Riesenmaschine

18.06.2006 | 12:02 | Anderswo

Um die Ebbe laufen


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Dass Marathonlaufen ein Irrtum ist, und obendrein ein ungesunder, ist ja allgemein bekannt. Das Schwitzen und Schinden, das kilometerfressende Arbeiten, umgeben von von Ehrgeiz getriebenen Dränglern, in eitler Aufmachung, vor allem die der Hobbyläufer. Und wenn man läuft, ist es eigentlich unmöglich, nur dabei zu sein, irgendeine geheimnisvolle, dunkle Macht treibt einen an, immer wieder Mitläufer zu überholen, Terrain gut zu machen, auf die Zeiten zu achten und seinen Aufenthalt an den Labestellen auf ein Minimum zu beschränken, lieber die kleine Slapsticknummer einzubauen, das alberne Trinken in der Bewegung.

Wenn man nun aber mal gerne läuft, wie kommt man aus dem Dilemma raus? Dafür gibt es drei vernünftige Alternativen: Der Swiss Alpin Marathon in Davos, der höchstgelegene Europas, gelabt wird hier mit Fondue und Ziegenmilch. Zeiten um die acht Stunden sind hier normal. Der Marathon du Medoc, der langsamste Marathon der Welt, und der längste, im berühmtesten Weinanbaugebiet der Welt. Schlösser wie Mouton Rothschild, Latour, Lafitte werden geöffnet und von Horden johlender Läufer gestürmt, so als sei es die Stürmung der Bastille, und in den Chateaus werden sie, gleichsam zur Besänftigung, mit deren uralten, schweren Weinen gelabt. Auflage ist, dass man verkleidet sein muss, wodurch der den handelsüblichen Marathon so unangenehm begleitende Ehrgeiz vollkommen entfällt. Gibt es etwas Jämmerliches als einen Trupp knüller Schlümpfe, die blaue Schminke bereits in Schweissbächen heruntergeronnen, der samt einem pilzförmigen Schlumpfhaus durch die kunstvoll angelegten Blumenrabatten der Familie Rothschild stolpert? Und der bizarrste Lauf ist der Wattlauf von Beauvoir-sur-Mer, einziger ernstzunehmender Gegner: die Flut. Das Meer entscheidet. Wenn das Wasser hoch kommt, schafft's nur der Belgier. Wenn das Wasser nicht hoch kommt, wird's ein Afrikaner. Wenn man nicht sein Geld damit verdienen muss, soll so Laufen sein, vor allem, wenn man in tsunamigefährdeten Gebieten wohnt, alles andere ist, wie gesagt, ein schwerer Fehler.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Alle wollen immer laufen


Kommentar #1 von RM-Supersonderservice:

Zu einem Läufchen kann man sich zumindest noch anmelden:
1. Dem nicht mehr, der ist Mitte Mai.
2. Der ist Ende Juli.
3. Und der ist zwar erst am 9. September, aber man muss sich mindestens ein halbes Jahr vorher anmelden, weil es bei einem Teilnehmerfeld von 9000 lediglich 2000 Startnummern für Ausländer gibt, Franzosen bleiben gerne unter sich.

18.06.2006 | 12:19

Kommentar #2 von #6:

Der Schreiber hat natürlich überhaupt keine Ahnung von einem Marathon und seinen Riten. Ich habe noch nie einen Läufer gesehen, der bei einem Marathon drängelt, krankhafter Ehrgeiz ist in nicht höherem Anteil vertreten als in der Normalbevölkerung und bestimmt weniger als unter Feuilletonisten. Marathon ist definitiv gesünder als Rauchen, Saufen oder diesen Beitrag zu lesen, dessen Thema einen besseren Einstieg verdient hätte. Ist natürlich wieder ironisch gemeint.

18.06.2006 | 13:03

Kommentar #3 von TR:

Hahaha, selbstverständlich hat "der Schreiber" eine Ahnung vom Marathon (Bestzeit 3:45), gedrängelt wird immer am Anfang, beim Medoc wird auch gedrängelt, aber das nimmt man doch viel lieber hin, wenn der Drängler zB eine Menschengruppe von 10 Leuten ist, die sich zu einem gemeinsamen Tisch verkleidet haben

18.06.2006 | 13:16

Kommentar #4 von #6:

Nicht schlecht. Bei der Halbmarathonzeit muss aber noch was getan werden. Kennen Sie übrigens die Läufer, die bei der Anmeldung ihren Mag. Dr. hinzuschreiben? Ganz schön eitel, meiner Meinung nach. Auf an die Garonne zum MdM, in nichts zu vergleichen mit dem Bonner Biermarathon.

18.06.2006 | 13:49

Kommentar #5 von TR:

Bei meiner Halbmarathonzeit muss etwas getan werden? Das glaube ich nicht, auch die waren, soweit ich mich erinnern kann, nicht vonderbettkantestossenswert. Und wie der RM-Supersonderservice etwas weiter oben gesagt hat, für den MdM gibts dieses Jahr keine Plätze mehr, versuchen sie doch den 78 km Swiss Alpin, frische, eisige Luft, zähe Käsesuppe, freundliches Völkchen, keine Drängeleien mehr auf 3000 Meter

18.06.2006 | 14:17

Kommentar #6 von #6:

Keine Plätze für Leute, die sich jetzt noch anmelden möchten, sollte es sicherlich richtig heissen. Der RM-SSS ist schliesslich nicht die einzige und sicher auch nicht die aktuellste Quelle für den önophilen Langstreckenläufer.
PS: 78 km sind dann doch zu viel, mit Käse im Bauch wird es immer ganz schwer bei mir.

18.06.2006 | 14:52

Kommentar #7 von björn:

wenn sie gern alleine laufen, probieren sie doch mal:
antarctica marathon, marathon de sable, death valley marathon... nicht so zum bestzeit – knacken geeignet und die verpflegung ist auch nicht ganz so exklusiv, dafür aber garaniert frei von schönlingen und dränglern. im übrigen gibt es auch hierzulande eine menge waldundwiesenmarathons die schön und stress- weil teilnehmerärmer sind

18.06.2006 | 14:53

Kommentar #8 von is:

oh mein gott, dieser artikel hat bei mir verschüttete erinnerungen an einen in der jugend absolvierten triathlon ausgegraben, was soll ich jetzt damit wo ich schwer und bar jeden atems im sessel häge, nur noch die maschine lesend.

18.06.2006 | 22:25

Kommentar #9 von Ruben:

Weiter Maschine lesen, nicht schlapp machen. Endlos, atemlos, gnadenlos.

18.06.2006 | 22:31

Kommentar #10 von björn:

liebe(r) is,
glücklicherweise wird ja alles besser, immer, deshalb kannst du elektrostimulierende trainingsgeräte (muskel oder wahlwise bauchweg) der firma name wurde in vorauseilendem gehorsam nicht eingefügt online bestellen und kannst so dein gewissen beruhigen ohne den sessel zu verlassen. schluss mit widerlicher frischluft, ungnädiger sonne und unerträglich langen stunden gänzlich ohne riesenmaschine. nur mut, ride the wave, und wenn sie auch nur in sinusform aus der steckdose kommt

19.06.2006 | 08:18

Kommentar #11 von M. Kranz:

Der Wellenmarathon ist aber auch noch steigerungsfähig – warum nicht gleich UNTER Wassser laufen, wie Lloyd Scott:
http://en.wikipedia.org/wiki/Lloyd_Scott
der mit sechs Tagen, vier Stunden, 30 Minuten und 56 Sekunden den Weltrekord im Langsam-Marathon hält (gelaufen in einem Tiefseetaucher-Anzug) und 2003 in 12 Tagen das Loch Ness (26 Meilen) zu Fuss durchquert hat:
http://www.cbsnews.com/stories/2003/10/09/world/main577386.shtml
In diesem Zuusammenhang und für alle, die Sport und Rekorde blöd finden, voilà: Die olympische Letzten-Seite:
http://www.olympic-museum.de/home/worst_performance.htm

20.06.2006 | 16:00

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