Riesenmaschine

05.06.2006 | 11:57 | Vermutungen über die Welt

Schwarmzahl, Marsch!


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Zahlen, diese kleinen konfusen Dinger: Wie Ameisen gibt es verdammt viele davon. Und wie bei Ameisen denkt man: Kennst du eine, kennst du alle. Denk noch mal! Alle Zahlen sind verschieden, manche sind sogar noch verschiedener als andere. Nicht genug, dass sie in ihrer Funktion als Anfangsziffern völlig kontraintuitiv nicht gleich verteilt vorkommen, sondern gemäss dem Benfordschen Gesetz. Kürzlich wurde zum Beispiel die grösste in freier Wildbahn lebende Primzahl gesichtet. In der Kreidezeit soll es noch weitaus grössere Exemplare gegeben haben, die man heute durch die Kreuzung mittelgrosser Zahlen minus eins nachzuzüchten versucht.

Es gibt die leicht abundanten Zahlen, von denen man noch nicht so genau weiss, ob es sie wirklich gibt. Es gibt aber auch echte Diven unter den natürlichen Zahlen, die sich in überhaupt keine Schublade stecken lassen, sogenannte "One of a kind"-Zahlen. Die skurrile 6174 ebenso wie den respekteinflössenden Grosskotz Googol. Manche Zahlen werden allein durch individuelle oder kollektive Idiosynkrasie zu etwas Besonderem. Wie Bill Drummond von the KLF, gefragt, warum bei seinem neuen Projekt THE 17, ausgerechnet 17 Menschen in einem Chor unter Öffentlichkeitsausschluss singen, zu Protokoll gab: "Ich war immer schon angezogen von der Zahl 17, sie hat für mich viele sehr kindische Konnotationen."

In einer aufwändigen Untersuchung unter dem schönen Titel The Secret Lives of Numbers wurde jetzt empirisch die relative Beliebtheit aller Zahlen von 0 bis 1 Million untersucht und interaktiv grafisch anschaulich gemacht (via Improbable Research). Hervor stachen dabei bestimmte Aussenseiter-Kandidaten wie die 212, 486, 911, 1040, 1492, 1776, 68040, oder die 90210 – weil sie Vorwahlen, Postleitzahlen oder häufig nachgefragte Behördenformulare bezeichnen. Jüngster Neuzugang auf dem Sektor der Zahlen, die nicht einfach nur eine Nummer unter vielen sind, ist übrigens die 74, die als natürliche Konstante in die Kulturgeschichte eingehen wird. Wie der New Scientist berichtet, markiert 74 eine magische Grenze für Heuschrecken. Ab dem Moment, wo die Anzahl von 74 Tieren pro Quadratmeter überschritten wird, werden sie zum Schwarm, der sich nur noch in eine Richtung bewegt, um Landstriche zu verheeren. Anders als manche Zahlen verhalten sie sich nicht mehr wie Individuen, sondern werden zu einer Zahl in der Menge, zu einem gleichförmigen Strom aus Zahlen, pardon: Heuschrecken. Wir schlagen deshalb vor, die 74 zur "Schwarmzahl" zu erklären und damit als neuen Superstar aus der amorphen Masse hervorzuheben. Wobei wir einräumen, dass es sich dabei um eine Contradictio in adjecto handeln könnte.


Kommentar #1 von Ruben:

Googol ist böse. Mir wurde mal gesagt, die grösste konkrete Zahl, die in einem ernsthaften mathematischen Problem bisher aufgetreten ist, sei die sogenannte Skewessche Zahl. Irgendwas mit dem Integrallogarithmus (hier gibt es sicher schlaue Leute, die das voll konkret erklären können).

05.06.2006 | 19:39

Kommentar #2 von Ruben:

Postscriptum. Mir wurde natürlich nicht dazu erklärt, was unter einem ernsthaften und was unter einem nichternsthaften mathematischen Problem zu verstehen ist; ich fürchte, das ist hochgradig lehrstuhlinhaberabhängig und wenn es eine Quisquilie gibt, auf die ich mich niemals festnageln lassen möchte, dann ist es diese. Und so einem Googolmultiplex ist das vermutlich eh wurscht.

05.06.2006 | 20:46

Kommentar #3 von Matthias:

Was mich sehr interessiert hätte: Wie sieht's denn mit der 23 aus? Kann die Forschung nicht endlich mal diesen Verschwörungskabbalistikhokuspokus entlarven als das, was er <i>wirklich</i> ist: Verschwörungskabbalistikhokuspokus?

06.06.2006 | 12:06

Kommentar #4 von kosmar:

die csu erreichte bei der bundestagswahl 2005 7,4 prozent. die fdp erreicht 7,4% bei der bundestagswahl 2002 und auf 74 enddet die postleitzahl von reutlingen. es muss also was dran sein, sag ich jetzt mal so.

06.06.2006 | 20:03

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