Riesenmaschine

30.04.2007 | 03:03 | Berlin | Alles wird besser | Zeichen und Wunder

Der traurigste Geldautomat der Welt


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Banken sind over. Als man sich in den 1970er Jahren noch kritisch mit dem Kapital auseinandersetzte, bemühte der aufgeklärte, aber nostalgische Studienrat einen Vergleich: "Früher waren die Kirchen die höchsten Gebäude der Stadt, um Glanz und Macht zu zeigen – inzwischen sind es die Türme der Banken." Heute gibt es andere Herrscher der Finanzwelt, "Masters of the Universe" nennen sich Fondsmanager selbst und nehmen ihr Selbstbewusstsein daher, dass sie in ihrer lebenslangen 29-Jährigkeit 400 Jahre alten Banken sagen, wo es langgeht. Gleichzeitig beginnen P2P-Banken wie Zopa oder das deutsche Smava von unten an den Banken zu kratzen (auch wenn auf Smava Kreditnachfragen über 5.000 Euro für 1.000 "hocheffiziente Holzsparkocher" in Nigeria von einem anonymen Mitglied einer "Nicht-Regierungs-Organisation" nur begrenzt vertrauenserweckend scheinen).

Insgesamt litt und leidet das Image der Banken von allen Seiten. Oft genug gelten sie irgendwie als heuschreckoid, aber sind gleichzeitig deren Opfer. Sie entlassen in Scharen, schliessen Filialen, man ist entweder sauer auf sie oder sie sind einem egal und die meisten Menschen beschäftigen sich mit Banken nur noch, wenn sie ihre Spammails löschen.

Da passt es gut, wenn in einem Supermarkt in Berlin ein Geldautomat den denkbar grössten Kontrast zu der marmornen Eingangshalle einer altehrwürdigen Grossbank mit Zedernholztresen darstellt: Zwischen dem handgeschriebenen Brötchenangebot des Frischebäckers, Plastiknachbildungen von Terrakotta-Blumenkübeln und einem Sortiment Blumensamen im Papp-Display, nur zwei Meter von der stinkenden Pfandflaschen-Rückgabe entfernt, steht ein weinender, verschmutzter Geldautomat, achtlos dort von seiner Bank hingerotzt und trauert der Zeit nach, als er noch regelmässig vom Klassenfeind mit Steinen beschmissen wurde, weil er ein stolzes Zeichen des herrschenden Bankenkapitalismus war.


Kommentar #1 von Frau Grasdackel:

Moin Herr Lobo, freut mich ausgesprochen, mal wieder was von Ihnen zu lesen. Wie immer ein Genuss!

30.04.2007 | 03:30

Kommentar #2 von Helmar:

Ich habe mich schon immer gefragt, ob diese transportablen no-name-Automaten ueberhaupt von richtigen Banken aufgestellt werden. Sollte dem so sein, tun die Institute gut daran, nirgends ihren Namen aufzudrucken!

30.04.2007 | 05:12

Kommentar #3 von Hasi die Wunderkuh:

erinnert mich irgendwie an Marvin aus Hitchhiker´s Guide t.t. Galaxy.
Der arme Kerl!

01.05.2007 | 14:18

Kommentar #4 von Rudi K. Sander; www.textsteller.de:

Lieber Sascha Lobo,
könnte dies nicht auch daran liegen, dass die im realen Kapitalismus hemmungslos agierenden professionellen Zerstörer gewachsener Strukturen durch den selbst auferlegten Stress einfach keine Zeit haben, ihre unterkomplex auf die eigene Nutzenmaximierung konzentrierten Bemühungen auch noch mit Überlegungen anzureichern, die einen aussenstehenden Beobachter darauf schliessen liessen, solche Leute hätten einen sozial brauchbaren Verstand?
Liebe Grüsse Rudi K. Sander

05.05.2007 | 20:11

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