Riesenmaschine

21.05.2006 | 13:38 | Was fehlt | Sachen kaufen

N70 wiedergeboren


Auf dem offiziellen Nokia-Pressefoto sieht das N70 eigentlich ganz zivilisiert aus (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Nachdem sich mit Siemens das letzte heimische Unternehmen aus dem Handymarkt verabschiedet hat und künftig vorrangig das Segment der Vakuumdrehtrommelfilter aufmischen wird, bleiben dem Verbraucher hierzulande nurmehr Mobiltelefone mit Migrationshintergrund. Doch die Riesenmaschine weiss: Produkte von woanders helfen gegen geistige Heimatlosigkeit – ihr Verhalten mag bizarr sein, doch gibt uns ihre Andersartigkeit Orientierung. Zum Beispiel das Handyradio: Mit dem Handy Radio hören ist einfach, vorausgesetzt man schliesst ein Headset an. Hat man keins angeschlossen und ruft die Radiofunktion dennoch auf, wird man Zeuge eines produktphänomenologisch bemerkenswerten Outings. Sony-Ericsson-Modelle zum Beispiel geben sich in diesem Fall konziliant: Es erscheint die Meldung "Schliessen Sie das Headset an, das als Antenne dient." Das Nokia N70 hingegen ist, nun ja, anders: Es verfärbt sich das gesamte Display, ein Symbol beginnt nervös zu blinken und das Telefon herrscht den arglosen Verbraucher an: "Zubehör anschliessen!" Dass beim Handy-Weltmarktführer ein derart schroffer Ton herrscht, gibt Anlass zur Besorgnis. So viel Andersartigkeit ist eindeutig zu anders.

Doch Hoffnung ist diesmal keine warme Seekuh, sondern das Produktmanagement von T-Mobile: Bevor man das N70 nämlich seinen Kunden anbot, musste das Telefon durch die Rebranding-Abteilung. Und dort tunkte man das User Interface nicht nur ins konzerneigene Magentabad, sondern lehrte es auch noch angemessene Umgangsformen. Das wiedergeborene N70 rät dem Nutzer nun: "Bitte schliessen Sie das nötige Zubehör an." Den Netzanbietern sei für weitere Weltverbessungsmassnahmen das V3 RAZR ans Herz gelegt, das nach dem klassischen Motorola-Prinzip "aussen irr, innen wirr" gestaltete wurde. Wenngleich die Benutzeroberfläche des V3 dem Benutzer keine erlebnispädagogischen Fingerübungen mehr bei der Suche des Telefonbuchs abverlangt (wie noch beim dem so genannten Katastrophenhandy P7389), so wurde in das User Interface etwa soviel Hingabe investiert wie das Gehäuse dick ist.

Es bleibt zu hoffen, dass die Wiedergeburtenrate im Mobilfunkbereich künftig steigt. Zu viele Handys erscheinen in ihrem ersten Leben als vor der Zeit in die Welt Geworfene; Frühgeburten eines Produktlebenszyklus, der schneller vorbei ist, als man Reinkarnationstherapie sagen kann.


Kommentar #1 von Felix:

Oder wie es früher bei SIEMENS hiess: Bananen-Produkte. Sie reifen beim Kunden ...

21.05.2006 | 14:11

Kommentar #2 von dem Matze:

Den König Salomo – oder wer auch immer das ist in der oberen rechten Ecke des illustrierenden Bildes – habe ich kurzzeitig für Bender aus Futurama gehalten. Ist das schlimm?

21.05.2006 | 14:27

Kommentar #3 von Daniel:

Matze, wenn das schlimm ist, dann für uns beide. Mir ging es doch tatsächlich genau wie dir! Zufall?

21.05.2006 | 21:17

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