Riesenmaschine

28.10.2005 | 23:15 | Supertiere | Zeichen und Wunder

Delphine – das bessere Internet


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Von Delphinen hört man immer wieder Wunderdinge, zum Beispiel können sie schwimmen und mit dem Schwanz wedeln. Jetzt kommt heraus: Sie sind auch wesentlich besser vernetzt als wir Menschen. Es ist (ungefähr) so: Alle Menschen zusammen bilden ein sogenanntes skalenfreies Netzwerk (genauer will man es nicht wissen), wobei der durchschnittliche Abstand von einem zum anderen nur sechs beträgt. Das heisst andersrum, dass ich jemanden kenne, der jemanden kennt (bitte vier-bis sechsmal wiederholen, hier herrschte Uneinigkeit in der Redaktion), der wiederum das Stammesoberhaupt der Massai kennt. Nur als Beispiel und natürlich gemittelt. (Es könnte auch ein direkter Nachkomme von Napoleon sein.) Bei Delphinen nun ist die Länge dieser Kette aus Bekanntschaften, also der mittlere Abstand zu Napoleon, wesentlich kürzer, nämlich nur so drei bis vier Flipper lang. Das heisst einerseits: Delphine benehmen sich schwatzhaft, anbiedernd und überhaupt ekelhaft, was wir alles schon wussten. Andererseits aber geben sie hervorragende Netzwerkknoten ab.

Das Gute daran ist, dass wir genau so etwas gerade dringend brauchen. Das Internet ist natürlich viel zu langsam, unter anderem weil es zu gross ist: Der mittlere Abstand zwischen zwei Webseiten beträgt heute vermutlich mindestens zwanzig, der mittlere Abstand zwischen zwei Internet-Routern cirka zehn. Mit anderen Worten: Ein Internet auf der Grundlage von Delphinen wäre nicht nur wesentlich schneller und weniger störungsanfällig, sondern ausserdem total kinderlieb. Das einzige Problem dabei: Das sicherlich sehr alberne Übertragungsprotokoll der Delphine ist nirgendwo richtig dokumentiert, was das Verstehen der übertragenen Informationen vermutlich erschwert. Das ist allerdings nur dann störend, wenn es wirklich auf den Inhalt ankommt. Für zahlreiche Kommunikationsanwendungen, bei denen Verständnis zweitrangig ist und es vor allem um Effizienz geht, sind Delphine somit das ideale Medium (Beispiele: Kriegserklärung, Blogosphäre, Fernbeziehungskrise).


27.10.2005 | 06:51 | Supertiere | Alles wird schlechter | Sachen anziehen

Die Felligen


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)

(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Es ist nicht leicht, und die Riesenmaschine berichtete bereits ausgiebig darüber, heutzutage ein Kuscheltier zu sein. An allen Ecken und Enden werden sie malträtiert, verformt und geklont, düster sieht sie aus, die Zukunft für Teddy. Während man überall schon Mundgeruch, Gonorrhöe und Bierhefe zum Streicheln und Kuscheln kaufen kann, näht Signora Simona Constanzo in Italien noch wacker für den diesbezüglich unersättlichen japanischen Markt ziemlich zahme Mutanten zusammen, und pflanzt ihnen auch noch ein Herz aus Stein ein, freilich einen Flusskiesel, weil, da ist ja noch mehr rollendes Leben drinne. Und so wie ihre schweizerIsche Kollegin Natalia Gianazzi mit ihren unnötigen Gruslis spricht sie eher eine erwachsene Klientel an, deren Schnittmenge mit der der Freunde des Weissclowns und des Cirque du Soleils nicht eben ameisenklein ist. Harscher indes geht die Wiener Spassaktionistengruppe Jutta-Jugend mit ihren Klonbabies (siehe Bild) um – sie reissen handelsüblichen Knuddelmonstern die Köpfe ab, braten und verzehren sie, ersetzen sie durch aus angeranzten Filzpantoffeln geformte Frankensteinfressen, denen sie lieblos ein Paar Knopfaugen, Marke Jörg Schüttauf/Tatort annähen, und verscherbeln sie für lächerliche 20 Euren, na, vielen Dank.

Dass das einerseits alles eher traumatisierend auf die Kleinchen wirkt, wie ihre Eltern sich einzureden verpflichtet fühlen, und nicht so besonders neu ist, kann man sich denken bzw weiss man, wenn man sich ein kleines bisschen in zeitgenössischer Kunstgeschichte auskennt oder zumindest die Platte "Dirty" der Konsensrockgruppe Sonic Youth sein eigen nennt. Die Hülle gestaltete der vom Wiener Aktionismus beeinflusste wichtigste amerikanische Künstler neben Andy W., Mike Kelley, und im Booklet sieht man neben den malträtierten Tieren auch das Foto eines mit scheisseverschmierten Plüschtieren kopulierenden Paares. Ein Teil der riesigen, innerhalb einer weltweit weitverzweigten Fetischgemeinde mittlerweile nicht mehr kleinzuredenden Gruppe, den Furries. Dort frottiert fröhlich ein Frettchen eine Haselmaus, sie haben ihre eigene Pelzsprache namens Yiff und kanalisieren dadurch ihre extrem verschlungenen Traumata. Trist ist, dass Zoophile inzwischen massiv die Internetseiten der Pelzfreunde penetrieren, weil sie keinen willigen Hamster zum Ficken bekommen, und stattdessen liebendgern auch mal mit einem Plüschnager vorlieb nehmen würden. Unterm Freud hätts das nicht gegeben. Geschweige denn unterm Aesop.

Tex Rubinowitz | Dauerhafter Link | Kommentare (2)


27.10.2005 | 06:50 | Supertiere | Vermutungen über die Welt

Grosse Probleme


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Es wird immer wieder behauptet, dass Waffen das grösste Problem der Menschheit sind. Natürlich verwundert es, dass von den sechs grössten Waffenhändlern fünf Mitglieder im Weltsicherheitsrat sind (der sechste ist Deutschland, was einiges erklärt), aber das ist noch lange kein Grund, das viel gravierendere Hundeschwanzproblem zu negieren. Seit Deutschland zum Ende des Kalten Krieges, also so 2000, das Kupieren von Hundeschwänzen verboten hat und somit aus dem lukrativen Geschäft ausstieg, sind die deutschen Hunde gezwungen, ihre Rute selbst herumzutragen. Damit sind die Vereinigten Staaten jetzt nicht nur im Waffenhandel, sondern auch im Hundeschwanzabschneiden weltweit tonangebend. Viele Hunde dort dürfen nicht mit den anderen Kindern spielen und leben praktisch unerlaubt, wenn sie nicht bei der Geburt ihre Rute abgeben, was interessant ist, aber hier nicht weiterführt. Aber diese eine Frage muss erlaubt sein: Warum sind die Amerikaner so besessen von abgeschnittenen Hundeschwänzen (von ganzen Hunden mal abgesehen)? Liegt es vielleicht daran, dass wir alle, wie man seit langem weiss, im Embryostadium einen eigenen Schwanz haben, ihn aber dann, nach jämmerlichen acht Wochen, wieder aufgeben und fortan schwanzlos dahinvegetieren müssen? Ist es also, letztlich, Neid auf die grossartige beschwanzte Tierwelt? Es ist wirklich deprimierend, aber wir wissen es nicht.

Aleks Scholz | Dauerhafter Link


25.10.2005 | 16:02 | Supertiere | Fakten und Figuren

Plüschverbrecher


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Der Verbrecher an sich wird nicht nur immer jünger und drogensüchtiger, sondern überraschenderweise auch immer ausgestopfter und weicher. Es ist zwar erst ein einzelnes Plüschlama, das da vor anderthalb Wochen im Polizeibericht einer Stadt in Florida auftauchte, aber das ist wohl nur die Spitze eines kuschelweichen Eisberges. Die hübschen Uglydolls zum Beipiel, die ästhetisch und charakterlich ihrem Namen alle Ehre machen, landen sicher auch bald im Südstaatenknast. Sollten diese restriktiven Massnahmen zur Eindämmung der weichen Gefahr allesamt nicht helfen, dann wird sich früher oder später sicher jemand finden, der die Plüsch-Atombombe wirft.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Die drei Plüschtiere der Apokalypse


24.10.2005 | 03:11 | Supertiere | Vermutungen über die Welt

Grizzlies statt Pinguine


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
In Mitteleuropa gibt es eine lange Tradition der Verniedlichung von Natur. Ihr voraus ging natürlich eine lange Tradition der Ausrottung gefährlicher Tiere und der Abholzung von Wäldern, aber das ist eine andere Geschichte. Die Folge jedenfalls: Mütter schieben ihre Kinderwägen durch vermeintliche Urwälder und erfreuen sich an puschligen Rehen und Hasen sowie am wohltönenden Gesang der Amseln. Wenn man mal wirkliche Abenteuer erleben will, geht man in sogenannte Naturschutzgebiete, in denen es so extreme Kreaturen wie das Wildschwein oder den Mäusebussard gibt. Nur in einem solchen Klima aus Verklärung und Anbetung ist es letztlich möglich, dass Eichendorff-Gedichte, Ökoparteien und Kampfhundgesetze entstehen.

Genau umgekehrt ist die Situation in Amerika: Weil man mit Abholzen und Ausrotten nicht vorankommt, beschränkt man sich darauf, ausgewählte Teile der Wildnis als Nationalparks benutzerfreundlich zu gestalten, also so mit Wegen und Bootsverleih, und den Rest lässt man einfach so weitervegetieren, mit ziemlich vielen unangenehmen Kreaturen, die ziemlich viele Zähne besitzen. Resultat: Man trifft dort extrem wenig Kinderwägen, dafür umso mehr Menschen, die nachts ihr Essen auf hohen Bäumen befestigen, damit der Bär nicht rankommt.

Soviel zur Theorie. Wie gross die Unterschiede sind, kann man daran erkennen, dass Werner Herzogs neuester Film Grizzly Man offenbar in Deutschland nur ausnahmsweise mal vorgeführt wird, in Amerika aber auf grosse Begeisterung stösst. "Grizzly Man" erzählt die Geschichte von Timothy Treadwell, der, um die Grizzlies zu "beschützen", 13 Jahre lang mit ihnen zusammen lebt, irgendwo da oben in Alaska. Ein komplett irrsinniger, fast schon europäischer Ansatz, auf den man nur kommen kann, wenn man adäquat gestört ist und Bären sowieso für die besseren Menschen hält. Treadwell wird letztlich aufgefressen, in phantastischer Kulisse mit Gletschern, wogenden Grasfeldern und spielenden Füchsen. Diese gründliche und realistische Darstellung der Mensch-Tier-Beziehung also interessiert in Europa niemanden. Stattdessen wird das zauberhafte Leben der Kaiserpinguine vorgeführt, samt Interview mit den gefiederten Hauptdarstellern. Muss das sein, Europa? Gibt es nicht schon genug Baumumarmer?

Abgesehen davon sind Bären natürlich wesentlich unterhaltsamer als Pinguine, schon weil sie ein schönes weiches Fell zum Streicheln haben.


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"The Last King of Scotland", Kevin Macdonald (2006)

Plus: 9, 15, 39, 42, 52, 63, 65, 77, 79, 88
Minus: 19, 78, 133, 140
Gesamt: 6 Punkte


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