Riesenmaschine

19.10.2005 | 21:00 | Anderswo | Vermutungen über die Welt

Love Motels

Love Motels sind keine koreanische Erfindung. Wie so vieles hier stammt das Konzept ursprünglich aus Japan. Während aber die japanischen Motels kleinen Themenparks ähneln (ägyptisches Zimmer = Sex wie bei Pharaos), kommt das Interieur des koreanischen Motels etwas bescheidener daher. Von den Motel-Fassaden lässt sich das nicht behaupten. Die beklebt man hierzulande gerne mit derart vielen Erkerchen, Zinnchen und Türmchen, dass Neuschwanstein dagegen wirkt wie von Mies van der Rohe entworfen. Genutzt werden die Motels von unverheirateten Paaren, die im eng bebauten, aber Sex freudigen Südkorea sonst kaum einen Platz finden, um sich gemeinsam geschlechtlich zu vergnügen; ebenso zum gepflegten Seitensprung. Auch lang- bis kurzfristig allein stehende Männer suchen die praktische Einrichtung auf, meist in Begleitung von Frauen, die in den Motel-Foyers auf hübsch bebilderten Visitenkarten für sich werben und für den Geschlechtsverkehr einige zehntausend Won verlangen.
Beliebt sind die Motels zudem bei Backpackern und Korrespondenten der Riesenmaschine, wegen des für koreanische Verhältnisse sehr günstigen Preises (zwischen 25 und 35 US-Dollar pro Nacht), und des exzellenten Service. Während man nämlich in den Badezimmern der koreanischen Fünf-Sterne-Hotels bisweilen nicht einmal ein Shampoo-Fläschchen oder eine Zahnbürste vorfindet, bot uns das Love Motel "Lawrence" in Gwangju (Tel. 0082 62 3661900) neben einem täglich erneuertem Set Zahnbürsten jeweils Shampoo, Schaum – und Duschbadflaschen in Klinikgrössen.
Dazu war diverser Prä- und Postorgienbedarf im Zimmer verteilt, u.a. eine Haarspraydose, ein Haargelspender, After Shave Lotion, eine Auswahl Q-Tipps, eine Haarbürste und ein Kamm, zwei Packungen Kleenex, zwei Kondome der Marke "Goldcircle" sowie eine Spraydose Insektenkiller. Auch an das Zwischendurch hatte das Management gedacht. In der Minibar fanden wir zwei gut gekühlte Fläschchen eines geheimnisvollen koreanischen Stärkungsmittels, die selbstverständlich aufs Haus gingen, sowie auf jedem Etagenflur eine Sammlung ausgesuchter Videos aller Kategorien, die sich mittels eines zur Ausstattung gehörenden Recorders auf dem Zimmer betrachten liessen. Hier wählten wir die russische Verfilmung des abwechslungsreichen Lebens des Marquis de Sade aus, sowie, ganz Love-Motel gerecht, die Hollywood-Schnulze Serendipity. Entschieden hatten wir uns übrigens für das Etablissement wegen seines eher dezenten Äusseren und seines schlichten Namens. Ein stark verturmtes Love-Motel, das "Greenpeace" hiess, war uns am Ende doch eine Spur zu pervers erschienen.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Asien Spezial: Korea & Vietnam

Christian Y. Schmidt | Dauerhafter Link


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