05.10.2007 | 12:22 | Alles wird besser | Sachen kaufen | Effekte und Syndrome
Prag, das dritte Amsterdam beziehungsweise das achte Rom (cirka), revolutioniert den Energiegetränkemarkt (ein wenig): Kamikaze, ein flüssiger Drink in Dosendarreichung, besticht durch vier vollkommen verschiedene Vorzüge, die jetzt nacheinander aufgezählt werden: 1. Er ist komplett in tschechisch beschriftet und erschwert damit das Herausfinden der Inhaltsstoffe. 2. Er enthält neben den ubiquitösen Koffein und Guarana noch den Fatburner Synephrine sowie Wirkstoffe aus Hanfsamen und Erd-Burzeldorn (Tribulus terrestris), einem mutmasslichen Potenzmittel und/oder natürlichem Anabolikum, und damit die wirrste Zusatzstoffzusammenstellung seit Jef d'Honts Zaubertrank. 3. Jedoch enthält der Kamikaze-Drink keine Kohlensäure, was zur Folge hat, dass er nicht nur wie gesüsster Tierschweiss riecht, wie alle anderen Energy-Drinks, sondern auch so schmeckt. 4. Das Zeug erhält einen genau bis zu dem Punkt hellwach, an dem man beschliesst, ins Bett zu gehen. Ansonsten hat es allerdings nur Nachteile.
02.10.2007 | 01:09 | Anderswo | Alles wird besser | Zeichen und Wunder
 links: Paris vorher / rechts: Paris nachher (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Le Corbusier schlug 1925 im 'plan voisin' vor, die schmutzige, unhygienische, dunkle, veraltete und nicht autogerechte Altstadt von Paris abzutragen und auf den Trümmern ein Raster von Strassen und nach der Sonne ausgerichtete Hochhäuser zu bauen. Er dachte sich, dass so alle Menschen in Licht, Luft und Sonne funktional und gesund leben könnten und versprach sich (und allen anderen) davon eine bessere, lebenswertere und gerechtere Welt. Wie man heute noch sehen kann, ist Corbusier mit seinem Vorschlag kläglich gescheitert. Er war den Leuten wohl irgendwie zu technisch.
 links: Paris vorher / rechts: Paris nachher (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Ganz anders hingegen seine Majestät Maharadja Nader Raam. In "perfekter Beziehung zum Kosmischen", zum "unendlichen und unbegrenzten Feld des Bewusstseins" und "dem allem zugrunde liegenden gesamten Naturgesetz" kommt jetzt sein Vorschlag für den Neuaufbau von Paris nach Sthapatya-Veda, von dem er sich (und allen anderen) "Leben in Erleuchtung, vollkommener Gesundheit, Wohlstand, Unbesiegbarkeit und Frieden" verspricht: Seine neue, ideale Stadtplanung sieht vor, die Altstadt von Paris abzutragen und auf den Trümmern ein Raster von Strassen und nach der Sonne ausgerichtete Häuser zu bauen.
Na also. So gehts doch auch, Herr Corbusier!
29.09.2007 | 14:31 | Alles wird besser | Zeichen und Wunder
 Auch als Vogelscheuche zu bemitleiden: Die CD (Foto: zenera) (Lizenz) CDs, das waren runde, häufig silbrig glänzende Scheiben zur Datenspeicherung aus den 1990er Jahren. In der ursprünglichen Form wurde ihre Kapazität von immerhin 0.0007 TB häufig mit nur 45 Minuten Musik vergeudet, die anfangs nur auf Geräten für sogenannte Stereoanlagen abzuspielen war. Später wurde sie mangels Alternativen von Menschen, die dafür Zeit hatten, zur Datensicherung eingesetzt. Dazu liess man wegen des starren Formats grosse Teile leer oder versuchte mühselig diese oder jene Datei hinzuzustückeln, damit sich das Brennen auch lohnte. Es soll sogar einige Computerspezialisten gegeben haben, die sie als wiederbespielbares Medium verwendeten. Ebenfalls unnütz war der Einsatz der CD als Untersetzer, sie war eindeutig zu gross und meist unangenehm bedruckt.
Da freut man sich, dass am Ende des ihres Technologiezyklus doch noch jemand etwas Interessantes mit ihr anfangen konnte: Spanische Tüftler haben aus einem handelsüblichen CD-Spieler ein Messgerät zur Hochdurchsatzanalyse von Pestiziden mittels Immunoassays gebaut. Wenig überraschend kann es trotz extra Lasern mit spezialisierten Geräten nicht mithalten, ist aber schön billig. Eines schönen Tages verspricht man sich 300.000 Proben auf einer Scheibe unterzubringen und soll damit Heimdiagnose von Krankheiten durchführen können. Den CD-Spieler also noch zweimal umziehen und dann mutig entsorgen ("Werde sowieso nicht krank"). Zum Werfen sind Floppies sowieso besser geeignet.
23.09.2007 | 15:44 | Alles wird besser | Essen und Essenzielles
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Wenn der Mensch sich nicht ständig neuen Reizen aussetzt, wird er binnen zwei Wochen 70 Jahre alt und stirbt an Unterdruss. Irgendeine unserer archaischen Hirnregionen, die mit zunehmender Nähe zum Tod schwächer wird, zwingt uns dabei, regelmässig Neues in den Mund zu stecken. Das kann auch sehr leicht schief gehen, deshalb hat die Natur das Halbneue extra für uns entwickelt; Dinge, die einen bekannten Bezug haben, aber alle begeisternde Famosität des Neuen in sich tragen. Ein solches Beispiel in klinischer Reinform ist der Caju-Saft. "Ja, ein Saft von einer hier unbekannten Frucht halt, so what", so schallt es aus den Mündern der BTDT-Fraktion.
Doch die Frucht ist zwar in Deutschland kaum bekannt, dafür ihre Kerne um so mehr, denn es handelt sich um Cashew-Kerne. Noch viel wunderbarer ist, dass die Frucht sich um althergebrachtes Regularium nicht schert, sondern ihren Kern an der Oberfläche wachsen lässt – eine in der Natur seltene und vorbildliche Benutzerfreundlichkeit, wenn man bedenkt, wie lästig etwa die Mango um ihren Kern herum festgewachsen ist, und die Kokosnuss ist jetzt mal lieber still. Der Saft also aus der Frucht unter den Cashew-Kernen, in Deutschland noch nicht so einfach zu kaufen, ist das nächste flüssige Ding zum In-den-Mund-Stecken. Die Frucht heisst übrigens Cajuapfel, was sich anhört wie Casual Apfel und besser kann eine Frucht kaum heissen, man könnte sich regelrecht in eine Fruchtbegeisterung hineinsteigern, so überaus fantastisch ist das alles, so grossartig halbneu. Der Saft selbst schmeckt übrigens so mittel, aber immerhin sehr neu.
20.09.2007 | 23:06 | Alles wird besser | Sachen kaufen
 Schmerzgadget (typähnlich) Foto, LizenzDie amerikanische Waffen-Firma Raytheon versteht etwas von Schmerzen. In ihrer 85jährigen Geschichte hat sie erst den Deutschen Schmerzen zugefügt, dann den Vietnamesen, schliesslich den Taliban und Irakern und zwischendurch allen möglichen anderen Völkern, ja, selbst an der Mondinvasion war man beteiligt. Da verwundert es nicht, wenn Raytheon jetzt Schmerzen direkt anbietet, ohne langwierige Umwege über Marschflugkörper, Torpedos und Amphibienfahrzeuge. Der Schmerz befindet sich, wie man der Daily Mail kürzlich entnehmen konnte, in einem kleinen handlichen schwarzen Kasten mit dem freundlichen Namen Silent Guardian. Kaum kommt man ihm zu nahe, schnappt er zu, der Kasten, genauer gesagt brüht er die Wassermoleküle in der Haut mit Hilfe von Mikrowellen kurz auf. Man glaubt es erst nicht, aber offenbar hat das unfassbare, unerträgliche Schmerzen zu Folge, vor denen man nur noch wegrennen kann, wobei, tut man dies, keinerlei Folgen der Behandlung zurückbleiben. Ungetrübtes und folgenloses Schmerzensglück also, wer wollte da keinen Krieg vom Zaun brechen.
... 30 31 32 33 34 [35] 36 37 38 39 40 ...
|
IN DER RIESENMASCHINE
ORIENTIERUNG
SO GEHT'S:
- Lebende Holzkohle
- Binnenpluralismus
- Sexy Grandma Chic
- petrarkisch denken, petrarkisch handeln
SO NICHT:
- provokative Oberbekleidung
- Rattenartiges
- Organisches (schimmelt)
- ein Jahr brauchen, um zu begreifen
AUTOMATISCHE KULTURKRITIK
"The Last King of Scotland", Kevin Macdonald (2006)
Plus: 9, 15, 39, 42, 52, 63, 65, 77, 79, 88 Minus: 19, 78, 133, 140 Gesamt: 6 Punkte
KATEGORIEN
ARCHIV
|
|