28.04.2006 | 10:29 | Alles wird besser | Zeichen und Wunder
As time goes by (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)Lange genug wurden Gadgets als unnötiger Unsinn und Zivilisationsmüll abgetan, obwohl die letzten, grossen Revolutionen ja fraglos von kleinen, am Körper tragbaren Dingen ausgelöst wurden. So wie der iPod endlich den in Absolute Giganten geäusserten Wunsch "Es müsste immer Musik da sein" Wirklichkeit werden liess und das Leben in der Postmoderne erst erträglich machte, so bedeutet das wieder entdeckte US Patent No. 5,031,161 nichts weniger als den nächsten kapitalen Umbruch. Die uhrförmige, kleine Erfindung verrät dem Träger seine Lebenserwartung in Jahren, Monaten, Tagen, Stunden und Minuten. Der Effekt wird grossartig sein: Endlich wird das Leben zu einer vorstellbaren Grösse! Erbstreitereien gehören der Vergangenheit an, alles kann noch entspannt geplant werden, ehe abgenippelt wird. Endlich wird man bei der Wahl der Lebensversicherung nicht mehr über den Tisch gezogen! Endlich kann der aus der Tages- und Wochenplanung beliebte To-Do-Listenismus auf das Leben übertragen werden, endlich hat das ständige Aufschieben seine Berechtigung verloren und an seine Stelle treten schöne, sinnvolle Notizen: Unbedingt bis 30 erledigen: Agentur gründen, Weltreise, Studium fertig! Deadline Mitte 35: Familie (urgent!), Doktortitel, Mercedes kaufen. Nicht vergessen: Erbe in den nächsten drei Wochen verprassen! Schon bald wird man sich fragen müssen, wie man bisher nur sinnvoll ohne diese Erfindung leben konnte. Was aber passiert eigentlich, wenn die Batterie leer ist und das Ding stehen bleibt?
Kommentar #1 von irgendwem:
Ich wünsche mir sehr, dass die zugehörige TV-Kampagne mit "It's the final countdown" unterlegt wird. Ich kaufe sofort, dann.
28.04.2006 | 11:22
Kommentar #2 von irgendwem:
So etwas würde doch nur dazu verleiten, auch die vollkommen unsäglichen Mechanismen der "Tages- und Wochenplanung" auf das gesamte Leben zu übertragen: fröhliches Herumprokrastinieren um sich dann erst kurz vor Schluss zur endgültigen Effizienz zu aufzuschwingen. Nein, also.
28.04.2006 | 11:30
Kommentar #3 von Tinchen:
Das Ding bleibt stehen, du tot. Oder wieder geboren. Auch schön: Rumfummeln an anderer Leuts Lebensuhren. Eben noch auf Jura-Abschluss gepolt und die Geschäftführerschaft vor Augen, im nächsten Moment Friseurlehrling in der Schnittstelle. Eben noch freie Grafikern, im nächsten Moment CDU-Mutter mit Aufstiegsoptionen ins BMFJF.
28.04.2006 | 12:02
Kommentar #4 von lester:
"[...]und an der stelle, wo es am allerschoensten ist, muesste die platte springen und du hoerst immer nur diesen einen moment."
28.04.2006 | 12:26
Kommentar #5 von DE:
Das ist doch ein Fortschritt: Immerhin kommt kurz vor Schluss diese endgültige Effizienz. Ohne das Ding, ist das Leben doch auch ein einziges fröhliches Herumprokrastinieren.
28.04.2006 | 12:35
Kommentar #6 von irgendwem:
Wurde doch um 11:30 bereits gesagt, also wieso wiederholen? Die Zeit rinnt!
28.04.2006 | 12:38
Kommentar #7 von DE:
Meine "Deadline" hat noch Zeit. Und während 11:30 einen Nachteil vermutete, weiss 12:35, dass das letzte Aufbäumen ein Vorteil ist. Kommt Zeit, kommt Rat, nie war es wahrer.
28.04.2006 | 13:01
Kommentar #8 von 2x2mKontinent:
empty hearts on fire utopie eines alten mannes von jorge luis borges sollte man gelesen haben jeder sollte sein eigener jesus sein all is hell
28.04.2006 | 13:16
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IN DER RIESENMASCHINE
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AUTOMATISCHE KULTURKRITIK
"Snowpiercer", Joon-ho Bong (2013)
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