Riesenmaschine

15.07.2005 | 18:36 | Alles wird besser | Papierrascheln | Vermutungen über die Welt

Führerscheinentzug macht Dealer zu besseren Menschen

Die Entscheidungen des Großen Senats für Strafsachen sollten jedem Haushalt zugehen, dem am Prädikat "gut geführt" gelegen ist. Das exklusive Gremium befindet durchschnittlich ein Mal im Jahr über Grundsatzfragen des Strafrechts. Die Pressemitteilungen ließen sich folglich problemlos dem IKEA-Katalog beilegen. Beispielsweise die jüngste Entscheidung (1) des BGH-Organs: Wieviel Ruhe und Ordnung könnte in Familien herrschen, wären Einsicht und Anwendungsbereitschaft vorhanden!

Den Anlass für den Beschluss gaben drei Strafverfahren, bei denen die Täter – Dealer, Räuber, Betrüger – vor oder nach Begehung der Straftaten Auto fuhren. Als Maßregelung zur Besserung und Sicherung wurde ihnen die Fahrerlaubnis entzogen (2). Der Generalbundesanwalt fragte sinngemäß, ob das die richtige Hilfe für die "Patienten" (3) sei. Die Angeklagten hätten zwar einiges verbrochen, aber keine Straßenverkehrsdelikte. Der Große Senat meint nun, ihre Führerscheine sollten die Angeklagten nicht zurück bekommen, weil "die Anlasstat tragfähige Rückschlüsse darauf zulasse, daß die Täter bereit seien, die Sicherheit des Straßenverkehrs ihren eigenen kriminellen Interessen unterzuordnen" (4).

Eine höchstinstanzlich abgesicherte Erziehungsmaßnahme wäre folglich ein Inline-Skate-Verbot für das Kind, das beim Kiffen erwischt wurde. Falls es dagegen anquengelt ("Reine Schikane! Das eine hat ja wohl voll nichts mit dem anderen zu tun!"), trumpft man mit der neuesten BGH-Argumentation auf: "Doch, hat es wohl! Wenn Du wieder kiffst und danach skatest, könnte es sein, dass Du einen Fußgänger umfährst. Noch ist es nicht passiert, aber wer weiß, wann!" Eben. Das kann keiner wollen.

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(1) Aktenzeichen GSSt 2/04 vom 27.04.2005
(2) § 69 Absatz 1 Satz 1 Strafgesetzbuch
(3) Interner Staatsanwaltschaftssprech
(4) Presse/Info anklicken, dort: Pressemitteilung 79/2005

Antonia Rossdeut | Dauerhafter Link


15.07.2005 | 17:19 | Alles wird besser | Alles wird schlechter | Sachen anziehen | Vermutungen über die Welt

Textile Displays


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Wir alle sehnen uneingeschränkt die Marktreife von grafikfähigen, elastischen Displayfolien von der Rolle herbei. Was danach kommt, liegt angesichts des Trends zum anziehbaren Digitalium auf der Hand: Das Wearable Display. Ausgestattet mit einer eingewobenen Kurzstreckenfunkantenne meldet sich das neuerworbene T-Shirt per Bluetooth als Ausgabemedium beim Mobiltelefon an. Vorbei sind die Zeiten, in denen veraltete Heavy-Metal-Tourdaten-T-Shirts das Straßenbild störten. Zukünftig teilt uns die ausgewaschene Oberbekleidung unserer Mitmenschen minutenaktuell mit:
Motörhead – Jul 17/05 Wiesen, Austria Forestglade (CANCELLED), Oct 7/05 Gothenburg, Sweden Scandinavium (noch 232 Karten an den Vorverkaufskassen) Am Ärmelbund rotieren die Headlines des Tages gefolgt von der aktuellen Wettervorhersage.

Auch Peer-To-Peer-Anwendungen sind denkbar: In der Bahn beispielsweise lässt sich das Top des Gegenübers als Pong-Spielfeld verwenden, während auf der eigenen Brust "Fight Club" läuft. Größere Oberweiten sind zugunsten einer verzerrungsfreien Wiedergabe zu meiden. Für den modernen Opportunisten bietet sich der Abgleich des Aufdruckes mit den in der gleichen Funkzelle angemeldeten Bekleidungsstücken an. So wird aus "Bier formte diesen wunderschönen Körper" im Nu "Unterwegs im Auftrag des Herrn", sobald die Kirchentagsbesucher im Kleinbus vorbeifahren. Auseinandersetzungen zwischen Fußballfans können so auf ein Minimum reduziert werden.

Aber auch auf Gefahren und Risiken soll hier hingewiesen weden. Denn Jamba!, die taschengeldfressende, kreischende Klingelton-Krake ist stets auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern. Schon kurz nach Markteinführung der Display-Shirts werden Kooperationen mit den Herstellern geschlossen, die sich darin verpflichten, sämtliche Bekleidungsstücke mit Unerträglichem vorzukonfigurieren. Besonders beliebt werden kurze Animationen sein, ähnlich den animierten GIFs aus der grauen Vorzeit des Webs.
Blinkende Werbebanner werden das Straßenbild prägen, da sie den Kaufpreis der Wearware auf 1 Euro Asterisk reduzieren. Das Kleingedruckte überlässt dem Betreiber den eigenen Oberkörper als beliebig bespielbare Werbefläche. Wer das alles nicht will, wird seufzend die gelb-gefiederte Geflügel-Widerlichkeit auf der neuerworbenen Anziehsache durch das kostenpflichtige "Weg!"-Motiv aus der Spar-Abo-Kollektion ersetzen müssen.

Egal, trotzdem! Her mit den Displayfolien! Wie lange sollen wir denn noch warten?


15.07.2005 | 14:20 | Alles wird besser | Essen und Essenzielles

Flotte Biene


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Es ist ja Sommer – und der dem Sommer angemessene Brotaufstrich ist weder Mettwurst noch Chilipaste, sondern Honig, das naturbelassene Naturprodukt aus der Natur. Von minderjährigen, halbnackten Honigbienen wird Honig liebevoll in sortenreinen Wäldern (Klee, Akazie) gesammelt, um alternden Onkels erst Atzung, dann Labsal zu verschaffen und ihnen so ihren Lebensabend zu versüssen. Der Firma Langnese ist es zu verdanken (nicht erst seit neuestem, aber bislang noch nicht hinreichend gewürdigt), dass der Honig erstmals in der Weltgeschichte ohne Klebrückstände aufs Brot kommt (oder ist von Catull überliefert, dass er je sagte: Petronia – der Honig klebt gar nicht mehr? Eben), und zwar dank der aus der Klebstoff-Industrie übernommenen, dort wiederum der Proktologie entlehnten Ausscheide- und Verschlusstechnik des Produkts "Flotte Biene". Immer wieder erstaunlich, wozu so genannte Abfallprodukte in der Lage sind. Wer zum Beispiel hätte vor 30 Jahren geahnt, dass die Raumfahrt mal ein Abfallprodukt der Teflonforschung werden würde?


13.07.2005 | 15:42 | Nachtleuchtendes | Alles wird besser | Sachen kaufen

Einen im Kronleuchter


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Wie wir von der handtuchhalterförmigen Heizung wissen, freut sich der Designer, wenn ein Gegenstand zwei Funktionen hat. Zwei der wichtigsten Wohntätigkeiten werden durch den Kronleuchter "Glasklasen" des schwedischen Designbüros Nasielsky endlich miteinander verbunden: sehen und trinken. Der Lüster besteht neben der Glühbirne aus einem Gestell, in das beliebige Gläser hineingehängt werden können – mit ihrer Farbe und Form beeinflussen sie das entstehende Licht. Folgender Dialog ist ab sofort also kein Unsinn mehr: "Es ist so dunkel bei Dir" – "Dann lass uns ein Gläschen Whisky trinken".


13.07.2005 | 14:24 | Alles wird besser | Sachen kaufen

Blobjects


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
In der Schnittmenge von Industriedesign und Möbelgestaltung treffen sich auch Wissenschaft und Geschmack. Das gilt ganz besonders für blobjects, also die Ergebnisse des seit den 90er anhaltenden Trends für die "Neue Fluidität" im Design (die dazugehörige Austellung geht in diesen Minuten im San Jose Museum of Art zu Ende). Nebenstehend zu sehen ist Marc Newsons "Lockheed Lounge", der mit Namen und Design zeigt, woher der Wind weht – nämlich aus dem Flugzeug und dessen aerodynamischer Formgebung.


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)

Wohin dieser Trend führt, der bei Möbeln und Accessoires inzwischen auch durch die niederen Preissegmente getrieben wurde, ist schwer abzusehen. Wenn man sich aber die ebenfalls in der genannten Ausstellung befindlichen bunten Lampen ansieht, dann ahnt man: der Warnaufkleber "Bitte nicht anlecken" könnte in der Zukunft eine wichtige Rolle im Möbelgeschäft spielen.


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