Riesenmaschine

26.03.2006 | 05:53 | Berlin | Alles wird besser | Sachen anziehen

Mit Planen planen

In der Schweiz gibt es ein lustiges Gesetz, nach dem vor dem Bau eines Hauses hohe Stäbe aufgestellt werden müssen, die die zukünftigen Aussenmasse des Hauses abbilden. Das Volk soll sehen, worauf es sich einlässt und gegebenenfalls protestieren. In Berlin Mitte gibt es ein ungeschriebenes Gesetz (Lex Stadtschlossi), nach dem jedes wiederaufzubauende oder zu restaurierende Gebäude zunächst durch eine bunt bedruckte Hausvortäuschungsplane vorgetäuscht werden muss. Anders als in der Schweiz soll das Volk dann nicht protestieren, sondern es gefälligst gut finden, wo man sich schon so eine Mühe gemacht hat, verdammt!


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)

Hier sehen wir die vorgetäuschte, ehemalige Schinkelsche Bauakademie am Werderschen Markt in Berlin. Die Ecke ganz links ist symbolisch schonmal ein bisschen aufgebaut, der Rest ist nur geplant und daher verplant. Besonders erwähnenswert ist nun, dass auf der Plane mit der aufgedruckten Fassade auch noch ein Riesenplakat aufgedruckt ist. Gut, Mercedes-Benz unterstützt den Wiederaufbau, aber ist es tatsächlich schon so weit, dass ein grosses Gebäude ohne Riesenplakat drauf aus der Ferne nicht echt scheint? Werden unsere Kinder erschrecken, wenn sie unverplante Fassaden sehen? Ist unsere Gesellschaft tatsächlich schon so verworben? Die Antwort lautet: Ja.

Genau gegenüber übrigens steht der Palast der Republik, vulgo Volkspalast, der in diesem Moment abgerissen wird. Hier hätte man vielleicht einfach den umgekehrten Weg gehen können und vor dem Abriss riesige Bilder von einer Brachlandschaft an der Fassade anmontieren können, damit sich das Volk schon mal vorstellen kann, wie die Gegend ohne den Palast aussieht und eventuell hätte protestieren können. Ach nee, es hat ja protestiert. Hat aber nichts genützt. Das mit der Plane hätte man trotzdem machen sollen, schade um die schöne Werbefläche.


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