24.09.2005 | 17:26 | Berlin | Fakten und Figuren
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Loomit, DanOne, Stone, CBS Crew, Try2Bust, RCB – diese Künstlernamen haben alle etwas gemeinsam: Sie stehen für Strassenkünstler, die sich vom Graffiti bis zur Tag-Schmiererei einen Namen gemacht haben. Bei näherem Hinsehen haben sie auch eine weitere Gemeinsamkeit. Sie sind sämtlich englisch oder hören sich so an. Beim HipHop hingegen, neben einigen Straßensportarten dem siamesischen Drilling von Graffiti, hat sich der Trend deutlich hin zur deutschen Sprache entwickelt. Wie das nebenstehende Beispiel zeigt, werden immer öfter auch deutsche Künstlernamen zum Taggen benutzt. Die Vermutung, es handele sich um echte Namen, stellt sich als statistisch unwahrscheinlich heraus: Knut war zuletzt 1960 in der Liste der 100 beliebtesten Vornamen (Platz 99), Karl 1950 (Platz 78) und Trude (Gertrud) war zwar auf dem ersten Platz, das war allerdings 1910. Und die Behauptung, dass hier eine 95jährige mit ihren beiden 55 und 45 Jahre alten Enkeln in einem U-Bahntunnel writen gegangen ist, ist zumindest äußerst mutig, wenn nicht sogar verwegen. Auch das Argument, es handele sich um ironische Verwendung, ist kein Gegenargument für die Neue Deutsche Namenswelle. Unter dem buntgemusterten Deckmäntelchen der Ironie feierten schon oft hundertausende Jugendliche ihre Leidenschaft für Schlager – ein echter, schließlich unironisch geronnener Trend. Wer Begriffe wie "taggen" und "writen" nicht sofort richtig deuten kann, dem sei dieses Glossar (pdf-Link) empfohlen – erstellt von der Berliner Polizei für besorgte Eltern, die ihren kleinen Karl nicht mehr verstehen.
22.09.2005 | 16:00 | Berlin | Fakten und Figuren
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)"Die Produkte der Kulturindustrie können darauf rechnen, selbst im Zustand der Zerstreuung alert konsumiert zu werden. Aber ein jegliches ist ein Modell der ökonomischen Riesenmaschinerie, die alle von Anfang an, bei der Arbeit und der ihr ähnlichen Erholung, in Atem hält."
Das schreiben Horkheimer/Adorno im berühmten Kulturindustrie-Kapitel der "Dialektik der Aufklärung". Von Kulturindustrie handelt auch die Ausstellung Produkt & Vision, die derzeit in der Kunstfabrik am Flutgraben in Berlin-Treptow stattfindet, genauer von "Schnittstellen und Trennlinien in Kunst und Wirtschaft". Eine weiterer Berührungspunkt besteht darin, dass auch der alerte Konsum der Ausstellung eher Arbeit als Erholung ähnelt.
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Tatsächlich verwischen die Grenzen zwischen Kunst, Wissenschaft, Unternehmensberatung und Werbung, indem ein Gutteil der Exponate aus enzyklopädischen Dokumentationen von Kunstprojekten im Wirtschaftskontext, akademischen Ausarbeitungen zu Themen wie "Der Einfluss von Pop- und Konsumkultur auf Wissensvermittlung und Bildungsmarketing", langatmige Videomitschnitte von Workshopsitzungen u.ä. besteht. Auch wenn zwischendurch Salat angebaut wird – der Bleiwüstenfaktor ist relativ hoch und erinnert damit an die letzte Documenta, die im Titel annoncierten Visionen zu Produkten sucht man hingegen eher vergebens.
Das Stochern im Brackgürtel zwischen Kunst und Kommerz entpuppt sich – zumindest hier – als eher trockenes Geschäft mit zahlreichen Stolperstellen und hohem Vermittlungsaufwand. Von der experimentellen Zusammenarbeit mit Künstlern, zu der sich der Cornelsen-Verlag als "Musterunternehmen" mehr oder weniger mutig bereit gefunden hat, entbirgt sich im Ausstellungskontext vor allem die etwas deplaziert wirkende raumgreifende Selbstdarstellung des Verlages. Nichtsdestoweniger wartet die Ausstellung mit einigen spannenden Positionen auf, die den Besuch zu einem durchaus lukrativen Unterfangen machen.
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.) Zu den Aktiva zählt eindeutig die umfangreiche Schaffensdokumentation der Künstlergruppe etoy, die auf dem Feld der künstlerischen Kommerz-Subversion als Benchmark, wenn nicht als Best Practice gelten kann. Für 2 € kann man aus umgebauten Kaugummiautomaten dort auch das neueste Produkt etoy.FIZZLE erwerben: gravierte Metallkügelchen, die als "Mikroinvestment" 1/50 eines etoy.SHARE bzw. 1/32.000.000 der etoy.CORPORATION entsprechen: eine greifbare Vision der Kunst als zweckfreies Produkt – und ein lohnendes Investment, vermutlich. Im Kulturverlag Kadmos, der gerade seinen Webauftritt renoviert, ist ein zweisprachiger Reader zur Ausstellung erschienen, den wir guten Gewissens empfehlen können.
21.09.2005 | 19:16 | Berlin | Alles wird schlechter | Listen
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Exklusiv für Riesenmaschine-Leser veröffentlichen wir hier Vordrucke für Wähler, die in einer Mail an die jeweiligen Parteien ihrem Unmut über die dräuende Schwampel Ausdruck verleihen wollen. Denn die Riesenmaschine schaut nicht nur nach vorn, sondern versucht erklärtermaßen auch, die Zukunft in ihrem Sinne mitzubeeinflussen. Die Vordrucke sind selbstverständlich in der Reihenfolge der Parteipräferenz aufgelistet, denken Sie sich also eine große Lücke zwischen den ersten beiden Parteien. Und so geht's: 1) Sich an die Partei erinnern, die man gewählt hat (wichtig: CDU ≠ CSU!). 2) Copy & Paste. 3) Mailadresse eintragen (liegt bei). 4) Abschicken. 5) Fertig.
Die Grünen / Bündnis90 (info@gruene.de): Liebe grüne FreundInnen! Das darf ja wohl nicht wahr sein! Ich habe am Sonntag aus Überzeugung und um Merkel zu verhindern Grün gewählt. Wenn jetzt die Schwampel kommt, die ebenso widerlich heißt, wie sie ist, dann wähle ich nie wieder grün! Ausserdem sage auch allen im Kollegium und den Schülern, dass die Grünen inzwischen nichts anderes mehr sind als eine FDP mit Öko-Firnis! Aus Scham vor diesem gefährlichen Flirt ist auch schon Joschka zurückgetreten, ich könnte echt heulen! Also untersteht Euch! Wehe! Da hilft auch nicht, dass Raider jetzt Twix heißt, bzw. Schwampel jetzt Jamaika-Koalition. Früher standet Ihr noch für [hier bitte, falls noch vorhanden, geeignete Ideale eintragen]! Mit einer geschwisterlichen Umarmung,
CDU (info@cdu.de) Sehr geehrte Dame und Herren, mit großer Bestürzung muss ich zur Kenntnis nehmen, dass die Partei, die ich noch am Sonntag als beste Vertretung meiner bürgerlichen Interessen betrachtete, inzwischen erwägt, mit Chaoten zusammenzugehen! Auch wenn Joseph Fischer durch den überwältigenden Erfolg der CDU quasi schon vorab in die Untätigkeit gezwungen wurde, so bleibt diese komische Revoluzzer-"Partei" doch nur eine Handbreit von Lenin und Trotzki entfernt! Und dafür haben wir jahrelang die US-Pershings vom Trecker aus mit der Mistgabel vor den Linksradikalen verteidigt, damit Sie jetzt quasi mit Moskau direkt koalieren? Das werden weder ich noch sonstjemand vom Stammtisch "Alte Heimat" akzeptieren! Praktisch das gesamte Dorf ist strikt dagegen! Mit freundlichem Gruße,
CSU (info@csu-bayern.de) Sie, Herr Stoiber! Also, äh, ich habe am Sonntag nach dem Gottesdienst die CSU gewählt, nun schon das neunte Mal bei einer Bundes, äh, -tagswahl. Aber Herrschaftszeiten nochamol, wenns jetzt mit den Saugrünen koaliern, dann wirds as letzte Mol gwesen sein! Der Schollmehmet (und des is a Türk, a halber!) hat seinerzeit schon ganz recht gsprochn: "Hängt die Grünen, solange es noch Bäume gibt"! Mir san mir, da helfen keine Pillen! Schon gar nicht bittere. Vergelts Ihnen Gott,
FDP (fdp-point@fdp.de) Sehr geehrte Herren, hallo Guido Westerwelle, was genau haben Sie am Abend des Wahlsonntags eigentlich mit dem Satz gemeint: "Für eine Ampel und andere Hampeleien stehen wir nicht zur Verfügung"? Um etwas genauer zu sein, was um Mammons Willen ist mit "andere Hampeleien" gemeint, wenn offenbar keine Schwampel? Wenn Sie schon umfallen, dann doch bitte richtig. Wenn Sie gleichzeitig so freundlich wären, zurückzutreten, Herr Westerwelle, denn jeder weiß, dass der Stimmenzuwachs nicht auf Sie, sondern auf CDU-Wähler zurückgeht, die die Große Koalition verhindern wollten. Jetzt bekommen wir dafür eine Breite Koalition – gegen dieses Vorhaben werde ich auch unter den Kollegen in der Kanzlei Stimmung machen! Wenn Sie weiterhin schwampeln, werde ich mich im Club für einen gemeinsamen Umzug nach Monaco einsetzen, dann können Sie mal sehen, wie eine Flat Line Tax funktioniert. Wünsche einen (nicht allzu) liberalen Tag,
Linkspartei (bundesgeschaeftsstelle@linkspartei.de) Oskar! Tu was! Wir wollten doch nur dem Gerd einen kleinen Denkzettel verpassen und jetzt kommt Merkel womöglich mit gleich zwei neoliberalen Parteien an die Macht! Du versprichst doch sonst auch immer alles! Dein/e Genosse/in,
19.09.2005 | 17:08 | Berlin | Alles wird besser
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Seit vielen Jahren kopiert der Mensch mit seinen technischen Entwicklungen die Natur und fährt nicht schlecht damit; wie zum Beweis hat die Natur sogar mal den Spieß umgedreht und den Menschen kopiert: Nämlich Buckminster Fuller, nach dessen Tod sie in zweijährigem, pietätvollen Abstand das Fulleren auf den bunten Molekülmarkt warf. Umso begeisterter fährt der Mensch fort, die Natur und insbesondere die Fauna zu kopieren, vorliegendes Beispiel ist ein dem Ameisenbär nachempfundenes Fahrzeug mit einem langen, mobilen Rüssel. Seine Funktion hat ebenfalls mit Tieren zu tun: Es dient ausschließlich dazu, Hundekot aufzusaugen; übermütige Wortspieler würden diese Geräte vermutlich "Koprowagen" taufen. Angesichts der je nach Quelle 20 bis 60 Tonnen Hundekot (errechnet aus der Zahl der Hunde) täglich auf Berliner Straßen ist es kein Wunder, dass die Berliner Stadtreinigung ihre bereits 1998 angeschafften 13 Fahrzeuge dieser Art zu Höchstleistungen antreibt – täglich werden 19.200 Haufen beseitigt. Nimmt man dabei ein großzügig geschätztes Durchschnittsgewicht je Haufen von 300 Gramm (zum Vergleich: drei Tafeln Schokolade) an, so kommt man auf aufgesaugte 5760 Kilogramm oder fast sechs Tonnen. Geht man weiters davon aus, dass für Berlin vollkommen realitätsferne 50% der Hundebesitzer den Hundekot selbst entfernen, so bleiben trotzdem noch 4 bis 34 Tonnen auf den Straßen Berlins. Täglich. Um nicht langfristig total zu verkacken, müssen also andere Wege der Hundefäkalien-Entsorgung gegangen werden. Hoffnung gibt an dieser Stelle einmal mehr das gelobte Internet (siehe unten), wenn auch auf schwierig nachzuvollziehende Weise. (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
17.09.2005 | 23:52 | Berlin | Alles wird schlechter
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Entgegen anderslautenden Behauptungen aus gewöhnlich schlecht informierten Kreisen war die Riesenmaschine natürlich sehr wohl auf der Popkomm akkreditiert und gestern auch zugegen, um herauszufinden, wie es um die Branche bestellt ist. Allerdings fanden sich Kollege Lobos Vermutungen vollumfänglich bestätigt, dass das, was von selbiger noch übrig ist, eher einer Vertreterkonferenz für Computergrosshandel ähnelt als einer hedonistischen Orgie des Überflusses und der Verschwendung, gebaut aus Luft, Liebe, Musik und verbrennenden New-Economy-Geldern. Es dominierten die Stände der digitalen Distributoren und sonstiger Downloadplattformbetreiber in steriler Reinstraum-Laboranmutung. Die Labels sahen sich an den Rand gedrängt; der Gemeinschaftsstand von Viva und MTV war bezeichnenderweise auf die Grösse eines Wohnzimmers zusammengeschrumpft und sah mit entsprechender, vermutlich ironisch gemeinter Designspiesser-Einrichtung auch so aus. Musik war kaum zu vernehmen, über den zwei äusserst überschaubaren Hallen lag wie Mehltau eine bleierne Stille der bürokratischen Geschäftigkeit.
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Dass die Veranstalter dennoch trotzig ein Plus von 20 Prozent mehr Ausstellern vermeldeten, hat wohl mit der Innovation einer Sonderschaufläche für Klein- und Kleinstlabels zu tun. An flachen Tischchen mit Klappstühlchen durften die Labelmacher hier ihre Minisortimente aufbauen, was ein wenig an Kinderpost- oder Kaufladenspiele erinnerte. Vielleicht sieht so ja die notwendige Rückbesinnung und das Gesundschrumpfen der Branche auf ihre Wurzeln aus, wobei dieser Pendelausschlag ins Mikro-, oder sollte man sagen: Nanoökonomische fast ein wenig übertrieben wirkte.
Weiteren Aufschluss darüber, wie die Branche sich ihre Zukunft vorstellt, gab ein Panel zum Thema "A&R in a Digital Environment", bei dem bezeichnenderweise die Vertreter von Jamba ("Wir tun nichts, was der Kunde nicht will") und Mach 1 Records ("Ich bin der Mensch hinter dem Crazy Frog-Phänomen") den Ton angaben. Klingeltöne seien erstens demokratisch, weil Jamba einen Spot, der nicht unmittelbar abverkauft, sofort vom Sender nimmt. Zweitens seien Klingeltöne der Rock'n'Roll von heute, weil sie die ältere Generation ultimativ nervten. Deshalb seien Klingeltöne drittens die Zukunft der Musikindustrie. Klingeltöne seien der neue Single-Markt. Allerdings müsse man in jedem Stück unmittelbar den Klingelton heraushören können. Deshalb sei etwa Britney Spears ungeeignet, weil die Stücke zu komplex gebaut sind. Aha. Ein Glück, dass John Peel das nicht mehr erleben muss.
Dieser Beitrag ist ein Update zu: Karaoke 2.0 (beta)
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IN DER RIESENMASCHINE
ORIENTIERUNG
SO GEHT'S:
- Dynamitgrillen
- NATIZ! HITOLAR!
- Nicht aus Zucker sein
- Vielgötterei
SO NICHT:
- Fahnenneid (vgl. Flaggeneid)
- preiswerter Fehlkauf
- Spinat-Bionade
- Move mit Hyperschweinen
AUTOMATISCHE KULTURKRITIK
"Syriana", Stephen Gaghan (2005)
Plus: 3, 42, 68, 69 Minus: 45, 106 Gesamt: 2 Punkte
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