen wir an, Sie wurden am Gehirn operiert. Gerade sind Sie aus dem Koma erwacht. Ihnen steht nun das Spiessrutenlaufen neuropsychologischer Tests bevor, schliesslich will man herausfinden, ob das Sägen, Schneiden und Schaben Ihre Gedächtnis-, Ihre Denk- oder vielleicht Ihre Ich-Funktion in Mitleidenschaft gezogen hat. Ein Neuropsychologe, sagen wir Stephen G. Waxman von der Yale-Universität, tritt also an Ihr Bett und bittet Sie, den Namen des Präsidenten zu nennen, in Siebenerschritten von hundert zurückzuzählen und zu erklären, was ein Auto mit einem Boot verbindet. Auch in Ihrem lädierten Zustand kriegen Sie das mühelos hin. Aber jetzt fordert Dr. Waxman Sie auf, eine kleine Geschichte zu interpretieren: die Königsdisziplin für jedes frisch operierte Gehirn. Die Geschichte, die Waxman in seinem Standardwerk Clinical Neuroanatomy empfiehlt (gesehen bei Joan Didion), geht so: Vor etwa dreihundert Jahren, bei der Krönung eines Papstes, wurde ein kleiner Junge ausgewählt, um die Rolle eines Engels zu spielen. Damit seine Erscheinung möglichst prächtig wäre, wurde der Junge von Kopf bis Fuss in eine Goldfolie gehüllt. Der kleine Junge wurde krank, und obwohl man alles Menschenmögliche für seine Genesung tat, ausser die fatale Goldfolie zu entfernen, starb er innerhalb von wenigen Stunden. Wie bitte? Können Sie DAS interpretieren? Geht es um das schlechte Karma des Katholizismus? Darum, dass nicht alles, was Gold ist, glänzt? Oder halten Sie Stephen G. Waxman jetzt schlicht für verrückt?

Philipp Felsch | Dauerhafter Link | Kommentare (5)


Kommentar #1 von irgendwem:

Letzteres, ganz klarer Fall.

10.11.2006 | 19:48

Kommentar #2 von Gert:

Rischtisch, ganz klarer Fall. Der Onkel Doktor will, dass man sagt; wie in Goldfinger. Erstickt durch Goldverkleidung. Wer da nicht drauf kommt, dem haben sie den neuronalen Fernsehspeicher weggeschnitten.

10.11.2006 | 21:15

Kommentar #3 von Heidi:

nein, der Herr Waxman ist nicht verrückt.
Auch ich bin mal in einer Klinik aufgewacht und man fragte mich zu erst nach meinem Namen. Den wusste ich. Ich wusste sowieso alles, was sie mich fragten und noch viel mehr. Nur das wussten die anderen nicht. Da habe ich besser den Mund gehalten. Verpackungen find ich eh doof, ob aus gold oder was auch immer. Ist doch klar das wir alle irgendwann an unseren schönen Verpackungen ersticken.
Naja.
Bald ist Weihachten und alles wird gut.

10.11.2006 | 22:12

Kommentar #4 von Nimue:

ganz offensichtlich bin ich noch im koma, meine erste reaktion war ein schlichtes "hää?".
kann jemand die blondine bitte aufklären?

10.11.2006 | 22:20

Kommentar #5 von Lars Weisbrod:

Ein schöner Beitrag. Vielleicht hält man es für wichtig, das Ironieverständnis des Patienten zu überprüfen. Ironieverständnis sollte sowieso als zweitwichtigstes Kriterium für intelligentes Leben gelten. Ich verzichte jetzt auf alle Verweise Richtung Forendiskussionen und so.

11.11.2006 | 16:07

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