Riesenmaschine

09.09.2007 | 13:10 | Supertiere | Essen und Essenzielles

Angst essen Fisch


Hallo und auf Wiedersehen! (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Die merkwürdigen suizidalen Tendenzen belebter Nahrungsmittel wurden im Weblog Suicidal Food und in der Flickr-Group Scary beings eating themselves bereits materialreich dokumentiert. Ihre kumulative Empirie legt den Verdacht nahe, dass uns die praktizierende Gastro- und Fast-Food-Industrie eine unter Nutztieren Raum greifende Todessehnsucht nur suggeriert, um uns das schlechte Gewissen beim Verzehr zu nehmen, es mithin also darauf angelegt hat, uns eine imaginäre konsensuale Win-win-Situation zwischen Subjekt und Objekt des Essvorgangs vorzuspiegeln. Durchbrochen wird dieser Verblendungszusammenhang mutig von der Fischräucherbude in Bansin auf Usedom. Sie wagt es, den noch unentschlossenen Konsumenten mit der schieren Existenzangst des noch lebenden Nahrungsmittels angesichts seiner bevorstehenden Verspeisung zu konfrontieren: ein mutiger Schritt in Richtung schonungsloser Offenheit in der Werbung, der auch die letzte Konsequenz etwaiger Umsatzeinbussen angststarrenden Auges in Kauf nimmt.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Suicide Food


05.09.2007 | 18:51 | Essen und Essenzielles | In eigener Sache

Lean Mean Bean Machine


Serviervorschlag (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Die in irgendeiner Stadt ansässige lobenswerte Firma nugg.ad stellt ein ungemein superes Produkt her oder bietet eine Dienstleistung feil, wir brauchen das nicht nachzurecherchieren, denn wir haben – auf dem Umweg über Sascha Lobo – von der ausgezeichneten Firma nugg.ad eine Jelly Belly Bean Machine geschenkt bekommen, fertig gefüllt mit acht Unzen Jelly Belly Beans. Da es nicht so häufig vorkommt, dass man uns Produkte einfach so schenkt, z.B. warten wir bis heute auf unser mehrfach angefordertes Rezensionsexemplar eines sündteuren Noise-Reduction-Kopfhörers, katapultiert dieser Akt die hervorragende Firma nugg.ad automatisch unter die Top 10 internationalen von der Riesenmaschine gutgeheissenen Unternehmen. Zweifellos ist das, was man dort herstellt, weltverbessernder als jeder Emissionsausgleich und nützlicher als ein kurbelbetriebenes Universalladegerät.

Dieses Jellybeanspendiergerät wollen wir nun wiederum an einen Leser weiterreichen. Die Preisfrage lautet: Für die Rechte welcher vier Musikstücke in diesem Trailer hat das Geld anscheinend nicht mehr gereicht? Wegen einer allgemeinen Postwegbringschwäche, über die unsere T-Shirt-Besteller und Preisausschreibengewinner Bescheid wissen, kann der Preis diesmal ausschliesslich von Selbstabholern aus Berlin gewonnen werden. Sorry, Leser in Tokio!


02.09.2007 | 13:42 | Berlin | Essen und Essenzielles

Gräserne Bienen


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Schon auf den ersten 30 Googletreffern wird von sich für kundig haltenden Quellen Berlin unter anderem bezeichnet als Hauptstadt der Syphilis, Hauptstadt der Tierversuche, Hauptstadt der Hunde, Hauptstadt der Rheumatologie, Hauptstadt der Minifanten, Hauptstadt der Intoleranz, Hauptstadt der Superlative, Hauptstadt der Unterschicht, Hauptstadt der Diven sowie Hauptstadt der Revolte von 68. Vollkommen unterschätzt wird Berlin jedoch als Hauptstadt des Grases ("meinten Sie: Berlin, Hauptstadt des Glases?"). Dabei ist die Beziehung zwischen Gras und Berlin eine vielschichtig ergiebige.

Ins Gras beissen etwa ist in Berlin nicht nur preislich günstiger als anderswo, sondern auch in diesem wunderschönen Mortalitätsatlas für Berlin für jeden Bezirk einzeln nach Todesursachen nachzuvollziehen; in Neukölln sind im Jahr 2000 zum Beispiel 39 Männer durch die Einnahme psychotroper Substanzen gestorben. Aber auch beim Gras rauchen ist Berlin das Mass aller deutschen Dinge: über 30% Prozent der Jugendlichen haben schonmal gekifft; in Berlin darf man bis zu zehn Gramm Gras straffrei mit sich führen, in anderen Bundesländern wird bei dieser Menge über die Wiedereinführung der Todesstrafe nachgedacht.

Gras beissen und Gras atmen, gut und schön, was aber ist mit Gras trinken? Auch diese Lücke ist nun geschlossen, seit einiger Zeit bieten zwei Läden mit dem Namen "Grashopper Berlin" Grassaft an, Weizengrassaft nämlich. Er schmeckt, gemischt mit Apfelsaft, gar nicht so fürchterlich wie man glaubt, wenn man sich an den Geschmack von Gras erinnert. Gras trinken! Wir tasten uns an jedes noch so ungeniessbar scheinende Stück Natur heran, schon in zehn Jahren werden wir Holzsalat mit Steinsplittern essen, vielleicht sogar mit Kapern drauf.


28.08.2007 | 13:20 | Berlin | Essen und Essenzielles

Sommermüll


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
"Der Regen wird wärmer", singt famos Der Automat und etabliert damit das Nanogenre des Antisommerhits speziell für verregnete Sommer. Und siehe da, Nanolösungen für Nanoprobleme sind das neue kleine Ding, zum Beispiel bei der Mülltrennung. Warum nur fünf Mülleimer für die Müllsorten Glas, Papier, Verpackung, Restmüll und Bio? Wo bleiben Zwischentöne und Grauwerte, wo ist gar die alte Tugend der stufenlosen Verstellbarkeit geblieben? Ein Eisladen im Superberlinerbezirk Prenzlauer Berg macht es vor und stellt sich einen Eiswaffelmülleimer vor die Tür, der mit allem, was er hat und kann, deutlich macht, welcher Müll bitteschön in ihn eingeworfen werden soll. So sieht vorbildliche, plakative Mülltrennung aus, wir brauchen auch in den Haushalten für jedes Produkt einen eigenen Spezial-Mülleimer. Der könnte ja dann auch viel kleiner sein, eventuell genau so gross wie eine normale Verbraucherverpackung. Schluss dieser fabelhaften Entwicklung wäre, dass jedes Produkt seinen eigenen Mülleimer bereits enthalten könnte. Man bräuchte dann nur noch eine zentrale Mülleimersammelstelle, das Müllproblem wäre gelöst und die Menschheit könnte sich drängenderen Problemen widmen, etwa der Gleichverteilung von regenarmen Sommern auf der Welt.


26.08.2007 | 22:45 | Berlin | Essen und Essenzielles

Die verkrepelten Pfirsiche von Askaban


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Prenzlauer Berg ist der Bezirk mit der höchsten Biomarktdichte der Welt. Man kann in einigen Strassen kaum mehr aus dem Fenster aschen, ohne die organisch biologische Frischwarenauslage zu verdrecken – aber Moment! Denn die organisch biologische Gemüsesituation ist in den meisten Fällen bereits verdreckt, und zwar mit Erde, Wurzeln, Staub, und Zweigen. In Zeiten, in denen bioverfütternde Mütter glauben, Tomaten aus Holland werden in Gewächsfabriken auf Polyesterwatteböden Tag und Nacht zu Höchstleistungen gepeitscht, bekommen aber nur künstliches Wasser und genmanipulierte Hormone zu essen, in diesen Zeiten also, da ist Dreck am Stecken bzw. an der Tomate ein naturversprechendes Qualitätkriterium. Eine bekannte, soziologisch interessante Umdrehung der ästhetischen Wertigkeit – aber für Naturesswaren ein soziales Problem: Gemüse galt immer als erdverschmierter Pöbel unter dem Fruchtgut. Es kam von unten und man verzehrte es gekocht und in der Masse. Das vornehme Obst, die Herrenrasse der Nutzpflanzenapartheid, schaute aristokratisch und unverschmutzt vom Baum auf's Gemüse herab und blickte sonnenbeschienen dem Pflückvorgang entgegen, um dann ungekocht und in den meisten Fällen einzeln verzehrt zu werden.

Doch mit der Biowelle wendete sich das Blatt – denn das fürnehme Obst hatte aufeinmal keine Handhabe mehr, zu beweisen, wie natürlich es doch sei und sich gegen Fabrikgewächse abzugrenzen. Lange beriet man im Obersten Organischen Obstrat, wie man selbst auf den ersten Blick nachvollziehbar "die organische Karte ziehen" sollte (wie eine gewiefte Altaubergine es ausdrückte). Bodenhaltung vortäuschen? Eine klare Geflügeldomäne. Sichtbare Druckstellen? Undenkbar, Fallobst war praktisch gleichzusetzen mit dem proletarischen Gemüse. Die Pfirsiche wagten sich mutig vor und schlugen einen Obstrelaunch vor: eine neue, besonders organisch und individuell wirkende Formgebung. Im Kopf der Zielgruppe sollte die Verknüpfung von "natürlich verwachsenem" Obst und biologisch organischem Anbau gelingen. Die Testpfirsiche gibt es derzeit in ausgewählten Biomärkten. Ob das zugegeben radikale Vorgehen in der menschlichen Monokultur des Prenzlauer Bergs Früchte trägt, wird man sehen.


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