Riesenmaschine

20.12.2006 | 22:35 | Anderswo | Zeichen und Wunder

Netzplanspinnereien HD

Sich über Kleinstädte zu belustigen ist eine Charakterschwäche, die nur noch von Spott über deren Nahverkehrsversorgung unterboten wird. Und wer den neuen Heidelberger Bus- und Bahnlinienplan studiert, wird beim Betrachten der Berliner Netzspinne nur gähnen und sich fragen, welche Kleinodien in anderen innovativen Kleinstädten übersehen werden.

Zeitvertreib für den 20-Minuten-Takt am Sonntag (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Die liebevolle Gestaltung der Bushaltestellen am Technologiepark, die überraschend auftauchende S-Bahn, der leider schlecht angebundene Philosophenweg (Philosophers' Way) verheissen schliesslich einen ungezwungenen Umgang mit Weg und Ziel. Die Grafik suggeriert überdies lange, komplizierte Umsteigewege, da werden bei Zugezogenen wie Touristen Erinnerungen an Paris und London geweckt. Darin zeigt sich die Metropolregion Rhein-Neckar (inkl. Mannheim und Ludwigshafen) zukunftsgewandter als in allen Werbungen als Forschungsstandort mit Leuten in Kitteln.
Die Tram nach Kirchheim wie geplant in nur zwei Jahren gebaut, beim WLAN ganz vorne dabei, nur bis zur flächendeckenden Einführung der Teleportation dauert es noch. Daher empfiehlt es sich heute noch, einfach zu laufen, wenn man den Plan gründlich studiert hat.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Innovationsdruck Kleinstadt


19.12.2006 | 18:35 | Anderswo | Zeichen und Wunder

Babyball

Seit David Stern in diesem Jahr High-School-Absolventen verbot, professionell Basketball zu spielen, muss man wieder anständig aufs College gehen, um diesen ehrvollen Beruf ergreifen zu dürfen, auch wenn einige Sportsfreunde dadurch perspektivisch sicher so zig Millionen Dollar Verlust machen. Verbote jedoch können nicht den Trend zu Frühreife aufhalten, der wissenschaftlich ausserordentlich gut belegt zu sein scheint: Menschen ejakulieren immer früher, sie kopulieren früher, sie imitieren immer früher Metal-Bands, sie wachsen schneller und sie würden früher Kinder kriegen, wenn sie nicht früher wüssten, wie sie das verhindern können.

Und sie beherrschen in immer jüngerem Alter Crossover-Moves, No-Look-Passes und Layups, sowohl mit rechts als auch mit links. Diese rein biologische Entwicklung wird gesellschaftlich nicht nur getragen, nein, sogar bejubelt, vielleicht nicht gerade bei der Kopulation, aber zumindest beim Basketball: Youtube wohnt zur Zeit einem Fernduell der beiden angeblich besten sechsjährigen Basketballer der Welt bei. Marquise Walker, lange Zeit unumstrittene Nummer eins in seiner Altersklasse, konnte mit drei zwei Bälle auf einmal dribbeln und warf in seinem allerersten Spiel, er war gerade vier, 90% aller Körbe. Er hat die anderen Kinder schlicht zerstört. Aber dann tauchte scheinbar aus dem Nichts Donovann Toatley auf und behauptet, dass er noch besser ist. Gespannt warten alle auf ein direktes Duell der beiden. Bis dahin können sie vielleicht auch weiter als bis zehn zählen und müssen nicht mehr nach dem neunten Treffer aufhören.

Aleks Scholz | Dauerhafter Link


18.12.2006 | 06:58 | Anderswo | Alles wird besser | Sachen kaufen

Fahrgeschäft

Achterbahn fahren und Einkaufen gehen ist ja schon in Deutschland eigentlich dasselbe. In China ist es jetzt auch tatsächlich dasselbe, denn dort konvergieren gerade Fahrgeschäft und Supermarkt zu, nun ja, einem Fahrgeschäft: Anstatt die Konsumoptionen abzuschreiten fährt man in einem kleinen Wagen durch den Laden und nimmt sich raus, was einem gefällt. Es ist also irgendwie so wie mit dem Smart durch Berlin Mitte zu fahren.


16.12.2006 | 14:09 | Anderswo | Alles wird besser | Was fehlt | Vermutungen über die Welt

Von Luft und Liebe allein


keine autonomen Systeme (Foto: brappy / Lizenz)
Man kann der Natur so einiges und manches vorwerfen. Dass sie Kraut und Rüben sei zum Beispiel. Und dass der Wald nicht gekachelt ist, auch. Doch eines nicht: Dass Maikäfer abstürzen, wenn ihre zwei AAA-Zellen leer sind, Katzen sich alle zwei Stunden heimlich in die Ladestation im Flur setzen, um ihre Lithium-Ionen-Akkus aufzuladen und Ameisen auf die Strasse gehen, wenn Vattenfall die Strompreise erhöht.

Das liegt daran, dass die Natur im Gegensatz zum Menschen ihre Gadgets häufig als autonome Systeme gestaltet. Während der Mensch darunter eine Gruppierung versteht, die alljährlich zum ersten Mai die schöne Oranienstrasse kaputtwirft, statt zum Beispiel mal den Potsdamer Platz, meint die Natur damit, dass sich ihre Gimmicks die Energie, die sie zum Sachen-und-Dinge-Tun so brauchen, einfach selber machen. Es ist ja nicht so, dass die Fernsehfernbedienung beispielsweise keine Gelegenheit hätte, ihren Energiehaushalt zu decken: Im Laufe eines durchschnittlichen Fernsehabends wird zumindest auf die Kanalinkrementierungs- und -dekrementierungstasten eine Menge an mechanischer Energie ausgeübt, die umgewandelt den Strombedarf einer Kleinstadt deckt. Für sehr kurze Zeit zumindest. Genug jedenfalls für das kleine Infrarotlämpchen einer Fernbedienung, die dann ganz ohne Batterien auskäme.

Dass so etwas und noch viel tollere Dinge (Tapeten, die aus dem Lärm der Nachbarskinder Strom für die eigene Stereoanlage erzeugen, Mobiltelefone, die sich aufladen, wenn man seinen Gesprächspartner nur laut genug anschreit) tatsächlich funktionieren, beweist das Graduiertenkolleg Micro Energy Harvesting der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg, obwohl es das überhaupt erst seit Oktober gibt. In einer Pressemitteilung heisst es: "Die Umsetzung dieser Vision wird zahlreiche neue Produkte ermöglichen und unsere Lebensumwelt in Zukunft vielfach beeinflussen." Eines dieser neuen Produkte könnte zum Beispiel die Rotationsenergie von Fahrradrädern dazu nutzen, Front- und Heckscheinwerfer mit Strom ... schon gut.


15.12.2006 | 12:41 | Anderswo | Alles wird schlechter | Sachen kaufen

Aerobe Handelshemmnisse


Original deutsche Weltmeisterschaftsluft vom Endspiel in Berlin
Ein schwerer Rückschlag für die deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen. Wie China Daily meldet, verlor vorgestern vor dem Volksgericht des Pekinger Chaoyang Distrikts ein Mann namens Li Jie seinen Prozess gegen die zuständige Industrie- und Handelskammer. Li Jie, seines Zeichens auch Chefdiplomat der "Botschaft des Mondes in China", plante 25 Plastikbeutel mit Fussballweltmeisterschaftsluft zu verkaufen, die er von einem deutschen Geschäftsmann bezogen hatte. Die Luft war während der Fussballweltmeisterschaft in verschiedenen deutschen Fussballstadien eingesammelt worden und sollte für 50 Yuan (5 Euro) das Stück an interessierte Fussballweltmeisterschaftsluftsammler in China vertrieben werden. Die Industrie- und Handelskammer erklärte dagegen, "spezielle Luft von speziellen Plätzen" sei keine "industrielle Kategorie", und untersagte dem Geschäftsmann den Handel.

Herr Li hatte vor Gericht unter anderem die Schulbuchgeschichte "Der kleine Fuchs verkauft Luft" als Beweis herangezogen: "Ein Schulbuch kann doch unmöglich einen Gesetzesbruch propagieren", argumentierte der Geschäftsmann. Das Gericht wollte dieser ausgefuchsten Verteidigungsstrategie leider nicht folgen. Es war nicht der erste Rückschlag dieser Art, die Mondbotschafter Li Jie einstecken musste. Im letzten Jahr hatte die Pekinger Industrie- und Handelskammer ihm untersagt, Parzellen der Oberfläche seines Heimattrabanten für je 30 Euro zu verkaufen. Der Mond geht uns nichts an, aber in der Luftsache sollte Deutschland sofort Protest in China einlegen. Schliesslich können wir die verkaufen, an wen wir wollen. Und wohlmöglich haben wir demnächst nichts anderes mehr!

Christian Y. Schmidt | Dauerhafter Link | Kommentare (5)


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