Riesenmaschine

07.06.2006 | 11:21 | Anderswo | Supertiere | Was fehlt

Aussterbende bitte hinten anstellen


Besonders pelzig ist das nicht.
(Foto: kevinzim) (Lizenz)
Tiere sind eine feine Sache. Man kann sie anschauen und sich wundern (Gürteltier, Anemone), man kann von ihnen lernen (Faultier, Biber) oder sich mit ihnen balgen (Hund, Termite), und man kann sich sogar von ihnen aufessen lassen (Schnappschildkröte, Grizzly). Ausgesprochen schade ist es daher, dass zahlreiche Tierarten schon den Weg in die Leckere Suppe angetreten haben; oder aufs Grosse Pausenbrötchen, oder woran man als frommes Tier kurz vor dem Artenerlöschen heutzutage sonst so glaubt.
Diese allenthalbene Aussterberei erbost den Tierfreund natürlich. Der besonders in Deutschland und Österreich umstrittene australische Krawallschläger Peter Singer hat gerade in Buchform dargelegt, was man so essen darf, wenn einem das Wohl pelziger Organismen am Herzen liegt. Manchem aber ist diese Arterhaltung durch korrekte Speisenfolge nicht schnell oder irrwitzig genug. Paul Martin von der University of Arizona zum Beispiel veröffentlichte grade ein Buch, in dem er die umstrittene These zu untermauern versucht, wonach der Mensch vor 10000 Jahren beim Einwandern Nordamerikas sogenannte Megafauna einfach aufass. Mammuts, Kamele, Riesenfaultiere und die anderen Riesenureinwohner wurden, sagt Martin, allesamt Opfer menschlichen Riesenhungers. Bedauerlich, sagt Martin, aber nicht unumkehrbar, und argumentiert für Rewilding, also die Wiedereinführung von Tierarten, die den gegessenen entsprechen: von Nashörnern, Löwen und Kamelen.

Aber Kameljagden in Texas sind nur der halbe Spass. Nach dem kürzlichen Durchbruch in der Mammut-Gen-Forschung ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis der schon erfolgten ethischen Absegnung des Mammutklonens und der Planung eines Pleistozän-Parks erst elefantengrosse Klontaten folgen, und dann leckere Spanmammut-Grillabende (Tipp: mit Wassermelone im Maul bleibt das Tier schön saftig). Ziel ist womöglich ein Klonofen nach dem FIFO-Prinzip, bei dem man auf der einen Seite ausgestorbene Tierarten reinschiebt, und sie auf anderen bratfertig wieder rauszieht. Grade erst aussterbende Tiere – wie zum Beispiel der soeben neu entdeckte blinde Krebsartige aus einer Höhle in Israel – sollten sich also schon mal auf eine längere Wartezeit einrichten. Zuerst müssen schliesslich die Moas und Dodos zurückgebracht werden, die waren besonders lecker.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Die Frühjahrstiere 2006 sind da


07.06.2006 | 02:10 | Essen und Essenzielles | Zeichen und Wunder

Dekoratives Vernichten


Gelingt immer und klebt nicht (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Seit Wochen schon spritzen einem beim Surfen allenthalben Fotos und Videos entgegen, in denen ein paar Mentos ("The Freshmaker") Kaudragees in eine Flasche Diätcola geworfen werden. Diätcola geht den Mentos vernünftigerweise weiträumig aus dem Weg und sprüht also meterhoch aus der Flasche. Der Effekt, der auf einer Reduktion der Cola-Oberflächenspannung und infolgedessen schlagartiger Freisetzung aller Kohlensäure durch das in Mentos enthaltene Gummi Arabicum basiert, produzierte bis dato 389.000 Google Treffer für die Suchwort-Kombination Mentos und Coke allein, hat also mit anderen Worten neben beträchtlicher Mengen anderweitig komplett nutzloser Limonade und klebriger Bonbons mit bescheuerter Werbekampagne auch enorme Quantitäten Nerdfreizeit vernichtet, die sonst zweifellos eitel vertändelt worden wären, hat also im Ganzen höchst positiv zur Weltentwicklung beigetragen. Und im Falle dieser Mentos/Coke-Fontänensymphonie ist nicht nur die materielle Bilanz (202 Liter Cola und 523 Mentos aus dem Verkehr gezogen), sondern sogar das Video prima.


06.02.2006 | 13:19 | Supertiere | Alles wird besser | Fakten und Figuren

Wer nicht beisst, kriegt Arschkrebs


Nichtraucher und trotzdem gearscht: eine Teufelei. (Foto: dantaylor) (Lizenz)
"Wer nicht raucht, kriegt Arschkrebs", maulte damals der angepflaumte Raucher in Jean-Marc Reisers Zeichnung zurück, lustig und befreiend, wenn auch moralisch ein wenig unschön. Reiser selbst starb 1983 an Knochenkrebs, und auch das, wie Krankheit und Siechtum im Allgemeinen, ist nicht eben schön in irgendeinem Sinne des Wortes. Schön gefunden werden auch die zu den Beuteltieren gehörenden tasmanischen Teufel nur von einigen wenigen Connoisseuren. Die Hetzkampagne gegen die drolligen Tiere mit dem markanten Unterkiefer wird seit der Besiedlung Tasmaniens durch schaffreundliche Europäer geführt, und nur knapp entgingen die lustigen Racker dem Schicksal des längst ausgetilgten tasmanischen Tigers.

Seit 1941 stehen die armen Teufel unter Naturschutz, was irreführenderweise aber rein gar nicht vor den Amokläufen der Natur selbst schützt, die der Teufelpopulation schon seit Jahren mit unschönem Gesichtskrebs zu Leibe rückt.


Biting kills! (Foto: Nature)
Wie Nature nun berichtet, wird dieser Gesichtskrebs durch kameradschaftliche Bisse, sogenanntes Sozialgebeiss, übertragen. Schade, dass die Teufel keinen Zeichner haben, der die Überschrift dieses Beitrags in einen Cartoon verwandelte. Womöglich wäre ihnen dann die ganze unschöne Scheisse ein wenig leichter zu ertragen.


05.02.2006 | 05:11 | Berlin | Nachtleuchtendes

müllfunk aus dem all


Abbildung ähnlich (Foto: numb3r) (Lizenz)
Rund 330 Millionen menschengemachte Objekte schwirren im Erdorbit, schätzt das Institut für Luft und Raumfahrtsysteme. Kronkorken umkreisen leere Westerntopfdosen, Astronautensocken ziehen Buttersäurespuren durchs Vakuum, und Kekskrümelwolken verdunkeln den Himmel. Ein ganz kleines bisschen, jedenfalls.

Neuester Tänzer im Abfallreigen ist ein gebrauchter Raumanzug, der am Freitag aus der Internationalen Raumstation geschmissen wurde, mit einem alten Funkgerät drin, das vermutlich auch keiner mehr wollte. Jetzt umkreist der Anzug die Erde und funkt einmal pro Minute nutzlos seine Innentemperatur, fünfsprachige Grussbotschaften und ein Fernsehbild durch die Gegend – eine konsequente, multimediale Müllskulptur also. Ausgedacht haben sich das pfiffige Recyclingprojekt angeblich die Russen, was vermutlich ebenso gelogen ist wie die alte Legende, die Amerikaner hätten 12 Millionen Dollar für die Entwicklung eines Space Pen ausgegeben, der unter Schwerelosigkeit schreibt, während die Russen einfach Bleistifte mit ins All nahmen.

Wer dem leeren Anzug zuhören will, sollte seine riesige Antenne jetzt dann mal so langsam, nämlich gegen 6 Uhr in den Himmel über Mitteleuropa richten, wenn die ISS und ihre Müllwolke vorbeischwirren. (Nichteuropäer müssen selber nachgucken.) Aber nicht zuviel erhoffen, denn wie es aussieht, ist der Anzug entweder ganz kaputt, oder jedenfalls deutlich sendeschwächer als gedacht. Weltraummüll, eben.


04.02.2006 | 00:45 | Alles wird besser | Zeichen und Wunder

hitherto unobserved


Risque: Nelke links, Veilchen rechts (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Als Charles Wheatstone im Jahr 1838 der Royal Society in London sein frisch erfundenes Stereoskop vorstellte, überschrieb er seinen Aufsatz mit "On some remarkable, and hitherto unobserved, phænomena of binocular vision". Man muss sich zwar ein wenig wundern, dass es Jahrtausende dauerte, bis mal jemandem auffiel, dass die Welt entschieden anders aussieht, wenn man mal ein Auge zudrückt. Aber kaum war die Beobachtung gemacht, schon sprossen überall ulkige Stereofotos aus den Journalen. Bäume, Häuser, nackte Menschen, den Bildern waren plötzlich keine Grenzen mehr gesetzt.

Hundert Jahre länger dann dauerte es, bis jemandem auffiel, dass der Mensch nicht nur zwei Augen, sondern ja auch zwei Ohren hat, und das Stereoding also womöglich auch mit Geräuschen klappt. Um 1940 stellte Western Electric die erste Stereoanlage vor. Endlich konnte man hören, dass das Triangel neben der Pauke sitzt und ob der Bassist links oder rechts vom Gitarristen steht. Unendlicher Hörgenuss!


Eine hier, eine daneben. Riecht man doch (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Weitere siebzig Jahre später ist heute, und wieder steht ein Durchbruch auf der Tagesordnung. Wissenschaftlern ist jetzt nämlich aufgefallen, dass die meisten Menschen nicht nur zwei Augen und Ohren, sondern auch zwei Nasenlöcher im Kopf haben. Heutzutage piesackt man Ratten, wenn man was über Menschen wissen will, und tatsächlich: Ratten riechen Stereo. Noch duftet die Nachricht wie ein frischgepflückter Blumenstrauss, aber man darf sicher sein, dass in irgendwelchen finsteren Produktdesignerkellern Schimpansenhorden längst an Weinen mit Stereobouquet arbeiten, und an Stereoparfümen in originellen Flakons.

Die nächste Durchbruchsmeldung, "Mann mit gespaltener Zunge schmeckt Stereo", versteht man leider erst, wenn in ein paar Jahrzehnten die Zeit reif ist und der richtungsschmeckende Komodowaran die Ratte als Versuchskarnickel abgelöst hat. Habt Geduld.


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