Riesenmaschine

21.01.2006 | 16:08 | Anderswo

Canada, oh, Kanada


Das beste Land (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Obwohl es ausserhalb Kanadas niemanden interessiert, sollte es interessieren, dass Kanada wählt, und zwar schon in zwei bis drei Tagen (je nach Zeitzone). Denn wenn ein Land, das alljährlich bei den Wahlen zum besten Land der Welt ganz weit vorne liegt, die Weichen für, naja, irgendwas verändert eben, dann muss dies gründlich hinterfragt und analysiert werden. Für Europäer stellt sich vor allem die Frage, ob Kanada nach der Wahl endlich seine wenigen Schwachstellen angehen wird, die dazu führen, dass es immer wieder hinter Australien zurückbleibt – also endlich Liberalisierung des Alkoholmarktes, Abschaffung von Manitoba, gerechtere Verteilung von Bergen. Die traurige Wahrheit ist: Keine der zur Wahl stehenden Parteien wird ernsthaft Schritte in diese vernünftige Richtung unternehmen. Es kann also, für Kanada, nur schlechter werden.


Vielleicht gewinnen aber auch die Grünen
(Foto: itzafineday / Lizenz)
Da überrascht es auch kaum, dass die Protagonisten dieser Wahl, der Liberale Martin und der Tory Harper (oder war es umgekehrt) nicht nur gleich aussehen, sondern auch ansonsten für den Ausländer kaum unterscheidbar sind. Jack Leyton, Spitzenkandidat der NDP, die das Programm der Liberalen übernommen haben, seitdem die das der Konservativen haben, die wiederum gar keins haben, sondern eine Art unscharfe "Middle of the road"-Humptydumpty-Politik versprechen, legte sich immerhin einen Schnurrbart zu, und kann daher klar identifiziert werden. Das wird ihm nicht helfen, denn es sieht nach absoluter Mehrheit der Tories aus, was angeblich keiner will, weshalb es womöglich wieder zur Minderheitenregierung kommt, ein modernes Konzept, das von fortschrittlichen Ländern wie Norwegen, Schweden und eben Kanada oft praktiziert, aber vom Rest der Welt für Quatsch gehalten wird. Selbstverständlichkeiten wie die Schwulenehe, die Quasi-Ablehnung des Irak-Krieges und die Vorherrschaft auf der Hans-Insel stehen auf dem Spiel, vielleicht aber auch nicht. Niemand weiss, was aus Kanada wird, eine zweite USA, nur kälter, oder ein zweites Russland, nur kleiner, oder ein zweites Kanada, nur anders.


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Weil sowieso niemand versteht, wer was wann und wieso wählt, und ob man Wahlzettel eigentlich aufessen darf, kann man sich stattdessen einfach fragen, was man rauchen muss, um sich sowas auszudenken, was nach einer nicht sehr langen Kette von Kausalzusammenhängen direkt zur Marijuana Party führt, die sich einzig und allein für Kanadas wichtigste Pflanze einsetzt. Der (illegale) Verkauf von Marijuana, mit einem Marktvolumen von 10 Mrd. kanadischen Euro dreimal so ertragreich wie der Handel mit Weizen, belastet ernsthaft die Beziehungen zu diesem anderen grossen Land in der Nähe, und sollte es wirklich irgendwann zur Legalisierung kommen, wird der historische Graskrieg in Nordamerika ausbrechen, ein Ereignis, bei dem man eigentlich gern zusehen würde. Auch ein Zukunftsszenario: Wir werden im Schützengraben irgendwo bei Saskatoon sitzen, mildly stoned, kaum in der Lage, zwischen Kanone und Kalumet zu unterscheiden, während rechts und links Daisy Cutter einschlagen. Aber man soll nicht zu hohe Erwartungen an die Zukunft haben.

Aleks Scholz | Dauerhafter Link


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