Riesenmaschine

17.09.2005 | 23:52 | Berlin | Alles wird schlechter

Die Zukunft als Klingelton runterladen


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Entgegen anderslautenden Behauptungen aus gewöhnlich schlecht informierten Kreisen war die Riesenmaschine natürlich sehr wohl auf der Popkomm akkreditiert und gestern auch zugegen, um herauszufinden, wie es um die Branche bestellt ist. Allerdings fanden sich Kollege Lobos Vermutungen vollumfänglich bestätigt, dass das, was von selbiger noch übrig ist, eher einer Vertreterkonferenz für Computergrosshandel ähnelt als einer hedonistischen Orgie des Überflusses und der Verschwendung, gebaut aus Luft, Liebe, Musik und verbrennenden New-Economy-Geldern. Es dominierten die Stände der digitalen Distributoren und sonstiger Downloadplattformbetreiber in steriler Reinstraum-Laboranmutung. Die Labels sahen sich an den Rand gedrängt; der Gemeinschaftsstand von Viva und MTV war bezeichnenderweise auf die Grösse eines Wohnzimmers zusammengeschrumpft und sah mit entsprechender, vermutlich ironisch gemeinter Designspiesser-Einrichtung auch so aus. Musik war kaum zu vernehmen, über den zwei äusserst überschaubaren Hallen lag wie Mehltau eine bleierne Stille der bürokratischen Geschäftigkeit.


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Dass die Veranstalter dennoch trotzig ein Plus von 20 Prozent mehr Ausstellern vermeldeten, hat wohl mit der Innovation einer Sonderschaufläche für Klein- und Kleinstlabels zu tun. An flachen Tischchen mit Klappstühlchen durften die Labelmacher hier ihre Minisortimente aufbauen, was ein wenig an Kinderpost- oder Kaufladenspiele erinnerte. Vielleicht sieht so ja die notwendige Rückbesinnung und das Gesundschrumpfen der Branche auf ihre Wurzeln aus, wobei dieser Pendelausschlag ins Mikro-, oder sollte man sagen: Nanoökonomische fast ein wenig übertrieben wirkte.

Weiteren Aufschluss darüber, wie die Branche sich ihre Zukunft vorstellt, gab ein Panel zum Thema "A&R in a Digital Environment", bei dem bezeichnenderweise die Vertreter von Jamba ("Wir tun nichts, was der Kunde nicht will") und Mach 1 Records ("Ich bin der Mensch hinter dem Crazy Frog-Phänomen") den Ton angaben. Klingeltöne seien erstens demokratisch, weil Jamba einen Spot, der nicht unmittelbar abverkauft, sofort vom Sender nimmt. Zweitens seien Klingeltöne der Rock'n'Roll von heute, weil sie die ältere Generation ultimativ nervten. Deshalb seien Klingeltöne drittens die Zukunft der Musikindustrie. Klingeltöne seien der neue Single-Markt. Allerdings müsse man in jedem Stück unmittelbar den Klingelton heraushören können. Deshalb sei etwa Britney Spears ungeeignet, weil die Stücke zu komplex gebaut sind. Aha. Ein Glück, dass John Peel das nicht mehr erleben muss.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Karaoke 2.0 (beta)


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