11.01.2006 | 04:51 | Fakten und Figuren | Essen und Essenzielles
 LSD im Kopf: Was mag als nächstes passieren? (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Was war die wichtigste Entdeckung des zwanzigsten Jahrhunderts? Die Erkenntnis, dass man auch ohne elektrische Brotschneidemaschinen ganz gut leben kann, speziell wenn man ohnehin nur auf Matratzen herumhalluziniert? Der grossangelegte Versuch, Atome und Universen in entweder wellen-, teilchen- oder kabelbinderähnliche Details zu zerlegen, wobei doch in Wahrheit alles ein wunderschönes Eins ist und uns glühend und pulsierend durchströmt? Oder die endgültige Feststellung, dass es sich bei Kaninchen doch um Nagetiere handelt, und nicht um eine Art Hasen, wie oft falsch behauptet wurde? Was es auch war, es hat mit dem einflussreichsten Naturereignis des zwanzigsten Jahrhunderts zu tun: Im April 1943 nahm der Basler Chemiker Albert Hofmann erstmals und zunächst zufällig das von ihm fünf Jahre vorher synthetisierte LSD ein.
Hofmanns wissenschaftlicher, streng objektiver Bericht über dieses Ereignis liest sich ungefähr so: "... rapidly changing imagery of a striking reality and depth, alternating with a vivid kaleidoscopic play of colors... objects appeared distorted like images in curved mirrors... I felt as if I were out of my body... my 'ego' was suspended somewhere in space and I saw my body lying dead on the sofa..." Hofmann konnte nicht ahnen, dass es nicht nur um sein eigenes Ego ging, sondern bald schon um alle, alle Köpfe, Tiere, Töne, Tiefen, Wörter, man könnte soviele Wörter, aber halten wir uns mal an die Fakten. Ein CIA-Offizier, etwa 1951: "We had thought at first that this was the secret that was going to unlock the universe." Captain Hubbard, 1951: "I saw my mother and father having intercourse. It was all clear." Timothy Leary, auch irgendwann: "LSD is more important than Harvard... God does exist and is to me this energy process, the language of God is the DNA code."
Oft wird danach gefragt, warum die westliche Welt auf wundersame Weise dem Gewalttod entkommen ist, damals als dieser kleine Mann mit dem unästhetischen Bart noch frei herumlief. Oft ist man irritiert, weil immer davon berichtet wird, dass die Welt noch existiert, und zwar genauso langweilig wie vor 50 Jahren. Oft sieht man abstrakte Dinge aus der Sonne herausragen, weiss aber nicht, was das soll. Oft werden die völlig falschen Substanzen verboten. Und oft auch erhält man völlig unzureichende Erklärungen für all diese Themengebiete.
Dr. mult. Albert Hofmann, der wahrscheinlich unsterblich ist, wird heute 100 Jahre alt.
10.01.2006 | 14:36 | Fakten und Figuren | Vermutungen über die Welt
 Das alte Schwarz (Malewitsch) (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Ein diskursiver Dauerbrenner auf den hochspekulativen Zukunftsmeinungsmärkten ist die Behandlung der Frage, was denn wohl das neue Schwarz sei bzw. werde. Als Kandidaten werden mit hübscher Regelmässigkeit Braun, Grau, Weiss und Rot gehandelt, mitunter sogar Biobaumwolle, Uniformen und Adipositas. Neuerdings verdichten sich die Anzeichen, dass, wie der Riesenmaschine Farbpsycholobo schon seit Jahren zu behaupten nicht müde wird, Schwarz das neue Schwarz sein könnte. Bei den Pariser Modeschauen zeichnete sich Schwarz als Trendfarbe der Saison ab, wie die Berliner Zeitung bereits letzte Woche berichtete und gleich die frappante Begründung mitlieferte: Passt immer, gefällt allen. Das gibt uns Gelegenheit, endlich einmal auf dieses gelungene Stück Webkunst von Hans Bernhard zu verlinken. Und für den Fall, dass sich irgendwann doch wieder Weiss als das neue Schwarz herausstellen sollte, gibt es hier bereits das passende Gegenstück dazu.
10.01.2006 | 11:55 | Fakten und Figuren | Essen und Essenzielles
 Dass es überhaupt Curryfrüchte gibt! (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Der Chinesische Eidechsenschwanz, Römischer Quendel, Gagel, Gerbersumach, Kirchenseppl, Keuschlamm – all das sind mittelhochdeutsche Beschimpfungen aus dem 12. Jahrhundert Gewürze, die nicht durch lustige Namen auffallen, sondern zumindest im deutschen Kochalltag nicht gerade durch aggressive Überpräsenz glänzen. Weniger noch, der moderne, urbane Haushalt verfügt über geschätzte vier Gewürze, nämlich Salz, Pfeffer, Maggi und eine Würzmischung (Steak, Curry oder Provence), in bestimmten Lebensstadien (enttäuschtes Singletum, frisch zusammengezogene Pärchen) kommt frisches Basilikum dazu, um den tristen Alltag in scheinmediterranem Tomatenmozzarellaolivenöl zu ertränken. Dabei sind Gewürze so viel mehr als nur Namensgeber für Wunderbäume! Was, wie, warum, woher und wo Gewürze sind, wie sie heissen, wie sie auf laotisch, estnisch, hmong, ungarisch und anderen Sprachen heissen, was man mit ihnen machen kann und ihre Geschichte erfährt man auf der unbedingt empfehlenswerten Gewürz-Seite von Herrn Gernot Katzer von der Universität Graz. Auch für Nichtgourmets hält Herr Katzer Wissenswertes bereit, mein Berliner lokalpatriotischer Currywurststolz etwa fiel weinend in sich zusammen, als ich erfuhr, vermutlich noch nie Curry gegessen zu haben, sondern nur die als Ersatzdroge von englischen Offizieren geschmacksimitierte Gewürzmischung, weil echte Curryblätter ihren Geschmack verlieren, wenn sie getrocknet werden. Adieu grossartige Currywurst, hallo armselige Würzmethadonwurst.
10.01.2006 | 00:48 | Supertiere | Alles wird schlechter | Fakten und Figuren
 Uns über: vermilbte Dreckschleuder (Foto: grendelkhan) (Lizenz) Mögen Sie Zahlen? Oh. Verstehe, in Ordnung. Nehmen wir also an, einer unter fünftausend Lesern dieses Beitrags ist ein Zahlenfreund. Uns interessiert aber keine Statistik, denn ein jeder Leser ist uns lieb und teuer. Wir brauchen also eine Frage, die uns hilft, Zahlenfreunde zu erkennen. Diese Frage ist hier erstaunlicherweise "was ist A für ein Buchstabe", denn 99 Prozent der Zahlenfreunde nennen die richtige Antwort ("Es ist ein A"), aber nur 1 Prozent der Nichtzahlenfreunde sagen überhaupt was, weil die nämlich da oben in Zeile zwei, beim Wort "fünftausend", schon aus diesem Beitrag ausgestiegen sind. Mit anderen Worten: die Frage hat als Zahlenfreundschaftstest eine Irrtumswahrscheinlichkeit von lumpigen 1%. Ein ausgezeichneter Zahlenfreundschaftstest! Sind Sie noch da? Gut. Wenn Sie jetzt die richtige Antwort wussten ("Ein A"), dann, so schliessen Sie messerscharf, sind Sie ja wohl mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Zahlenfreund. Und das ist aber nun grundgrottenfalsch. Die Irrtumswahrscheinlichkeit dafür liegt nämlich plötzlich bei schwindelnden 98%, und der Grund für dieses überraschende Ergebnis heisst bedingte Wahrscheinlichkeiten: es war ja von vornherein ausgesprochen unwahrscheinlich, dass ein Leser Zahlen mag, und ein positives Testergebnis erhöht die Wahrscheinlichkeit zwar immerhin von den ursprünglichen 1:5000/0.2 Promille auf immerhin 1:50/2 Prozent. Aber es ist eben, trotz eines positiven Tests mit 99% Zuverlässigkeit, immer noch praktisch ausgeschlossen, dass Sie Zahlen mögen. (Wenn Sie's nicht glauben wollen, rechnen Sie ruhig nach). Mit ihrer fehlgegangenen Intuition sind Sie freilich nicht allein. Im Beispiel da oben kann man Zahlenfreundschaft durch jede andere schlimme Krankheit ersetzen, zum Beispiel Schnupfen, Mumps oder Vogelgrippe, und den meisten Ärzten und Forschern ginge es beim Deuten der Ergebnisse medizinischer Tests wie Ihnen da oben. Menschen, selbst Experten, liegen oft um Grössenordnungen daneben, wenn sie Wahrscheinlichkeiten schätzen sollen. Weswegen man Testergebnissen stets mit Misstrauen begegnen sollte. Die von manchen Zahlenfreunden zärtlich "vermilbte Dreckschleuder" genannte Taube auf der anderen Seite stellt sich beim Abschätzen von Wahrscheinlichkeiten recht geschickt an, und liegt im Durchschnitt nahe an der richtigen Lösung solcher Probleme. Das erregt natürlich Unmut unter Ärzten und Forschern, und so rastete und ruhte der Mensch nicht, bis er der Taube streng wissenschaftlich beigebracht hatte, genauso weit daneben zu liegen wie er selber. Wir gratulieren, und freuen uns schon auf Studien, in denen Falken unter der Bettdecke lesen müssen, Fledermäuse zu laut iPod hören und der Gepard jahrelang mit dem Taxi zur Antilope gefahren wird. Warum schliesslich sollte unter all den schönen Kronen ausgerechnet die der Schöpfung ehrlich errungen werden?
08.01.2006 | 06:14 | Fakten und Figuren | Vermutungen über die Welt
 Schwarzes Loch (unecht) mit Begleitstern, Scheibe, Auswurf (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Angeblich ist heute, am 8. Januar, der Tag des Schwarzen Lochs. Zumindest behauptet das die FASZ vom 1. Januar 2006 (Seite 64), der man ja prinzipiell alles glauben kann, auch wenn es ansonsten dafür überhaupt keine Quelle gibt. Eigentlich ist es natürlich auch dialektischer Unfug, nach einem sichtbaren Anlass zu suchen, um über etwas Unsichtbares zu berichten, aber wir sind da nicht so.
Es ist etwas ruhig geworden um das Schwarze Loch. Ungefähr zum letzten Mal hörte man von ihm, als vor etwa einem Jahr bekannt wurde, dass sich im Zentrum der Milchstrasse ein zweites Schwarzes Loch befindet, das jedoch nur 1300mal so schwer ist wie die Sonne. Wie, ein zweites? Gibt es etwa noch eins? Genau richtig, das erste hingegen wiegt 2.6 Millionen mal soviel wie die Sonne und wurde daher auch schon vor ein paar Jahren entdeckt (Bild unten). Wie es dahinkommt, wo es jetzt ist, nämlich gar nicht mal so weit weg von uns, das muss man erst noch herausfinden.
 Schwarzes Loch (Quadrat) (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Viel leichter zu erklären als die Herkunft dieser supermassiven Schwarzen Löcher sind die normalen kleinen Dinger, die jedesmal entstehen, wenn ein etwas grösserer Stern implodiert (innen) bzw. explodiert (aussen). Dass diese "Supernova" zu einem Schwarzen Loch führt, wurde schon 1939 von Oppenheimer vorhergesagt, interessanterweise nur ein Jahr nach der erstmaligen Synthese von LSD. Diese Supernovae passieren ungefähr nur einmal pro 100 Jahre pro Galaxie, und daher gibt es immer ein grosses, orgiastisches Fest unter Astronomen (mit Alkohol), wenn mal eine in der Nähe stattfindet; letztmalig war dies, wir wir alle wissen, 1987 der Fall, als ein bis dahin weitgehend unbekannter kanadischer Mensch namens Ian Shelton plötzlich berühmt wurde, weil er sich zur richtigen Zeit am richtigen Ort, nämlich auf einem chilenischen Berg namens Las Campanas befand.
Die Antwort auf die ewige Frage, wie man denn Schwarze Löcher sehen kann, wenn sie doch alles Licht verschlucken, bevor sie es wegschicken, lautet übrigens, wie nicht anders zu erwarten, "indirekt", was aber gar nichts macht, denn "direkt" kann man sowieso fast nichts über Dinge sagen, die zig Millionen Tagesreisen (mit Lichtgeschwindigkeit) entfernt liegen. Bei Schwarzen Löchern ist es vergleichsweise einfach, denn in Zusammenarbeit mit benachbarten Sternen (Bild ganz oben) kann so ein superschweres schwarzes Ding phantastische Kunststücke anstellen, zum Beispiel extreme Mengen Röntgenstrahlung aussenden oder stachelförmige, hochenergetische Auswürfe ausbilden. Man wäre gern näher dran, um sich das genauer anzusehen, vielleicht statt Urlaub in Griechenland, aber dann, ach, vielleicht doch besser nicht.
... 63 64 65 66 67 [68] 69 70 71 72 73 ...
|
IN DER RIESENMASCHINE
ORIENTIERUNG
SO GEHT'S:
- Robben zurücktragen
- post-alveolare Rhetorik
- Ziegensauger
- Schweden
SO NICHT:
- NoName-Hasen
- Pütt-Erotika
- uvulares Schweigen
- Schwaben
AUTOMATISCHE KULTURKRITIK
'The Hateful 8', Quentin Tarantino (2015)
Plus: 21, 23, 31, 37, 48, 74, 76, 80, 123, 137 Minus: 10, 19, 214 doppelt Gesamt: 6 Punkte
KATEGORIEN
ARCHIV
|
|