Riesenmaschine

06.11.2005 | 13:53 | Alles wird besser

Ruf! Mich! Auf!

Am 2. November hat amazon, wie wir durch den heise Newsticker erfahren, ein neues Tool von nicht geringem Weltveränderungspotenzial aus der Taufe gehoben: den amazon Mechanical Turk. Benannt nach Wolfgang von Kempelens Schachtürken, bietet der Mechanical Turk eine Programmierschnittstelle für Aufgaben, die derzeit noch einfacher von Menschen als von Computern zu bewältigen sind. Klassischerweise geht es dabei um das Identifizieren von Bildinhalten, aber natürlich bietet sich der Türke auch als Verwaltungstool zum Outsourcen anderer leicht zu strukturierender Aufgaben an. Arbeitgeber bieten ihre "Human Intelligence Tasks" oder HITs in der amazon-Datenbank an, der Besitzer besagter Human Intelligence kann sich flexibel aus der Auftragsauswahl mit Arbeit eindecken. Der Lohn – derzeit zwischen 3 und 60 Cent pro Aufgabe – wird auf das amazon-Konto des Benutzers eingezahlt und lässt sich von dort in echtes Geld umwandeln.


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Der zentrale Coolnessaspekt der Angelegenheit ist, dass Software, die den mechanischen Türken einsetzt – wie im nebenstehenden Pseudocode zu sehen – schlicht den Menschen aufruft, der dann ein vom Computer weiterverarbeitbares Ergebnis zurückliefert. Kulturpessimisten werden sich zwar vom mechanischen Türken ihrerseits dazu aufgerufen fühlen, Wörter wie "0,1-Euro-Job", "Henry Ford", "menschenverachtend" und "Taylorismus" zurückzuliefern, in den kulturpessimismusfreien Geschäftsräumen der Riesenmaschine jedoch herrscht das reine Entzücken. Schon jetzt eine der ganz grossen Erfindungen des Jahres!


05.11.2005 | 05:28 | Alles wird besser | Sachen kaufen

Bis dass die Kugel euch scheidet


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Es ist schade, dass viele Scheidungen und Beziehungszusammenbrüche so friedlich und einvernehmlich ausgehen. Angestaute Aggressionen müssen abgebaut werden, und zwar am besten dort, wo sie entstehen, sonst hat man am Ende noch Falten, Geschwüre, Sorgerecht oder ähnlich unangenehmes Zeug am Hals (oder anderswo). Wie wir bei Dailycandy erfahren, hat eine Firma mit dem interessanten Namen Goddammo immerhin die Hälfte der Lösung für dieses Problem auf den Markt geworfen: Nach Einsendung des Eheringes wird dieser eingeschmolzen und als Gewehrkugel zurückgeschickt. Eine schöne Idee zur stilvollen Beseitigung vieler zwischenmenschlicher Probleme, glaubt man, wenn auch die Begründung "hilft der zerbrochenen Beziehung etwas zurückzugeben" irgendwie seltsam uneindeutig und pazifistisch klingt. Was das zu bedeuten hat, wird kurze Zeit später klar, denn die Munition enthält komischerweise gar kein Schiesspulver. Leider also, so muss man wohl sagen, eine Innovation, die auf halbem Wege aufgibt. Man wird weiter mit konventionellen Mitteln arbeiten müssen, auch wenn Messerstechereien immer so eine hässliche Sauerei hinterlassen.


04.11.2005 | 18:46 | Alles wird besser | Sachen kaufen

Saubere Lösungen vom Fachmann


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Es ist gut und erfreulich, wenn Probleme behoben werden. Fast noch besser ist es aber, wenn man durch eine nur geringfügig umständlichere und teurere Lösung das Symptom kuriert und das eigentliche Problem unangetastet lässt, also z.B. nicht etwa Männern die BH-Grösse ihrer Freundin beibringt, sondern in der BH-Handlung eine Borstenwand (via Improbable) mit verschieden grossen Silikonmöpsen montiert, damit die männlichen Kunden einfach demonstrieren können, was sie meinen.
In eine ähnliche Kategorie fällt das links abgebildete, bei OhGizmo! gesehene Gerät: Offiziell wird es als einfach nachzurüstender Bewegungssensor für Wasserhähne vertrieben, aber der Fachmann für schnelle und schmutzige Lösungen erkennt auf den ersten Blick, dass es sich vielmehr um eine Symptomtherapie für tropfende Wasserhähne handelt, die mit $70 nur einen Hauch teurer ist als die klassische Gummidichtung. Die kryptischen Herstellerangaben zur Gewindegrösse "55/64"-27 (female/inside); 15/16"-27 (male/outside)" lassen vermuten, dass das Gerät immerhin beinahe auf einen deutschen Wasserhahn passen könnte; den Rest richten ein paar Meter Isolierband.


04.11.2005 | 15:48 | Alles wird besser | Sachen kaufen | Zeichen und Wunder

Post it


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Oben sehen wir den Bildschirm eines Gerätes der Deutschen Post, nämlich einen Briefmarkenautomaten. Es ist gut und richtig und die Post verdient Lob dafür, Briefmarken nicht mehr von Schalterterroristen verkaufen zu lassen, sondern mit so einem Computer die entsprechenden Arbeitsplätze in die Briefsortiererei zu verlagern. Das wird offenbar schon so gehandhabt, denn inzwischen kann man auf einen Brief "Herr Müller, irgendeine Allee in Berlin oder so" schreiben (in Schreibschrift mit Neonstiften), und der Brief kommt nach zwei Tagen an, zusammen mit einer schriftlichen Entschuldigung wegen der eintägigen Verspätung. Wenn jetzt auch noch die rasend bekloppten Paketstationen – aber das gehört nicht hierher.

(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Hier weiter unten sehen wir ein Detailfoto des Markenautomaten, der, wie auf dem Bildschirm erklärt, auch einen beliebigen Wunschwert zulässt. Ein gewitzter Zeitgenosse hat das mit einem Cent ausprobiert, der Automat hat anstandslos geliefert und schon war die 1Ct-Marke auf das Gerät selbst geklebt. Man stelle sich kurz die Reaktion eines Postschalteristen vor, bestellte man eine Eincent-Marke und singe fürderhin ein Loblied auf die Automatisierung aller Mensch-Institutionen-Schnittstellen.
Die 1-Centmarke selbst aber ist in mehrfacher Hinsicht etwas Besonderes. Zum einen ist ein bunter Aufkleber (Mindestauflage: 1 Stck.) für einen Cent heute kaum mehr zu bekommen und wenn er schon so billig ist, dann soll sich niemand über das doofe Motiv beschweren. Zum zweiten könnte man sich für 45 Cent 45 Marken kaufen, sie geschickt miteinander verkleben, bekritzeln und hätte so eine nur aus Marken bestehende Postkarte – für Freunde des postmodernen Extrempurismus. Zum dritten aber lassen sich die Marken gut als hochflexibles Gestaltungselement nutzen. Bei einer Markengrösse von 2x4 cm braucht man pro Quadratmeter nur 1250 Marken, also 12,50 Euro, um Oberflächen von Tisch, Wand oder Fenster lustig zu bekleben: Eine echte Markentapete, die buchstäblich jeden Cent wert ist.


03.11.2005 | 16:04 | Alles wird besser | Alles wird schlechter

Das gehört so!


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
"Corbjin arbeitet gerne mit Kontrasten: Schwarz ist richtig Schwarz , Weiss so richtig Weiss. Scharfe Bilder sind recht selten & überhaupt ist die Bildqualität schlecht , alles ist meist grobkörnig. Doch das ist Absicht & jeder , der sich über die schlechte Bildquali beschwert hat Corbjin überhaupt nicht begriffen. Das gehört so ! Das ist Kunst!"
So schreibt ein Amazon-Rezensent über die DVD des Fotografen und Videoclip-Regisseurs Anton Corbijn. Die DVD erscheint in der zweiten Staffel einer bereits eingeführten, erfolgreichen Serie namens The Work of Director.... In der ersten Staffel war die erste Liga dieser Regisseure versammelt, Chris Cunningham (Aphex Twins "Come to Daddy" und "Windowlicker"), Spike Jonze (Der traurige Daft-Punk-Hund mit dem gebrochenen Bein, das Fatboyslim-Tanzvideo "Praise You" in Las Vegas), und der allerkreativste: Michel Gondry mit Meisterwerken u.a. für die White Stripes, Kylie Minogue und Foo Fighters bizarrer Traum "Everlong", und jeder natürlich auch ein paar der prächtigsten aller Björk-Videos.

In der zweiten Staffel ist nun nicht eine zweite Liga versammelt, sondern schauderhafte Konfektionsware aus der untersten Schublade, eben der oben erwähnte Corbijn, der vor etlichen Jahren einmal eine einzige, magere Idee hatte (kein Wunder, der Mann ist Holländer), nämlich Musiker besonders kontrastreich S/W zu fotografieren, und weil Musiker ganz besonders eitel sind, und man von ihnen nicht auch noch erwarten kann, dass sie eine Ahnung von Ästhetik haben, standen alle Musiker bei Corbijn plötzlich Schlange, und weil sie schon mal da waren, liessen sie sich von ihm auch noch gleich ein Video machen. Da halten sie dann immerzu irgendwelche Gegenstände vors Gesicht, fahren mit dem Trabbi durch Berlin und Rapsfelder, oder er steckt Kinder in schwarze und weisse Mönchskutten, auf denen entweder ein Minus- oder Pluszeichen gemalt ist, und jagt sie durch die Dünen. Gnade!
Warum verwechseln so viele Menschen eigentlich Kunst mit Kunsthandwerk? Warum Kreativität mit einer Makrameeeule? Wie die SPD in ihrer Zentrale das schauderhafte Willy-Brandt-Denkmal des schwulen Schmiermalers Rainer Fetting, das Gerhard Richter zu Recht als Zombie bezeichnete. Wie ein zeitgenössischer Zombie aussieht, zeigt (siehe Bild) Chris Cunningham mit seinem neuen lynchesken Video "Rubber Johnny", das er gleich für sich selbst gemacht hat.

Tex Rubinowitz | Dauerhafter Link


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