Riesenmaschine

01.06.2007 | 01:42 | Alles wird besser | Essen und Essenzielles

Salz der Erde


Manche Leute behandeln ihre Eier, als hätten sie noch ein paar im Kühlschrank. (Foto: thenaturalizer) (Lizenz)
Wenn man ein schön gekochtes Frühstücksei vor sich auf dem Tisch stehen hat, geköpft oder aufgeklopft, dann kann man durch das Draufstreuen von Salz dessen Geschmack so modifzieren, dass es noch besser schmeckt, also eine zentrale seiner inhärenten Eigenschaften verbessern. Klingt vielleicht überraschend, ist aber so. Noch überraschender ist, dass es bei der Erde, obwohl sie auch wie ein aufgeklopftes Frühstücksei aussieht, ganz anders ist. Überdüngung und Austrocknung führen zur Versalzung, und darüber freut sich niemand so recht, nicht einmal, wenn sie eigentlich ganz gut zum Namen passt. Pflanzen wachsen in Versalzenem nicht mehr gut, und auch das ist beim Frühstücksei (Ausnahme: Kressekopf-Ei) erwünscht, bei der Erde aber eher lästig. Die Lösung des Problems – salzfressende Pflanzen – liegt wie alle guten Ideen eigentlich auf der Hand, es musste nur erst jemand drauf kommen. Das ist jetzt geschehen, und selbst wenn jemand Einwände haben sollte, kann man ja einfach eine Pflanze züchten, die sich von Argumenten ernährt. Alles prima also, und wir können uns wieder den wirklich wichtigen Problemen widmen, unserem Frühstücksei zum Beispiel. Igitt, was wächst denn da drauf?


30.05.2007 | 19:55 | Alles wird besser | Fakten und Figuren

Rechnen, kinderleicht

Angeregt vermutlich durch den Konsum bewusstseinsvernebelnder Substanzen, machten sich in den siebziger Jahren Vertreter der Neuen Mathematik daran, ein recht altes Problem – wie bringt man zu kurzen Menschen ohne Sinn und Verstand (Kindern) etwas bei, vor dem sie Angst haben (Zahlen) – durch ausgeklügelte Erziehungsmethoden noch ein bisschen kniffliger zu machen. Die natürlichen Zahlen lassen sich auf abstrakten Mengenoperationen begründen, und Kinder, die mengentheoretisch auf der Höhe seien und also die roten Dreiecke in die richtige Schnittmenge schöben, könnten später auch Taschenrechner bedienen und Wechselgeld rausgeben und also funktionierende Mitglieder der Gesellschaft werden. Dass das Argument nicht hinhaut, und die Mengenlehre bei der Mathematikerziehung nicht half, liegt nicht etwa an Schwächen der Mengenlehre selbst, die, nicht zuletzt dank ihres Erfinders Georg Cantor, Argumente von atemberaubender Schönheit enthält, sondern an den doofen Kindern, denen es weniger Spass macht, auf dem Auswahlaxiom herumzukauen als auf Kaugummi. Wie wir aber aktuell aus Nature erfahren, ist die Hoffnung trotzdem noch keine leere Menge. Im Gegenteil nämlich können Kinder – ohne irgendwelche formale Mathematik oder Zahlensysteme beigebracht bekommen zu haben – verhältnismässig grosse Zahlen halbwegs akkurat addieren, subtrahieren und vergleichen. Vielleicht wird es Zeit für einen abermals neuen Ansatz in der Mathematikerziehung: die Fühlmathematik-Methode. Ob es mehr gefühlte Zahlen gibt oder mehr natürliche, wäre dann allerdings wohl wieder eine Frage für die Mengenlehre. Schade, dass Cantor schon tot ist.


28.05.2007 | 12:00 | Nachtleuchtendes | Alles wird besser

Das infrarote Superflugzeug

SOFIA heisst jetzt Clipper Lindbergh und absolvierte einen ersten Testflug ohne grössere Probleme. Clipper Lindbergh also. Bei Clipper Lindbergh (ein herrlicher Name übrigens) handelt es sich um eine Kollaboration zwischen NASA und Deutschland: ein zweieinhalb Meter grosses Infrarotteleskop, das, man glaubt es kaum, von einem normalen Flugzeug aus Sterne, Planeten, Galaxien, Nebel, das ganze Zeug eben, ansehen wird. Es operiert quasi auf halbem Wege zwischen Erde und Weltall, was für Infrarotastronomie vollkommen ausreicht – IR-Strahlung wird im Wesentlichen von Wasserdampf verschluckt, der sich netterweise unterhalb 13 km aufhält, der vorgesehenen Flughöhe von SOFIA, ups, Clipper Lindbergh. Clipper Lindbergh ist damit der direkte Nachfolger des in einer Erdumlaufbahn geparkten Infrarotsatelliten Spitzer, der nächstes Jahr langsam seinen Geist aufgeben wird. Aber vergleichen Sie bitte selbst: Spitzer vs. Clipper Lindberg, also bitte. Abgesehen vom Namen noch ein Vorteil: Ab 2009 oder so werden Infrarotastronomen, die schlüssig begründen können, was sie mit Clipper Lindbergh Sinnvolles beobachten wollen, zu diesem Zweck in der Stratosphäre herumgeflogen. Ins richtige Weltall lassen sie einen ja doch nie.


27.05.2007 | 03:02 | Alles wird besser | Zeichen und Wunder

Teufel hilft Beelzebub über die Strasse


Von einem dieser Wörter weiss der Computer schon, wie es richtig geschrieben wird. Vom anderen noch nicht. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Oft hat sich in der Geschichte der Menschheit die Lösung eines Problems hinterher als das viel grössere Problem entpuppt. In seltenen Fällen jedoch gelingt es, den Teufel tatsächlich mit dem Beelzebub auszutreiben: Das Projekt ReCaptcha (via SmartMobs) zwingt auf elegante Weise zwei Probleme – nämlich zu viel Spam und zu wenig digitalisierte Bücher – dazu, sich gegenseitig zu lösen. Weltweit werden täglich um die 60 Millionen Captchas gelöst, was ungefähr 150.000 Arbeitsstunden entspricht. Dank ReCaptcha werden diese 150.000 Stunden jetzt in die Entzifferung unleserlicher Stellen aus digitalisierten Büchern investiert, die Menschheit jubelt und schwenkt Fähnchen. Sicher gibt es auf der Welt noch mehr Problempaare, die sich so harmonisch ineinander verschränken lassen. Vielleicht lässt sich ja aus "Wer soll unsere Renten bezahlen?" und "Wozu eigentlich diese ganzen albernen Kontaktforen im Internet?" was machen.


25.05.2007 | 12:19 | Alles wird besser | Alles wird schlechter

Tsille Pots


Leicht fehlerhafter Schöpfungsnachbau. (Foto: bmelcher) (Lizenz)
Wer in einer schriftlichen Prüfung sitzt und schwitzt, tut gut daran, sich daran zu erinnern, dass das Abschreiben eins der fundamentalsten Naturprinzipien ist – neben Gravitation, Uhu und Schnurgummis. Genauer gesagt ist es die unvollkommene Kopie, die die Evolution vorantreibt, Bücherregale mit vermeintlich neuen Ideen vollmacht und aus zwei alten und halbkaputten Menschen einen blitzblanken jungen macht. Der dann wiederum von anderen jungen Menschen kopiert: Musikdateien, Kleidungsstile und Antworten in Prüfungen; der ewige Kreislauf der abschreibenden Natur. Man könnte sogar der Ansicht sein, die Differentialgleichungen der physikalischen Naturgesetze seien nichts als die kontinuierliche Variante eines Bündels diskreter Anweisungen, wie aus einem Moment der jeweils nächste herzustellen sei: durch fehlerhaftes Abschreiben nämlich.

Weil nun aber so viel in der Welt auf einer Variante der stillen Post beruht, kann man durch eine Untersuchung von Kopierfehlern eine ganze Menge herausfinden. Die Fehler, die beim Kopieren der DNA gemacht werden, lassen sich als Molekulare Uhr zum Datieren evolutionärer Divergenz benutzen, die Tippfehler, die sich in Bibliographien wissenschaftlicher Artikel einschleichen, erlauben Aufschluss darüber, wie viele der zitierten Aufsätze tatsächlich gelesen wurden (ungefähr ein Fünftel), und wie viele aus anderen Artikeln abgeschrieben (ungefähr vier Fünftel). Und in der Popkultur können, einer neuen Studie zufolge, einfache Kopiermodelle das Auftreten von Moden und die Dynamik von Hitparaden weit besser erklären als ein Pulk von Trendforschern und Systemtheoretikern, den man an einen Schnurgummi geklebt und von einer Brücke geworfen hat.


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"Evil Aliens", Jake West (2005)

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Minus: 7, 15, 46, 80, 89
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