Riesenmaschine

10.02.2006 | 13:47 | Alles wird besser | Fakten und Figuren

Armbanduhr: Segen oder Segen


- sollte es aber geben: HiPod von Isamu Sanada (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Ohne die Zivilisation wäre der Mensch nur ein an ulkigen Stellen behaartes Tier ohne Nagezähne oder praktischen Hartschnabel. Zum Glück aber setzte der Wunsch nach warmen Socken und kaltem Bier den intellektuellen und technischen Schöpfungsprozess in Gang, den wir heute Zivilisation nennen und der es uns nun ermöglicht, auch als Diabetiker süssen Anistee zu trinken oder genau dann wach zu werden, wenn wir es zwar nicht wollen, aber müssen. Die Armbanduhr vereinigt in sich alle, also quasi sämtliche, sprich verhältnismässig viele Errungenschaften der gesellschaftlichen Kultur.

Das fängt mit der Unterscheidung in Damen- und Herrenarmbanduhr an, schlendert an der vernünftigen Akzeptanz des Zeitdiktats vorbei, das man mit einer Armbanduhr für alle sichtbar unterstützt, geht augenzwinkernd an der Tatsache entlang, dass neben "Zeit ist Geld" auch "Zeitmessen kostet Geld" gilt und damit die Grundzüge des Kapitalismus ausreichend beschrieben sind und manifestiert sich schliesslich darin, dass es praktisch kein Armband gibt, dass einen nicht ständig daran erinnert, dass man lebt, weil es drückt und juckt und zwickt. Bis auf die Schweissband-Uhr von Nike, nie wurde ein flexibles Pünktlichkeitsverständnis metaphorischer auf den Punkt gebracht.

Weiters existiert in der Firma Nooka auch ein Monolith in der zeitlosen Uhrenherstellung, was sich zugegeben etwas seltsam anhört, dann aber konsequent auch seltsam heisst: Man führt dort die Modelle ZEN, ZAN, ZOT und ZOO, jeweils in verschiedenen Submodellen und alle sehen aus wie ein Auffahrunfall zwischen einem japanischen Radiowecker von 1957 und der Sonderedition des Spiels Vier gewinnt – "Mengenlehre für Architekten". Nimmt man nun noch neben der Uhr mit der Wählscheibe für die eigene Zeit die blosse Existenz einer Armbanduhr hinzu, in der man seine Sea Monkeys sichtbar mit sich herumtragen kann, dann wird niemand ernsthaft meiner These widersprechen können: Wenn Armbanduhren jemals aussterben sollten, stirbt die Zivilisation an sich. Wer mir nicht glaubt, kann mich gerne mit einer Armbanduhr mit integriertem Lügendetektor prüfen.


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