14.01.2006 | 09:56 | Anderswo | Fakten und Figuren | Zeichen und Wunder
Vietnam ist der einzige Staat dieser Erde, in dem das gute alte Hammer und Sichel (H&S) Emblem noch an jeder Strassenecke präsent ist; im Gegensatz zu anderen, nominell noch kommunistischen Staaten. In China kommt das alte Logo praktisch nur mehr hinter Windschutzscheiben von Funktionärslimousinen vor; gewissermassen als Ausweis für freies Parken. Zudem war die Sichel im chinesischen Emblem schon immer etwas runder als beim sowjetischen Original. In Kuba sieht man statt des gekreuzten Werkzeugpaars praktisch nur Che entrückt dreinblicken, und in Nordkorea ist sowieso eine eigene Version in Umlauf: eine eher schlecht designte Kombi aus Hammer, Hacke und Pinsel, das offizielle Symbol der dortigen (Staats)Partei der Arbeit.
Auch in Vietnam sind H&S das Emblem der Staatspartei, die hier auch noch ganz klassisch Kommunistische Partei Vietnams heisst. Im Strassenbild findet es sich fast ausschliesslich auf einer roten Fahne, die gerne auch neben der Nationalflagge (Grosser gelber Stern auf rotem Grund) hängt. Beide Fahnen, das kann auch der strengste Antikommunist nicht leugnen, sehen sehr, sehr gut aus, nicht nur, wenn sie im Sonnenlicht am malerischen Hoan Kiem See in Hanoi herumflattern. Es sind die prallen Farben, das schlichte Design und die sofort zu erfassende Symbolik, die sich jedem gleich in die Optik fräsen.
Stellt sich die Frage: Wer hat das H&S-Emblem eigentlich entworfen? Die Heraldiker und Vexillologen sagen uns: Keiner, bzw., wie sich das für eine kommunistische Bewegung gehört, praktisch alle. Erstmals aufgetaucht ist es im Zuge des russischen Bürgerkriegs, auf Fahnen revolutionärer armenischer Einheiten, etwa um 1917. Es hätte aber auch ganz anders kommen können. Wie auf einer kleinen Auswahl von Fahnen der frühen Roten Armee zu sehen ist, war das Vorläufersymbol ein Hammer und ein im Verhältnis dazu unproportionierter, klobiger, überhaupt schwer zu zeichnender und noch schwerer erkennbarer Pflug. Kaum denkbar, dass das internationale Unternehmen "Kommunismus" unter diesem katastrophalen Signet die bekannten Propagandaerfolge errungen hätte.
Anders als die Kommunisten liessen übrigens die Nazis ihren immensen Symbolbedarf von professionellen Designern decken. Das Emblem der SS, die verdoppelte germanische Sig-Rune, beispielsweise entwarf ein Walter Heck, der bei der Firma Ferdinand Hofstätter in Bonn beschäftigt war. Nun kann man auch diesem Logo unter streng designerischen Gesichtspunkten eine gewisse Dynamik nicht absprechen. Dafür war aber sein Schöpfer, im Nebenberuf noch SS-Sturmführer, ein echter Nazi-Blödmann. Heck, so steht es geschrieben, verkaufte seinen Entwurf irgendwann zwischen 1929 und 1933 für ganze 2 Mark fuffzig an die SS. Also exakt die Summe, die der ganze Nazi-Scheiss dann wohl auch wert war.
Dieser Beitrag ist ein Update zu: Asien Spezial: Korea & Vietnam